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Mein ganz normaler Mindfuck

Karaoke: Muss ich mit Kollegen zum Singen?

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Meine Kollegen haben zur Karaoke eingeladen – muss ich da mitgehen?

18.06.2018, 16:1814.08.2018, 09:36
Bianca Xenia Jankovska
Bianca Xenia Jankovska
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Liebe Bianca,
am Freitag hat mich eine Kollegin zum Karaoke-Abend eingeladen – das gesamte Team inklusive unserer Chefs kommt ebenfalls. Ich hab so gar keine Lust drauf, möchte aber auch nicht zur Outsiderin werden. Ist dir so etwas auch schon mal passiert? Wie hast du reagiert?

Viele Grüße,

Menschenscheu aus Gründen


Liebe Menschenscheu aus Gründen,  

in diesem konkreten Fall muss ich deine Frage leider mit "nein" beantworten. Nein, es ist mir noch nie passiert, dass ich freiwillig einen Karaoke-Abend hab sausen lassen (egal mit wem), um Freunde oder Kollegen mit meiner besten Performance von "Since you’ve been gone" von Kelly Clarkson zu verstören.

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Bild: Giphy
Was für dich Karaoke ist, ist für mich Fußball.

Um nicht in die Situation zu geraten, eine einmonatige Magen-Darm-Krankheit gemeinsam mit Interesse für die Frisuren deutscher Nationalratsspieler vortäuschen zu müssen, habe ich passend zur WM einen Urlaub in Italien gebucht. Unser Problem bleibt das Gleiche: sozial akzeptierte Unternehmungen mit Bekannten abzulehnen, ohne dabei die Vorteile des zwischenmenschlichen Koexistierens zu verlieren, die im Wesentlichen aus – ja, was eigentlich – bestehen? 

Einladungen zum Geburtstag? Diesem einen Mal, das man zusammen im Sommer grillen geht?

Weil ich auch nicht schlauer bin als du und viel zu oft nette Dinge zusage, hab ich das Ratgeber-Buch für Gewissensgeplagte von Sarah Knight gelesen. Es heißt "The Life-Changing Magic of Not Giving a F**k".

Ein Beispiel.

Sarah hasst Baby-Partys, also diese Events, die schwangere Frauen zum Leidwesen ihrer Freundinnen veranstalten, um sich beschenken und noch mal den Bauch betätscheln zu lassen. Statt also alle sieben bis neun Wochen zu ebensolcher Partys zu gehen, hat sie sich entschieden, lieber fünfzehn Minuten für den Kauf eines Online-Geschenks zu investieren und dieses direkt mit einer netten Karte liefern zu lassen.

Zur Veranschaulichung:

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So, sagt zumindest Sarah, entgeht sie ihrem schlechten Gewissen, die Party halbherzig betreten und nach zwei elendig gezogenen Stunden wieder verlassen zu haben und verschafft sich einen Abend Me-Time auf dem Sofa.  

Laut Knight sollten wir alle mehr auf unser emotionales Fuck-Konto achten und uns für die verschiedenen Bereiche des Lebens – sei es Arbeit, Familie oder Kollegen – nur ein gewisses Kontingent an "Fucks" erlauben. Wenn die "Fucks", also die Abende oder Geschichten, denen wir Aufmerksamkeit zuwenden, "leer" beziehungsweise aufgebraucht sind, wird es Zeit, sich fürs nächste Monat bessere Prioritäten zu setzen.  

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Bild: Giphy
Prioritäten also.

Wenn es dir weniger wichtig ist, ob dich deine Kollegen leiden können, dann geh nicht zu dem Abend. Wenn es dir superwichtig ist, dass du mit allen tratschen und Mittagessen gehen kannst, schau vorbei. 

Das muss jeder für sich entscheiden.

Ich für meinen Teil kann mit Knights Methode nur bedingt etwas anfangen. Wenn ich die Wahl zwischen einem Abend mit mir und dem Sofa oder einem Abend mit Menschen, die mir so halb etwas bedeuten immer zugunsten des Sofas ausfallen ließe, hätte ich irgendwann den Freundeskreis meiner 83-jährigen Oma, deren Geschwister und Freunde langsam das Zeitliche segnen, ohne, dass sie gestorben sind.  

Keinen "Fuck" zu geben ist das vielleicht Mutigste und Gefährlichste, das Egoistischste, was wir zum aktuellen Zeitpunkt der Menschheitsgeschichte machen können.

Es ist egoistisch, grundlos und ohne Absage irgendwo nicht aufzukreuzen; gleichzeitig ist es dein gutes Recht. Es ist selbstbestimmt, Dinge zu ignorieren, die dich nicht tangieren, auch wenn sie anderen etwas bedeuten.

Ob es sich dabei nun um verpasste Babyshowers, Geburtstage oder Gegenkommentare auf rechten Onlinemedien handelt. First things first. Aber wundere dich nicht, wenn du bald selbst als "The Second Choice" giltst.      

Alles Liebe

Bianca Jankovska

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Bianca Xenia Jankovska...
...hat bisher in vier Städten in drei Ländern gewohnt, die Sicherheit einer Festanstellung gegen konstante Ungewissheit getauscht und dabei unter anderem gelernt, dass man nicht ewig gegen seine inneren Neigungen arbeiten kann, ohne unglücklich zu werden. Als freie Autorin und Bloggerin schreibt sie über Machtstrukturen und persönliche Kämpfe auf dem Arbeitsmarkt und Privilegien, die manchmal selbst enge Freunde entzweien. Ihr erstes Buch "Das Millennial Manifest" erscheint im Herbst 2018.

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