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Ernährung: Warum ich vegan lebe – und trotzdem von Veganern genervt bin

Ich bin Veganer und mag keine Veganer – klingt komisch, ist aber so.
Ich bin Veganer und mag keine Veganer – klingt komisch, ist aber so.jammydesign/Getty Images/Privat/Montage Watson
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Warum ich vegan lebe – und trotzdem von Veganern genervt bin

13.05.2019, 08:5723.01.2020, 13:07
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Mich nerven Veganer unheimlich. So. Jetzt ist es raus!

Ich hatte in meinen 23 Jahren auf diesem Planeten zahlreiche, irritierende Erlebnisse mit dieser Spezies, die mich von den Pflanzenfressern abgeschreckt haben.

Wir kochten beispielsweise einmal ein Abendessen für mehrere Freunde, unter denen auch eine Veganerin war. Es sollte Burritos geben, zwar mit Fleisch und Käse, aber jeder Menge Gemüse und veganen Soßen, die sich jeder nach Belieben zusammenstellen konnte.

Allerdings erntete ich von der Veganerin viel Kritik und hasserfüllte Blicke, da sie offenbar nicht verstehen wollte, dass wir aus Rücksicht auf sie nicht das ganze Abendessen vegan gestaltet hatten. Aus Protest aß sie an dem Abend dann nur ein trockenes Fladenbrot mit etwas Avocado – und schenkte jedem von uns tadelnde Blicke, der es wagte Milchprodukte und Fleisch zu verzehren.

Danach hielt sie mir noch einen Vortrag darüber, dass sie nie wieder tierische Produkte essen werde und warum wir alle ziemlich scheiße sind, weil wir es tun. So macht man sich einfach Freunde!

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Ich bin kein Fan von Menschen, die anderen ihren Lebensstil aufdrücken möchten

Sie war wahrscheinlich nur eine extrem unsympathische Person, die sich zufällig auch vegan ernährt, aber trotzdem war sie prägend für mein Bild über Veganer. Ich habe noch nie viel von extremen Lebensstilen jeder Art gehalten und noch weniger halte ich von Menschen, die dann auch noch krampfhaft versuchen, anderen diesen Lebensstil aufzudrücken.

Für jeden ihrer tadelnden und angenervten Blicke an diesem Abend hätte ich sie am liebsten mit Käse beworfen.

Bis heute verbinde ich Veganer oftmals unterbewusst mit heuchlerischen, pedantisch disziplinierten Unsympathen, die auf jeden verurteilend herabblicken, der es wagt, einen anderen Lebensstil als sie selbst zu führen.

Das trifft ganz sicher nicht auf alle Veganer zu, wahrscheinlich sogar nur auf einen sehr kleinen Teil, aber es liegt nun mal in der Natur des Menschen in Schubladen zu denken.

Es stand zumindest ganz unten auf meiner Liste so ein Mensch zu werden.

Dementsprechend war im Freundes- und Familienkreis die Überraschung groß, als ich vor wenigen Monaten verkündet habe: "Leute, ich lebe jetzt vegan!"

Meine Freunde nach meiner Vegan-Verkündung:

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giphy/mashable

Irgendwann hat es bei mir Klick gemacht...

Überraschenderweise reagierte aber jeder, dem ich meinen Sinneswandel erklärt habe, mit Verständnis und Interesse – Dinge, die ich zugegebenermaßen Veganern bisher kaum entgegengebracht habe.

Meine Einstellungsänderung hat wenig mit einer überzeugenden, passionierten Rede eines Veganers zu tun, der mir erzählt hat, dass "Fleisch essen Mord ist!!!!!". Das weiß auch ich schon lange. Ich war nur ziemlich gut darin, die Grausamkeit hinter der Produktion tierischer Produkte lange Zeit zu ignorieren.

Um reflektiert zu leben, habe ich beschlossen, vegan zu leben

Wenn ich eine reflektierte, junge Frau sein möchte, die für sich und die Umwelt das Beste tut, was in ihrem Möglichen steht, dann ist eine vegane Ernährung ein guter, machbarer Schritt mit großer Wirkung.

Nahezu jeden Tag hören wir schreckliche Nachrichten über die fortschreitende Zerstörung unseres Planeten. Das Klima erwärmt sich, die Polkappen schmelzen und wenn ich noch einen einzigen Eisbären auf "Unser Planet" beim Sterben zusehen muss, dann schwöre ich euch, dass ich in einem emotionalen Zusammenbruch ende!

Am Ende des Tages stand ich also vor der Frage:

Was kann ich kleines Individuum machen, damit wir nicht ganz so schnell alle den Bach runtergehen?

Ich habe versucht auf Plastik zu verzichten – und bin gescheitert.

