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Marina (22) kellnerte neben dem Studium in einer Bar. Daniel (27) hat sie dort schon öfter gesehen. Irgendwann fragte er sie schließlich nach ihrer Nummer. Sie dachte, sie gehen einfach gemeinsam Kaffee trinken. Aber er hatte einen anderen Plan.
"Wählst du die rote oder die blaue Pille?" – mit dieser Frage begann mein persönliches schlimmstes Date. Dabei war Daniel eigentlich ganz süß.
Um mich nach einem Treffen zu fragen, schickte er mir ein Foto aus dem Film "Matrix". Dort hat Neo die Wahl zwischen zwei Pillen: Je nachdem, für welche er sich entscheidet, vergisst er entweder alles, was bisher passiert ist – oder er bekommt eine völlig neue Welt gezeigt, die sein Leben völlig verändert.
Ich fand es schon extrem überheblich, jemanden so nach einem Date zu fragen. Ein einfaches: "Wollen wir ein Bier trinken gehen?" hätte auch gereicht. Aber gut, er wollte es so – und ich dachte mir: Was habe ich schon zu verlieren. Also wähle ich die Pille, die mein Leben danach angeblich völlig verändern sollte.
Spoiler: Das tat sie natürlich nicht.
Ich glaube, ich war noch nie so nervös vor einem Date, wie an diesem Tag. Noch nie habe ich die Kontrolle an einen eigentlich mir noch Fremden so abgegeben. Als er mich dann Zuhause in seinem weißen VW Polo abholte, hätte ich vor Aufregung beinahe vors Auto gekotzt. Aber statt mir jetzt endlich zu verraten, wo es hingeht, stellte er mir eine weitere Frage: "Wasser oder Berg?"
Falls Wasser-Ski oder Klettern die beiden Optionen sind, würde ich mich beim Klettern weitaus weniger dumm anstellen – also wählte ich den Berg und wir fuhren los. Ich natürlich noch immer völlig ahnungslos, wo es hinging.
Dann wurde es bereits während der Fahrt kurzzeitig etwas komisch, als wir auf das Thema Job zu sprechen kamen – er hatte nämlich keinen. Es kann viele Gründe geben, warum man mit Mitte 20 keinen Job hat: ein Sabbatical vielleicht, oder Eltern, die es sich leisten können, ihrem Kind das komplette Studentenleben zu finanzieren, ein Lottogewinn – whatever. Er würde es mir sicherlich gleich erzählen.
Mitten auf dem Weg dämmerte es mir schließlich von allein, was Daniel mit mir vor hatte: Wir fuhren gerade tatsächlich auf einen Berg, oder vielmehr einen Hügel. Einen Hügel außerhalb der Stadt. Wow, war ich beeindruckt … nicht.
Natürlich ist es dort ganz nett, ich selbst war schon 100 Mal da. Aber: Wer so hohe Erwartungen schürt, der kann sich nicht fünf Kilometer weiter mit dem Auto auf einen Hügel stellen und erwarten, dass ich Beifall klatsche, als hätte er mir den absoluten Secret Spot gezeigt.
Und wenn ich Wasser geantwortet hätte, wären wir dann einfach an den nächsten Tümpel gefahren?
Ich ließ mir meine Enttäuschung vor Daniel nicht anmerken und freute mich stattdessen, dass er zumindest daran gedacht hat, uns ein paar Bier einzupacken. Wir stiegen aus und er schaute sich erwartungsvoll nach dem besten Platz um, aber offensichtlich gefiel ihm keiner so richtig.
Ich setzte mich einfach auf die nächstbeste Bank und öffnete mein Bier. Daniel setzte sich etwas enttäuscht dazu. Es ist ein verdammter Hügel, was hat er denn erwartet? Den besten Blick auf die ganze Stadt?
Schnell kamen wir wieder auf das Job-Thema zu sprechen. "Ich habe noch nie in meinem Leben gearbeitet", eröffnete er mir. Der Typ war zu dem Zeitpunkt 27 Jahre alt. Wie schafft man es, sich so lange erfolgreich vor einer Arbeit zu drücken?
Im Laufe des Abends erfuhr ich auch, wie: Er hat psychische Probleme. Aber nicht nur er, sondern auch sein Bruder, dessen Verlobte und seine Mutter. Und sein Vater sammelt totes Wild von der Straße auf, wenn ihm zufällig eins begegnet und dann wird das Zuhause zum Abendessen verarbeitet ... ähm, WTF?!
Natürlich finde ich es wichtig und richtig, dass man mit seinen Problemen offen umgeht. Und ich höre gerne zu. Aber das waren ganz schön viele Informationen für ein erstes Date.
Allein auf einem Hügel.
Mitten im Nirgendwo.
Er ließ mich kaum zu Wort kommen, reagierte eingeschnappt, wenn ich nicht seiner Meinung war und hat offensichtlich noch nie darüber nachgedacht, sich professionelle Hilfe zu holen.
Nach knapp zwei Stunden Gespräch wusste ich alles über ihn – von der frühesten Kindheit an. Und er nichts über mich. Das ist bei mir schon ne Leistung. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich viel reden kann. Allerdings rede ich nur dann, wenn ich das Gefühl habe, dass es mein Gegenüber auch interessiert, was ich zu sagen habe. Das war bei ihm offensichtlich nicht der Fall.
Ich fühle mich nicht wie ein Date, sondern wie ein emotionaler Mülleimer.
Seinen seelischen Durchfall wollte ich aus Höflichkeit nicht unterbrechen. Aber wäre das Ganze länger als zwei Stunden gegangen, ich hätte ihm die Zeit in Rechnung gestellt.
Danach habe ich ihn freundlich gebeten, mich wieder nach Hause zu bringen, da ich "morgen früh rausmusste". Musste ich natürlich nicht.
Am nächsten Tag schrieb er mir eine lange Nachricht, entschuldigte sich für sein Verhalten und bat mich um ein zweites erstes Date. Ich für meinen Teil hatte schon vom ersten Date genug, da brauchte ich nicht noch ein zweites.
