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Instagram: Social-Media-Detox – warum ich die App einfach gelöscht habe

Ein Selfie hier, ein Boomerang da: Auf Instagram zeigt man sich gerne von seiner besten Seite.
Ein Selfie hier, ein Boomerang da: Auf Instagram zeigt man sich gerne von seiner besten Seite.Bild: pexels Kampus Production
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Social-Media-Detox: Warum ich Instagram gelöscht habe

04.12.2022, 10:1904.12.2022, 10:27
Helen Kleinschmidt
Helen Kleinschmidt
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Um es schon einmal vorwegzunehmen: Eigentlich habe ich mein Instagram-Konto gar nicht gelöscht. Ich habe es nur deaktiviert. Das macht insofern einen Unterschied, als dass ich es zu jedem beliebigen Zeitpunkt reaktivieren kann. Wenn ich meinen Account gelöscht hätte, wären all meine Fotos und Highlights weg – für immer. Das konnte ich dann doch noch nicht übers Herz bringen.

Warum bin ich vorerst nicht mehr auf Instagram aufzufinden?

Dennoch. Ich nutze Instagram seit mehreren Wochen nicht mehr. Auslöser für meinen Entschluss war mein Umzug nach Berlin. Von Stuttgart in die Hauptstadt, das war ein großer Schritt – der natürlich auf Instagram geteilt werden musste. Die Leute müssen doch erfahren, dass ich für die nächste Zeit in Berlin wohnen werde. Oder? Warum eigentlich? Meine Familie und Freund:innen, also die wichtigsten Menschen in meinem Leben, wissen doch auch unabhängig von Instagram Bescheid, wo ich gerade lebe.

Mein Umzug nach Berlin hat mich dazu gebracht, Instagram zu löschen.
Mein Umzug nach Berlin hat mich dazu gebracht, Instagram zu löschen.bild: pexels / shvets anna

Um meine FOMO (Fear of Missing Out, also die Angst, etwas zu verpassen) zu verringern, hatte ich schon vor langer Zeit Storys von Menschen stumm gestellt, deren Leben mich nicht unbedingt interessiert. Dass Kommiliton:innen, mit denen ich kaum etwas zu tun hatte, schon wieder in einem fancy Café frühstücken oder irgendwelche Leute aus meiner Schulzeit gerade in Italien am Strand liegen und auf Partys gehen, kann mir relativ egal sein.

Ich schaute also nur, was gute Freund:innen und Bekannte gerade machten. Trotzdem konnte ich oft nicht ausblenden, dass nur die schönsten Momente und Erinnerungen auf Instagram geteilt werden, und habe mich dabei ertappt, wie ich mein Leben verglichen habe.

Außerdem hat mich mein Konsum teilweise erschreckt: Wenn ich über eine Stunde am Tag auf der App verbracht hatte, fühlte ich mich danach schlecht – als hätte ich meine Zeit verschwendet. Dieser Faktor hat zwar dazu geführt, dass ich die App regelmäßig von meinem Handy entfernt habe, doch stattdessen schaute ich eben über meinen Laptop, was gerade auf Instagram abgeht. Ich habe mich selbst verarscht.

Ich wollte mein "neues Leben" teilen

Der Umzug nach Berlin hat mich also dazu gebracht, mein Instagram-Verhalten noch einmal zu reflektieren. In dem Moment war alles neu: Ich kannte noch niemanden, die Stadt war mir noch nicht vertraut und ich fing eine neue Stelle an. Das kann schnell überfordern.

Als ich einen Spaziergang machte, hatte ich sofort das Bedürfnis, all meine Follower:innen über mein „neues Leben“ in Berlin zu informieren, um eine kurzzeitige Zufriedenheit in mir auszulösen. Zack, war ein Foto von einem schönen Park mit Ortsmarkierung Berlin gepostet. Sekunden später stellte ich mir die Frage, ob mich das nun wirklich besser fühlen lässt. Die Antwort lautete: Nein. Nicht wirklich.

Was also, wenn ich meinen Instagram-Account deaktivieren würde, um gar nicht mehr in Versuchung zu kommen und Abstand von der scheinbar perfekten Welt zu gewinnen?

