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Mama-Kolumne: An alle Eltern – ein Kind gibt dem Leben Sinn? So ein Schwachsinn!

Weinende Mutter mit Kind.
Ein Kind macht nicht immer glücklich. (Symbolbild) Bild: E+ / milorad kravic
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Mutter packt aus: "Danke für nichts! Über mein Leben mit Kind"

"Schonungslos ehrlich" – die Mama-Kolumne ohne Insta-Filter
21.09.2020, 09:0412.01.2021, 09:30
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Einer der Mütter-Sätze, die ich zum Gruseln finde: Durch das Kind hat mein Leben einen Sinn bekommen. Ich frage mich dann, wie trostlos muss dein Leben bisher gewesen sein, wenn das jetzt deine Erfüllung ist? Hast du dir selbst nicht gereicht? Habt ihr euch als Paar nicht gereicht?

Dann frage ich mich weiter, was passiert, wenn das sinnstiftende Wesen irgendwann wieder auszieht. Doch ganz konkret: Wo genau liegt der Sinn im Leben mit Kind? Mein Mann meinte mal, er fände es traurig, wenn er keine Spuren hinterlassen würde und wenn Dinge, die er sich jetzt aufbaue, irgendwann umsonst seien. Also geht es um etwas Größeres, was bleibt, wenn wir diese Erde verlassen?

"Wäre ich tot und kinderlos, wäre es mir scheißegal."

Klar fände ich es schade, wenn ich jahrelang umsonst Fotos eingeklebt hätte. Aber ganz ehrlich: Wäre ich tot und kinderlos, wäre es mir scheißegal. Das Leben wäre aus, vorbei, fertig. Schön, nein, superschön wäre es im besten Fall gewesen. Das tiefe Verlangen, unbedingt etwas von sich weiterzugeben, einen Menschen zu prägen, ihm meine Werte zu vermitteln – das habe ich nicht.

Auch ohne Kinder kann man glücklich sein

Vielleicht bin ich zu bescheiden, um anzunehmen, ohne meine Gene wäre die Welt arm dran. Und wenn da niemand ist, entfällt der Stress, diesen Menschen besonders gut gelungen werden zu lassen. Davon abgesehen gibt es viele Möglichkeiten, Spuren zu hinterlassen: Mit einem eigenen Roman, einem selbstgegründeten Label oder vielleicht auch nur mit einem Rezept, das weitergereicht wird.

Dass ein kinderloses Leben auch ein glückliches sein könnte, darf man unter Eltern-Freunden nicht laut sagen. Die werden richtig sauer. Weil sie so von dem Sinn-Konzept Kinder überzeugt sind, dass andere Lebensentwürfe scheinbar keinen Platz mehr haben. Was ich dann oft höre: "Aber man hat das doch alles schon durch, das Feiern, Ausgehen, Reisen."

"Jetzt führe ich ein Leben mit Kind, das ich so freiwillig nie gestalten würde. Nein, dadurch habe ich noch lange nichts. Mein Leben hängt lediglich auf der Pausetaste fest."

Also, durch habe ich noch lange nichts. Denn von sämtlichen magischen Orten dieser Welt bin ich auch nach intensivem Reisen weit entfernt. Den perfekten Rosé-Moment, in dem sich alle Gedanken auflösen, werde ich immer zelebrieren. Genauso kann ich von Kinobesuchen, Konzerten, einer überragenden Speisekarte, spontanen Tresen-Gesprächen sowie von Job-Projekten, die ich mit Leidenschaft verfolge, nicht genug bekommen.

Ich liebe es, mein Leben vielfältig zu gestalten. Ich bin neugierig, always hungry. Mein Leben hat mich erfüllt, wirklich glücklich gemacht. Jetzt führe ich ein Leben mit Kind, das ich so freiwillig nie gestalten würde. Nein, dadurch habe ich noch lange nichts. Mein Leben hängt lediglich auf der Pausetaste fest.

