Keine Beziehung ohne Kompromisse – das ist dir nach einigen mehr oder weniger erfolgreichen Partnerschaften klar. Schließlich ist eine Beziehung nur gleichberechtigt, wenn die Gefühle von beiden berücksichtigt und faire Lösungen gefunden werden.
Es gibt allerdings Situationen, in denen du ohne schlechtes Gewissen kompromisslos sein darfst. Paartherapeutin Birgit Neumann-Bieneck erklärt im Interview mit watson, in welchen Fällen du dir zuliebe keine Kompromisse eingehen solltest und warum.
Bis zu einem gewissen Grad sind unterschiedliche Meinungen erfrischend in einer Beziehung, sagt Neumann-Bieneck. Die Nacht durchdiskutieren und Ansichten austauschen schweißt zusammen. Doch das klappt nur, wenn dein Partner und du die gleichen Grundwerte haben.
Unterscheiden sich Wertvorstellungen in deiner Beziehung darin, was ihr erstrebenswert, moralisch oder ethisch korrekt findet, wird es schwierig, meint die Expertin. Geht es in Konflikten um Kernwerte in Politik, Religion oder etwa Tierschutz, solltest du vorsichtig sein. Die Paartherapeutin erklärt:
Kannst du die Werte deines Partners nicht akzeptieren, ist eine Beziehung langfristig unmöglich, so Neumann-Bieneck: "Das zeigen Studien, nach denen Unterschiede zwar anfänglich anziehend wirken. Langzeitbeziehungen zeichnen sich jedoch dadurch aus, dass sich Partner ähnlich sind."
Kompromisslos sind neben den Kernwerten auch deine Persönlichkeitsrechte, erklärt Neumann-Bieneck. Das sind deine Rechte auf Selbstbestimmung, -wahrung und -darstellung. Streitet ihr euch beispielsweise, weil dein Partner deinen Style zu freizügig findet oder nicht einverstanden ist, mit wem du dich verabredest, sag Stopp.
"Mit wem du befreundet bist, welche Kleidung du trägst oder wie lang du abends unterwegs bist, gehört zu deinem Recht auf Selbstbestimmung", macht die Paartherapeutin klar. Oft steckt hinter dem Konflikt ein tieferes Problem, dem ihr auf den Grund gehen solltet, zum Beispiel Eifersucht. Kompromisse sind hier nicht die richtige Lösung.
Du solltest dir bewusst machen, dass es einen Unterschied zwischen Kompromissen und Vorschriften gibt. Will dein Partner dir seine Meinung auf- oder seinen Willen durchdrücken, verlässt er das Feld der gemeinschaftlichen Lösungsfindung.
Dieser Punkt hängt mit deinen Persönlichkeitsrechten zusammen: Kompromisse haben nichts damit zu tun, dass du dich als Mensch verändern sollst. Möchte dein Partner eine andere Person aus dir machen, weil ihm Aussehen, Art oder Einstellung nicht passen, ist das kein Kompromiss, erklärt Neumann-Bieneck. Hier solltest du deutlich die Grenze ziehen.
Eine Beziehung funktioniert nur, wenn ihr euch auf Augenhöhe begegnet und respektiert, betont die Paartherapeutin. Möchte dein Partner dich verändern, sind beide Parameter nicht erfüllt.
Manchmal geht dein Partner stärker auf dich zu, weil es ihm bei einem Thema leichter fällt. Das bedeutet aber nicht, dass du beim nächsten Mal dran sein musst. "Bei Kompromissen geht es nicht darum, den anderen zu erpressen. Es gilt nicht: Du hast letztens deinen Willen bekommen, jetzt will ich meinen", erklärt Neumann-Bieneck.
Wer so denkt, hat nicht verstanden, was Kompromisse sind, findet die Expertin. Es geht nicht ums gegenseitige Piesacken, sondern darum, das Beste für die Beziehung zu wollen. Kompromisse sind keine Machtkämpfe, sondern Lösungsfindungen. "Es ist ein stetiges Aushandeln, wie viel man dem anderen entgegenkommen kann", erklärt die Paartherapeutin. "Das muss man von der Situation abhängig machen, statt aus Prinzip zu handeln."
Um in deiner Beziehung erfolgreich Kompromisse zu schließen, solltest du laut Neumann-Bieneck auf Folgendes achten:
Behältst du diese Tipps beim nächsten Konflikt im Hinterkopf, steht einer Kompromissfindung und fairen Beziehung nichts mehr im Weg.