Ich habe versucht komplett auf Fast Fashion zu verzichten – und bin gescheitert.

Ich setze mich immer noch teils lieber ins Flugzeug als in die Bahn, wenn ich damit Geld sparen kann.

Kurz: Mein Fußabdruck ist weit nicht so grün, wie ich ihn gerne hätte.

Vegan zu leben ist für das Individuum die effektivste Art CO2 zu reduzieren

Da ich ein großer Fan von schnellen, einfachen Mitteln mit möglichst großem Effekt bin, erschien vegan zu leben wie die perfekte Lösung. Denn eine Studie der "Oxford Universität" besagt, dass es keinen effektiveren Weg gibt seine CO2-Bilanz zu reduzieren als die pflanzliche Ernährung. Eine vegane Ernährung kann die Emission, die durch die Produktion unserer Nahrung entsteht sogar bis zu 73 Prozent reduzieren. Das ist doch recht beachtlich!

Für mich ist der vegane Lebensstil also auch eine Art von Selbsttest. Wie lange komme ich ohne tierische Produkte aus und kann so den größten positiven Effekt auf die Umwelt erzielen?

Es ist ein Ausgleich zu meinem sonst zugegebenermaßen semi-grünen Lebensstil und somit auch ein Weg mein schlechtes Gewissen zu beruhigen, das gebe ich auch ehrlich zu. Natürlich spielen die Aspekte Gesundheit und Tierwohl da aber genauso eine Rolle.

Wenn es aber mal nicht klappt und ich aus Versehen vergesse, dass ein Butter(!)crossaint nicht vegan ist (wie konnte ich das denn auch ahnen?) oder ich einfach nicht dem Eis widerstehen kann, das ein Kollege für alle mitgenommen hat (sorry, aber wenn es da schon so provokant liegt...), dann ist das für mich auch völlig okay. Ich mache noch Fehler, lerne daraus und mache es beim nächsten Mal einfach anders.

Die Vorteile einer pflanzlichen Ernährung für die Umwelt
Vegan zu leben hat wissenschaftlich bewiesen zahlreiche Vorteile. Die Ernährungsweise ist allerdings nicht nur gut für den Körper und die Tierwelt, sondern hat auch großen Einfluss auf die Umwelt. Eine Oxford Studie aus dem Jahr 2016 ergab, dass eine vegane Ernährung beispielsweise positiv Klimaschäden entgegenwirken kann. Die landwirtschaftliche Tierhaltung ist in hohem Maße für den Klimawandel verantwortlich. Die Landwirtschaft soll rund 30 Prozent Anteil an den weltweit ausgestoßenen Treibhausgasen betragen. Durch den global steigenden Fleisch- und Milchkonsum wird der Gesamtanteil der Landwirtschaft an den Treibhausgasen bis 2050 auf schätzungsweise 50 bis 80 Prozent ansteigen. Die Umstellung auf eine vegane Lebensweise ist daher ein konsequenter Schritt, um das Klima zu schützen. Ernährten sich die Menschen rein pflanzlich, würde dies die ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen bis 2050 um 70 % reduzieren.

Ich verstehe Veganer genauso wie die, die in ihrer Ignoranz leben wollen

Und deswegen haben sich meine Gefühle zu verurteilenden und belehrenden Veganern trotzdem nicht geändert. Ich kann ihre Beweggründe natürlich besser verstehen, da ich mich mit diesen intensiver auseinandergesetzt habe.

Aber trotz veganer Ernährung verstehe ich auch die Menschen, die bewusst weiter in ihrer Ignoranz leben wollen. Es gibt genug Dinge in unser aller Leben, über die wir uns schlecht oder gar schuldig fühlen. Unsere Ernährung ist da allen voran.

Es bringt nichts, wenn wir uns oder unsere Mitmenschen dafür verurteilen, wenn das Erdbeereis aus Sahne statt aus Soja gemacht worden ist. Schließlich hätten wir ja auch genug Gründe uns für die Kalorien darin zu hassen, dafür dass die Erdbeerbauern für die Erdbeeren im Eis nicht genug Geld verdienen und der Zucker darin sicher auch nicht Fair Trade ist.

Letztlich brauchen wir alle ein größeres Bewusstsein dafür, was wir konsumieren. Das fängt bei der Ernährung an, aber hört da noch lange nicht auf.

Wer sich nicht vegan ernähren möchte, sollte sich Gedanken machen, wie er stattdessen aktiv werden kann. Vielleicht schafft ihr es ja, anders als ich, auf Plastik oder Fast Fashion zu verzichten. Egal was es ist, irgendwas sollten wir alle tun. Denn, dass wir aktiv werden müssen, sollte uns mittlerweile allen bewusst sein.

Wir kochen vegan - die große Slideshow:
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