Ich bin eine deutsche Mutter mit einem deutschen Ehemann und mehreren Kindern. Wir sind (nahezu) ohne Migrationshintergrund, essen Salami, feiern Weihnachten und Ostern – mein Mann war sogar bei der Bundeswehr. Er hat "gedient", wie er wohl selbst sagen würde. Kurzum: Wir sind der feuchte Traum in den Köpfen der AfD.
Nun kennt wohl vermutlich jede Frau das unangenehme Gefühl, von einem Typen angegeiert zu werden, in dessen Beuteschema man bestens passt, der aber seinerseits eher einen Ekelreflex hervorruft. "Bitte komm nicht rüber", schreit man da innerlich. "Lass mich einfach in Ruhe!"
Für mich ist die AfD dieser Typ. Ein Kerl, der Hass und Häme gegen queere, vegane, muslimische und feministische Menschen verbreitet und dabei nach jedem bösartigen Witz darauf wartet, dass ich endlich mitlache, um mich ins Bett zu kriegen. Ich bin da doch seiner Meinung – oder?!
Eben nicht. Die AfD ist eine Partei, die mich völlig ungefragt als vermeintliche Mitstreiterin präsentiert, nur weil ich nicht ihrem Feindbild entspreche. Und je salonfähiger die Partei zu werden scheint, desto unangenehmer wird das.
Zuletzt holte mich dieses vage Unwohlsein ein, als Parteichef Tino Chrupalla am Wochenende im ZDF verkündete, dass Kinderkriegen in den kommenden 20 bis 30 Jahren wieder attraktiver gemacht werden müsste, damit wir in Deutschland "aus eigener Kraft heraus mit unserem Nachwuchs auch wieder die Fachkräfte generieren können".
Auf die Anmerkung der Moderatorin, dass man dann ja bis zum Jahr 2060 16 Millionen Arbeitskräfte "zeugen müsste", reagierte er mit: "Ja. Wir müssen damit einfach auch mal anfangen."
Habe ich mit dem Gebären meiner "biodeutschen" Kinder also das AfD-Programm unterstützt? Heimische Kinder für das Fortkommen des Landes zeugen zu sollen; solche Parolen hatte ich zuletzt im Geschichts-Studium gehört. Sieht meine Familiengründung im Kontext solcher Aussagen plötzlich aus wie ein politisches Statement?
Man könnte mich empfindlich nennen, doch ganz allein bin ich wohl nicht. Denn als ich mit einer Kollegin darüber spreche, weiß sie sofort, was ich meine. "Als ich damals schwanger war, hingen überall Wahlplakate der AfD mit einer Schwangeren aus", berichtet sie. "Darauf stand: 'Neue Deutsche? Machen wir selber.'"
Sie hätte daneben gestanden, mit rundem Bauch und blondem Wallehaar und damit unfreiwillig ausgesehen wie das Postergirl der Partei. "Hat mich stinksauer gemacht", sagt sie. "Als ob ich deren Kampagne mit meiner Schwangerschaft unterstütze."
Da erlebt man eine derart intime Sache im Leben, die so eng mit Liebe verknüpft ist – und dann wird dieser Zustand als Wahlkampfmotiv der Ausländerfeindlichkeit missbraucht?! "Pfui", will Mutti dazu dem PR-Team sagen: "Benehmt euch gefälligst!"
Die ultimative Protestform gegen die AfD wäre dann im Umkehrschluss: Keine Kinder zu bekommen. Ganz besonders, wenn man so richtig deutsch ist. Ob das so beabsichtigt war?
Gar keine Frage, eine kinderfreundlichere Politik wäre schön. Ob es aber kinderfreundlich ist, Angstszenarien zu schüren und den inländischen Nachwuchs zu fördern, nur um sich mit ihm vor Migration zu "schützen", sei mal dahingestellt.
Es sollte erstens nicht in der Verantwortung von kleinen Kindern liegen, später ökonomisch wertvoll für Deutschland zu sein. Es sollte Kindern zweitens auch nicht vermittelt werden, dass sie mit all ihrer (Arbeits-)Kraft verhindern müssten, dass Menschen aus dem Ausland zu uns kommen.
Höchst unangenehm ist es drittens auch, dass jemand (ein Mann) suggeriert, es sei die Aufgabe junger Frauen hierzulande, niedliche Babies in die Welt zu setzen – Verzeihung, "Fachkräfte zu generieren" – um damit das demografische Problem Deutschlands zu lösen.
Zum Mitschreiben: Wir Mütter kriegen keine Kinder für Deutschland. Schon gar nicht für die AfD. Keine Frau sollte künftig ein geistiges Mutterkreuz Bundesverdienstkreuz dafür erhalten, dass sie dem deutschen Volke beim Fortbestand geholfen hat – den man auch sichern könnte, indem man einfach mehr Menschen als deutsch definiert.
Mich lässt das alles befremdet zurück. Ich möchte nicht, dass meine Mutterschaft politisch instrumentalisiert wird. Schon gar nicht von Parteien, die ich nicht wähle.
Wenn ich mir für meine Kinder eine Politik der Zukunft wünschen könnte, wäre diese vom Grundgedanken der Zuversicht, nicht Schwarzmalerei, getragen. Den komplexen Themen unserer Zeit würde man idealerweise mit Ruhe und Vernunft begegnen. Eigenschaften, die in jedem Erziehungsratgeber hervorgehoben werden und die auch Politiker:innen gut stünden.
Es bleibt ein frommer Wunsch. Ich sehe derzeit keine einzige Partei, die sich nach diesen Maßstäben verhält. Stattdessen aus allen Ecken Panikmache, Hysterie und Häme – wäre die Erwachsenenwelt ein Kinofilm, ich hätte meinen Kindern mehr als einmal die Augen zugehalten, weil unser Verhalten zum Teil unterirdisch ist.
"Hände weg von unseren Kindern!" ließ die AfD erst im Juli auf einem Plakat in München verlauten, auf dem ein kleiner Junge große Angst vor einem geschminkten Mann und seiner "Propaganda" hatte. Gleichfalls, möchte man da sagen. "Hände weg von unseren Kindern" trifft mein Gefühl ganz gut.
Ich glaube nicht, dass meine Kinder später in einem Deutschland leben möchten, in dem alle Schnappatmung kriegen, weil ein Mann Make-up trägt. Oder eine Frau Kopftuch. Könnte gut sein, dass selbst Nachwuchs aus einem traditionellen, christlichen Haushalt, so viel Engstirnigkeit zu dumm ist. Ich vermute, dann werden sie im Ausland nach Arbeit suchen. Wäre das nicht witzig?