Dieses Bild vom Rosengarten im Humboldthain landete in meiner Story, kurz bevor ich die App deaktiviert habe.
Dieses Bild vom Rosengarten im Humboldthain landete in meiner Story, kurz bevor ich die App deaktiviert habe.bild: watson / helen kleinschmidt

Erst dachte ich, auf keinen Fall. Doch je länger ich darüber nachdachte, desto mehr freundete ich mich mit dem Gedanken an, im Internet mal keine Rolle zu spielen. Ich kam mir blöd vor, dass ich mich so wichtig nahm. „Aber dann erfährt ja niemand, dass ich in Berlin wohne“ – na und? Was sollen die Leute, die mich nur flüchtig kennen, denn mit dieser Information anfangen? Alle anderen würden es früher oder später erfahren. Also deaktivierte ich kurzerhand mein Profil – und spürte tatsächlich eine Erleichterung.

Der Instagram-Entzug ist einfacher als gedacht

Die ersten Tage Entwöhnung waren weniger schlimm als gedacht. Da ich so viele neue Eindrücke verarbeiten musste, war ich am Anfang sowieso zu kaputt, um noch groß auf mein Handy zu starren. Lieber sprach ich persönlich mit meinen Freund:innen und meiner Familie, um ihnen von Berlin zu berichten.

Instagram bringt zwar die komfortable Möglichkeit, allen schnellstmöglich mitzuteilen, was man gerade treibt. Darauf können Bekannte reagieren, manchmal entwickelt sich eine Konversation daraus. Doch viel zu oft bleibt das Update unkommentiert oder es wird lediglich ein Emoji als Reaktion geschickt. Als wertvolle Kommunikation kann ich das in der Regel nicht bezeichnen.

Auch jetzt, nach knapp zwei Monaten Abstinenz, fehlt mir die App kaum. Nur wenn Freund:innen mir von etwas berichten, das sie auf Instagram gesehen haben, ist das kurz ein komisches Gefühl: Oh nein, ich habe etwas verpasst. Wobei das im Endeffekt gar nicht der Fall ist: Mir wurde doch davon erzählt – meine Freund:innen haben an mich gedacht. Und in den meisten Fällen ist die Anekdote eben einfach nur das: eine nette Anekdote. Nichts, was ich unbedingt erfahren müsste.

Irgendwie gibt mir diese Abwesenheit von Instagram eine besondere Art von Selbstbewusstsein: Ich muss nicht alles wissen, genauso, wie meine Abonnent:innen nicht alles von mir wissen müssen.

"Ich möchte beweisen, dass ich gerade eine gute Zeit habe und glücklich bin. Wenn ich das beweisen muss, wie nachhaltig und echt ist dann meine Zufriedenheit?"

In den vergangenen Wochen habe ich darauf geachtet, wann ich überhaupt das Bedürfnis habe, andere über meine Tätigkeiten zu informieren. Das findet tatsächlich eher dann statt, wenn ich mich gerade einsam fühle, meine engen Bezugspersonen vermisse und von Berlin genervt bin. Wenn ich einen richtig schönen Tag habe und nette Leute kennenlerne, denke ich nicht mal daran, etwas zu posten. Dann bin ich im Hier und Jetzt.

Für mich hat das Posten auf Instagram so gut wie immer einen faden Beigeschmack: Ich möchte beweisen, dass ich gerade eine gute Zeit habe und glücklich bin. Wenn ich das beweisen muss, wie nachhaltig und echt ist dann meine Zufriedenheit?

In guter Gesellschaft fällt es leichter, nicht auf Instagram herumzuhängen.
In guter Gesellschaft fällt es leichter, nicht auf Instagram herumzuhängen.bild: pexels / elle hughes

Es ist hilfreich, den eigenen Instagram-Konsum zu reflektieren

Ich bin der Meinung, jede:r sollte sich einmal ernsthafte Gedanken darüber machen, welchen Nutzen Instagram für sie oder ihn hat. Denn meiner Erfahrung nach ist es vor allem die Gewohnheit, die uns dazu bringt, die Instagram-App zu öffnen.

Dass der Kontakt zu anderen Menschen über Instagram so unkompliziert ist, veranlasst mich jedoch dazu, mein Konto noch nicht ein für alle Mal zu löschen. Um Kontakte zu knüpfen und aufrechtzuerhalten, ist Instagram wirklich nützlich.

Ich kann mich also trotz allem noch nicht dazu durchringen, zu sagen, dass ich die App nie wieder verwenden werde. Aber im Moment fühlt es sich ohne sie sehr gut an.

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