Ein Kind zu haben ist harte Arbeit

Ich bin überzeugt, die meisten Eltern leben von Bildern in ihrem Kopf: die glückliche Großfamilie, immer Leben in der Bude, bedingungslose Liebe des Kindes forever und im Alter wird man dann von den Kindern versorgt. Kommt keine Behinderung, schwere Krankheit, Trennung oder ein Zerwürfnis mit den eigenen Kindern dazwischen – dann könnte das eine oder andere Bild an manchen Tagen zutreffen.

"Eine verschwurbelte Liebeserklärung rettet mich nicht über den restlichen Tag. Ein Babylächeln reicht nicht mal für die nächsten eineinhalb Stunden Stillerei."

Aber mal ehrlich, das gibt's alles nicht umsonst. Das ist harte Arbeit, sehr harte Arbeit. Das bedeutet Abhängigkeit, Selbstaufgabe, finanzielle Einbußen und Fremdbestimmung.

Keine Panik: Natürlich liebe ich mein Kind, weil ich ganz automatisch eine Bindung zu ihm aufgebaut habe. Natürlich tue ich alles, damit es ihm gut geht. Und natürlich gibt es diese süßen Momente, in denen einem kurz das Herz aufgeht. Doch eine verschwurbelte Liebeserklärung rettet mich nicht über den restlichen Tag. Ein Babylächeln reicht nicht mal für die nächsten eineinhalb Stunden Stillerei.

Unsere Autorin berichtet über die unschönen Seiten des Mutterdaseins.
Unsere Autorin berichtet über die unschönen Seiten des Mutterdaseins.Bild: Emmy Lupin Studio
Unsere Autorin...
... wurde mit Anfang 30 Mutter. Und kommt noch immer nicht damit klar, dass ihr altes, schönes Leben seitdem vorbei ist. Sie ist wütend, dass Eltern nie den Mut hatten, zu erzählen, was es wirklich bedeutet, ein Kind zu haben. Aus diesem Grund legt sie alle zwei Wochen den Finger in die Wunde – und berichtet schonungslos. Und weil sie weiß, dass Mütter sehr giftig werden können, wenn es um ihr Heiligstes geht, bleibt sie lieber anonym. Die täglichen Entrüstungsstürme ihres Sohnes reichen ihr völlig aus.

Rückblickend sehe ich das inzwischen so, vorausgesetzt, eine Frau hat überhaupt die Wahl, Mutter zu werden: Ich entscheide mich für mich und meine Partnerschaft oder für ein Kind. Heißt, entweder kümmere ich mich um mich und mache mir ein schönes Leben oder ich gebe mich für ein anderes Lebewesen auf und sorge dafür, dass dieses ein schönes Leben hat.

"Ein unglückliches, aber sinnhaftes Leben? Wow. Danke für nichts!"

Warum sollte es egoistisch sein, keine Kinder zu kriegen?

Selflove ist doch aktuell das große Ding. Warum ist es dann nicht okay, sich selbst zu lieben und ein auf sich ausgerichtetes Leben zu führen? Warum habe ich das Gefühl, bewusst kinderlos und somit egoistisch zu sein, sei verpönt? Eines weiß ich ganz sicher: Ohne Kind hätte ich theoretisch Zeit, viele gute Dinge zu tun, mich zu engagieren und die Welt möglicherweise ein kleines bisschen zu verbessern. Das wäre mal sinnvoll.

Folgendes Zitat hatte ich während meiner Stillzeit in einer Zeitschrift entdeckt: "Wenn man Kinder bekommt, fällt die Glückskurve deutlich ab. Kein Schlaf, keine Zeit, und nie wollen sie so, wie man selbst will. Kinder sind Glückskiller. Selbst wenn man alle glücklichen Momente addiert, ist man netto immer noch unglücklicher, als man ohne sie wäre. Das zeigt auch die Forschung. Dafür steigt die Sinnhaftigkeit. Und das macht doch das gute Leben aus." Ein unglückliches, aber sinnhaftes Leben? Wow. Danke für nichts!

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