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Corona – Präsenzunterricht an Schulen: "Unsere Kinder sind nicht euer Feldversuch"

Home Schooling ist anstrengend und nervt! Trotzdem ist Präsenzunterricht derzeit noch keine gute Idee.
Home Schooling ist anstrengend und nervt! Trotzdem ist Präsenzunterricht derzeit noch keine gute Idee. Bild: Westend61 / Westend61
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"Unsere Kinder sind nicht euer Feldversuch": Warum Präsenzunterricht keine gute Idee ist

14.07.2021, 12:2713.09.2021, 15:42
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Während sich um Deutschland herum ein Unwetter aus Delta-Viruswolken zusammenbraut, diskutiert man hierzulande lieber über weitere Lockerungen. Am stärksten im Fokus steht derzeit die Frage, ob man in den Schulen nach den Ferien wieder Präsenzunterricht einführen soll. Was erstmal so klingt, als wolle man sich nun endlich um die Schüler und Schülerinnen kümmern, sind jedoch nur politische Nebelkerzen.

"Das am häufigsten angebrachte Argument, man müsse ja an die armen Kinder denken, die so unter der Corona-Isolation litten, ist an Scheinheiligkeit und Sarkasmus nicht zu überbieten."

Denn obwohl die Inzidenz weiterhin niedrig ist, steigen die Neuinfektionen gerade wieder unaufhörlich weiter und das Virus ist bei weitem noch nicht besiegt. Trotz bevorstehender vierter Welle im Herbst, sollen die Kinder nach den Sommerferien wieder in die Schule gehen. Das am häufigsten angebrachte Argument, man müsse ja an die armen Kinder denken, die so unter der Corona-Isolation litten, ist an Scheinheiligkeit und Sarkasmus nicht zu überbieten.

Kinder und Jugendliche verpassten viele Erfahrungen

Ja, die Kinder und Jugendlichen haben die letzten beiden Jahre unter Corona leiden müssen – in vielen Fällen auch extremer als Erwachsene. Schließlich entdecken diese Altersgruppen gerade erst die Welt und ihre Rolle darin, machen neue Erfahrungen und sozialisieren sich. Vieles davon lässt sich auch nicht so einfach nachholen: der erste Geburtstag in der Kita, die erste Klassenfahrt oder die Abifeier. Doch unsere Kinder und ihre Bedürfnisse wurden während der Krise einfach immer wieder übergangen.

Anstatt sich vernünftige Konzepte für Hygieneregeln zu überlegen, Geld für genügend Luftfilter in Klassenzimmern in die Hand zu nehmen und statt Ressourcen und Gedanken in die Unterstützung von Familien zwischen Homeoffice und Home Care zu stecken, lautete die Devise eher: lasst ihr euch mal was einfallen. So sollten die Kinder im Winter in Klassenzimmern vor offenen Fenstern frieren, oftmals ohne Hilfestellung alleine zu Hause lernen und natürlich den Kontakt mit ihren Freunden meiden.

"Unsere Kinder opferten also ihre wichtigsten Lebensjahre für die Gesundheit der Erwachsenen und der älteren Generation."

Damals ging man davon aus, dass Kinder selbst keine schwerwiegenden Folgen durch Corona davontragen könnten, sondern nur höchst ansteckend seien. Unsere Kinder opferten also ihre wichtigsten Lebensjahre für die Gesundheit der Erwachsenen und der älteren Generation. Und jetzt? Sind bereits 43 Prozent der Erwachsenen durchgeimpft. Und da will man bitte auch wieder mehr Freiheiten haben: sich einen Restaurantbesuch oder einen Urlaub gönnen. Und die Kinder? Die können doch auch wieder in die Schule. Ganz nach dem Motto: Sollen sie sich doch am besten anstecken, das Risiko von Long Covid beträgt je nach Studie ja nur rund zwei Prozent.

Nur zwei Prozent? Bei circa 10 Millionen Kindern in Deutschland sind das immerhin 200.000 Kinder, die schwere und langfristige Krankheitsfolgen von Long Covid in Kauf nehmen müssten.

Kinder sollen in die Schule – aber bitte geimpft oder orderntlich geschützt

Natürlich sollen Kinder endlich wieder in die Schulen gehen und mit Freunden spielen können. Aber nur, wenn sie sicher sind. Das heißt: entweder geimpft oder ordentlich geschützt. Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte am Montag im Podcast bei Garbor Steingarts "Morning Briefing" die Impfung der 12- bis 16-Jährigen, da diese die Impfung erstaunlich gut vertragen würden und die Wirksamkeit sehr hoch sei.

"Die vierte Welle ist schon im Anrollen und laut Experten wird sie unsere Kinder treffen – mit voller Wucht."

Aber die Politik zögert wieder einmal und wartet lieber ab. Dieses ewige Zögern und Abwarten, das uns in der Pandemie so schadete, als eine zweite und dritte Welle längst absehbar war. Die vierte Welle ist schon im Anrollen und laut Experten wird sie unsere Kinder treffen – mit voller Wucht. Liebe Politiker, unsere Kinder sind nicht euer Feldversuch. Sie sollten nicht einfach dahin geschickt werden, wo die Delta-Variante wütet, weil es ja egal ist, ob sie sich – und andere – wieder anstecken. Statt ernsthaft über Impfungen für Kinder zu diskutieren oder einfach jedes Klassenzimmer mit vernünftigen Luftfiltern auszustatten, wird der Nachwuchs lieber weiterhin sich selbst überlassen.

"Wir verlangen von ihnen auch noch, erst jahrelang zurückzustecken für die ältere Generation, nur um dann selbst das Opferlamm für die Freiheiten ebenjener zu sein."

Es macht mich unglaublich traurig, wie offenkundig egal diesem Land unsere Kinder sind. Gebraucht werden sie anscheinend nur als Altersvorsorge. Wie es ihnen geht, ist egal. Nicht nur hinterlassen wir ihnen gerade einen coronabedingten Schuldenberg und einen Planeten, der bereits wortwörtlich wegen der Klimakrise in Flammen steht. Nein, wir verlangen von ihnen auch noch, erst jahrelang zurückzustecken für die ältere Generation, nur um dann selbst das Opferlamm für die Freiheiten ebenjener zu sein. Denn wer kämpft für unsere Kinder? Sie selbst können es noch nicht und wir, ihre Eltern, haben dank Doppelbelastung durch Corona keine Zeit und Kraft mehr dafür.

Nach der Serie an Unfällen: Welche Airlines fliegen mit Boeing-Maschinen?

Pleiten, Pech und Pannen: Boeing verlor bereits in den letzten Jahren wegen mehrerer Unfälle oder Beinaheunfälle nach und nach seinen Ruf. Nach gleich zwei Abstürzen in Indonesien und Äthiopien – mit insgesamt 346 Toten – wurde 2019 für Max-8- und Max-9-Maschinen ein weltweites Flugverbot verhängt, das zwei Jahre andauerte.

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