Mit dem Einstieg ins Arbeitsleben als junge Ärztin würde sich vieles verändern, das war mir klar. Aber wie sehr der Job im Krankenhaus mich und mein Privatleben wirklich beeinflusst, habe ich nicht geahnt.
Vor allem eine Sache hatte ich nicht kommen sehen: Nach einem anstrengenden Arbeitstag fühle ich mich oft nicht mehr in der Lage, eine Entscheidung zu treffen.
Mein beruflicher Alltag als Ärztin besteht darin, große und weniger große Dinge für Patient:innen zu entscheiden. Gemeinsam mit meinen Oberärzt:innen und weiteren Kolleg:innen aus anderen Berufsgruppen. Das ist anstrengend. Sehr anstrengend.
Besonders zu Beginn stellt das für mich eine große Herausforderung dar. Plötzlich ist man mittendrin im Entscheidungsprozess und steht nicht mehr nur als Studentin stumm daneben, während man zuschaut, beobachtet und lernt.
Komme ich am Ende eines langen Tages nach Hause, ist meine Kapazität, Entscheidungen zu treffen, schlicht und einfach aufgebraucht. Wenn ich gefragt werde, was ich essen oder unternehmen möchte, habe ich keine Antwort darauf. Nicht, weil es mir egal wäre. Nein. Ich fühle mich einfach zu leer, um eine Auswahl zu treffen.
Die spannende Frage ist: Wird sich das im Laufe meiner Karriere als Ärztin wieder ändern? Ich habe zumindest Zweifel, schließlich werden mit mehr Berufserfahrung auch die zu treffenden Entscheidungen schwerwiegender, größer und selbstständiger.
Dass meine Freizeit zum Berufsstart deutlich weniger werden wird, war mir bewusst. Dass es mich belasten würde, war mir klar. Nicht vorbereitet war ich jedoch darauf, mich dabei von Freund:innen und Familie oft nicht verstanden zu fühlen.
Ich gebe mein Bestes, meine Freizeitbeschäftigungen nicht schleifen zu lassen. Ich denke, ich mache dabei auch einen guten Job. Nichtsdestotrotz stoße ich auf Unverständnis, wenn ich Verabredungen mit der Begründung, dass ich früh ins Bett gehen muss oder schlichtweg keine Kraft mehr habe, kurz halte oder absage.
Zur Wahrheit gehört jedoch: Gebe ich meinem Körper nicht den nötigen Schlaf, funktioniere ich nicht; habe Angst, am nächsten Arbeitstag unkonzentriert zu sein und Fehler zu machen; muss befürchten, dass ich damit nicht voll und ganz für die Patient:innen da sein kann.
Manchmal werde ich wütend darüber, nicht wie jede andere meiner Freund:innen sagen zu können: "Was soll's, dann bin ich bin morgen einfach müde auf der Arbeit." Klar, es wäre möglich. Aber ich traue es mich nicht.
Zudem muss ich feststellen: Die eigene Gesundheit rutscht unweigerlich in den Hintergrund, obwohl ich sie doch so viel mehr schätzen sollte, nachdem ich den lieben langen Tag mit Krankheit konfrontiert bin. Ob Vorsorgetermine, Sport, gesunde Ernährung, mentale Gesundheit oder ausreichend Schlaf: All das habe ich in den letzten drei Monaten so vernachlässigt, wie ich es mein Leben lang nicht getan habe.
Ironischerweise kam mir dieser Gedanke, während ich um 4 Uhr morgens während eines Nachtdiensts ins Bett im Dienstzimmer gehüpft bin, in der Hoffnung, zumindest noch zwei Stündchen Schlaf zu bekommen.
Dort lag ich, völlig fertig von der nervenaufreibenden Arbeit und mental zu aufgewühlt, um überhaupt ein Auge zuzumachen. Plötzlich schoss mir eine Studie durch den Kopf, die ich Jahre zuvor gelesen hatte. Die Kernaussage: Schichtarbeit beeinträchtigt unsere Gesundheit und kann zur Reduktion der Lebenszeit führen.
Großartig. Genau diesen Gedanken brauchte ich, während ich völlig übermüdet versuchte, einfach nur einzuschlafen. Auch in den kommenden Tagen verfolgte mich der Gedanke, wie ich es umsetzen könnte, meiner Gesundheit wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Während ich die Schichtarbeit im Krankenhaus nicht beeinflussen kann, habe ich mir zumindest vorgenommen, gutes Essen mit vielen Antioxidantien einzupacken, einen Spaziergang zu integrieren, wenn ich zu müde für schweißtreibenden Sport bin, meinem mental load Beachtung zu schenken und auf Pausen zu achten.
Wie genau man es als berufstätige Person anstellt, medizinische Vorsorgetermine wahrzunehmen, sofern die Praxen nicht bis 20 Uhr geöffnet haben, weiß ich zwar noch immer nicht. Ich werde es aber unweigerlich im nächsten halben Jahr herausfinden müssen. Immerhin weiß ich: Das ist kein Problem, das meine Berufsgruppe exklusiv hat.