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Kita–Erzieherin:"Was manche Kolleginnen machen, ist eigentlich Kindesmisshandlung"

little boy is playing lonely in playground. little boy is sitting unhappy in playground.
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Erzieherin: "Was viele Kollegen in Kitas tun, ist eigentlich Kindesmisshandlung"

07.11.2019, 12:26
Ilona Böhnke
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Ilona Böhnke arbeitet seit 40 Jahren als Erzieherin in christlichen Kindergärten im Ruhrgebiet. In der Zeit hat sie erlebt, dass einige Kollegen und Kolleginnen oft nicht richtig mit den Kindern umgehen. Was in vielen Kitas falsch läuft und was Eltern dagegen tun können, hat sie für watson aufgeschrieben.

Nach 40 Jahren als Erzieherin habe ich mit vielen Kollegen zusammengearbeitet. Die meisten davon waren tolle Kollegen, doch immer wieder kam es vor, dass ich einschreiten musste. Denn was viele Kollegen da tun, ist eigentlich Kindesmisshandlung.

Beispiele gibt es viele. So kommt es im U3-Bereich, also bei Gruppen mit Kindern unter drei Jahren, häufiger zu Problemen bei der Schlafenszeit der Kinder.

Die meisten Kinder sind müde und liegen im Schlafraum, doch immer wieder kommt es vor, dass ein Kind nicht schlafen kann oder nicht schlafen will. Das ist ja auch ganz normal, jedes Kind ist anders, manche sind aufgeregt, manche haben vielleicht einfach einen schlechten Tag.

Doch einigen Erzieherinnen ist das egal. Es ist Schlafenszeit und dann werden die Kinder eben zum Schlaf gezwungen. Das sieht dann zum Beispiel so aus, dass die Erzieherinnen die Kinder so lange im Arm halten, bis sie schlafen, ob die Kinder wollen oder nicht.

Kein Spielen, keine Bewegung, stattdessen Zwang.

Ich bin davon überzeugt, dass das nicht der richtige Weg ist. Wie soll denn ein Kind ein normales Verhältnis zum Schlaf bekommen, wenn es schon so früh dazu gezwungen wird?

Druck und Drohungen in der Kita

Doch oft sind die Kolleginnen überlastet und wollen ihre Ruhe. Oder sie haben eine seltsame Vorstellung davon, was es bedeutet, sich an Regeln zu halten: Wenn die Uhr sagt Schlafenszeit, dann soll das Kind auch schlafen. Wenn das Kind nicht mitmacht, dann gilt es als aufmüpfig, eine Belastung für die Erzieherin.

Als würde ein zweijähriges Kind irgendwas mit Absicht machen. Sich absichtlich schwierig verhalten.

Diese Denkweise kommt leider häufiger vor. Mit fällt da eine Situation ein, die es deutlich zeigt.

Ich habe einmal miterlebt, wie eine Kollegin ein Kind dazu zwingen wollte, am Tisch sitzen zu bleiben und einen Joghurt aufzuessen.

Das Kind hatte den von den Eltern mitbekommen und ich sah sofort, dass der für dieses Kleinkind eigentlich viel zu viel ist. Das weiß ein so kleines Kind aber noch nicht. Das denkt sich nur, sieht lecker oder interessant aus, dass schnapp ich mir.

Eigentlich kein Problem, doch die Kollegin vor Ort war überzeugt: Jetzt müsse das Kind den auch aufessen.

Was folgte waren Druck und Drohungen.

"Du bleibst jetzt solang hier sitzen, bis du aufgegessen hast. Du gehst jetzt nicht mit uns raus, du darfst jetzt nicht spielen."

Und natürlich begann das Kind sofort zu weinen. Und natürlich war gar nicht mehr daran zu denken, irgendwas aufzuessen.

Ich habe damals direkt eingegriffen und der Kollegin gesagt, dass sie nicht so mit Kindern umgehen könne. Sie rechtfertigte sich und sagte, das Kind würde sich mit Absicht schwierig verhalten.

Als wäre ein Kleinkind in dem Alter in der Lage, gezielt gegen eine Erzieherin vorzugehen.

Kita-Erzieherinnen können viel kaputt machen

Eine Erzieherin muss mit so etwas umgehen können. Denn es geht hier nicht um sie, es geht immer um die Kinder. Und für die ist dieses Verhalten einfach nur schädlich.

Ich kenne Fälle, wo die Kinder Ängste vor dem Essen entwickelt haben. Wenn die Mutti dann daheim Joghurt auf den Tisch stellt, beginnen die Kinder zu weinen oder verstummen völlig.

So kleine Kinder können sich oft nicht richtig mitteilen und dann wissen die Eltern nicht, was eigentlich los ist.

Dann kann es sehr lange dauern, bis man weiß, woher diese Ängste kommen. Das kann auch zu Essstörungen führen.

Das Kindeswohl ist gefährdet

Trotzdem ist Kollegen oft nicht bewusst, was sie da anrichten können, wenn sie sich so verhalten. Spricht man sie drauf an, sind sie sich oft keiner Schuld bewusst. Sie sind dann ganz schockiert, wenn man ihnen sagt, dass sie hier das Kindeswohl gefährden.

Leider habe ich das Gefühl, dass so etwas immer häufiger vorkommt. Die Kitas sind oft zu schlecht besetzt und wenn dann noch jemand krank wird, kann das richtig hart werden.

Dann kümmern sich plötzlich Vorpraktikanten um die Kinder, die das gar nicht dürften. Die dürfen die Kinder nicht einmal wickeln, geschweige denn erziehen.

Aber wenn die Kita unterbesetzt ist, kommt das vor und Kitas sind oft unterbesetzt. Der Personalmangel ist auch so groß, dass Erzieher eingestellt werden, die eigentlich nicht für den Beruf geeignet sind. Die haben vielleicht die Ausbildung gemacht, aber sollten nicht mit Kindern allein sein. Doch wenn die Not groß ist, wird einfach irgendwer eingestellt.

Und dann wird das Kind doch zu fest am Arm gepackt, doch angeschrien, doch in einem Raum eingesperrt. Man kann nur beten, dass das den anderen Kollegen immer auffällt.

Manchmal höre ich von Eltern, dass sie eine Kollegin besonders toll finden und denke mir: Himmel, wenn ihr wüsstet!

Die Eltern müssen aktiv werden

Liebe Eltern, ich kann euch nur empfehlen, sehr gut aufzupassen. Achtet auf eure Kinder und sagt den Erzieherinnen genau, was ihr wollt. Dass euer Kind nicht zum Essen und nicht zum Schlafen oder zu was auch sonst gezwungen werden soll.

Ihr werdet euch da keine Freunde machen. Glaubt mir, ich mag Eltern auch nicht, die mir bei allem reinreden wollen.

Aber am Ende geht es nicht darum, dass die Eltern oder die Erzieherinnen gute Freunde miteinander werden. Es geht um die Kinder. Dann lieber einmal mehr etwas sagen als einmal zu wenig.

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