"Also, am Campus war ich bislang eigentlich nur, wenn ich mein Semesterticket für den Nahverkehr validiert habe", äußert sich Carlo gegenüber watson. Er ist gebürtiger Baden-Württemberger und seit 3 Jahren in Berlin. Zum Wintersemester 2019/2020 fing er ein Studium an der Berliner Hochschule für Technik (BHT) an. Seine Mitstudierenden hat er bis zur vorletzten Woche noch nie persönlich gesehen.
Mit dieser Situation ist er nicht allein: in ganz Deutschland konnten durch die Corona bedingten Schließungen (angehende) sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Studierende nicht mehr live am Unterricht teilnehmen. An den Hochschulen und Universitäten wurde versucht, die Kurse stattdessen online anzubieten. Nun öffnen sich die Tore und Türen der akademischen Einrichtungen wieder und starten mit Präsenzkursen. Da hierzu noch keine einheitlichen Regelungen vorliegen, löst dies im ersten Moment zum Teil Chaos aus.
An der TU Berlin gibt es beispielsweise dieses Semester ein Wechselangebot von Präsenz- und Onlinelehre. Für die Seminare vor Ort gilt die 3G-Regel und alle müssen sich mit einer der gängigen Apps registrieren. Allerdings fand die Zuteilung der Räume zur jeweiligen Veranstaltung vor Semesterbeginn statt. Die Anmeldungen für die Kurse folgten dann erst zum Unistart und viele Dozierenden mussten feststellen, dass der zugewiesene Raum die Kapazitäten der Kursteilnehmenden bei Einhaltung der Abstandsregeln nicht gewährleisten kann.
"Es hätte vorher eine Limitierung der Plätze geben müssen, denn folglich müssen entweder Studierende aus dem Kurs geworfen werden oder man macht eben doch wieder digitalen Unterricht", so teilt Lara, eine Studentin der Universität, ihre Meinung hierzu mit. Durch die Nachverfolgung in den Apps müssen Lehrende, die mehr Menschen in den Saal lassen als erlaubt, ernsthafte Konsequenzen fürchten. "Für uns Studierende ist das unverständlich", äußert sich Lara.
Bereits vor dem neuen Semesterstart zum Wintersemester 2021/22 wurden den Semesterferien vorausgehend die Studierenden an einigen Hochschulen und Universitäten zu ihrer Meinung befragt: Wie sollten die Seminare und Vorlesungen nach den Ferien aussehen, wenn die Corona-Bedingungen einen Präsenzunterricht wieder erlauben?
An den technisch geschulten Universitäten, wie der Technischen Hochschule (BTH) und der Technischen Universität (TU) stellte sich heraus, dass die Umstellung auf digitalen Unterricht während Corona hervorragend funktioniert hat. An Hochschulen wie der Freien Universität Berlin (FU) oder der in Brandenburg liegenden Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) wurden hingegen Studiengänge um ganze Semester bis auf weiteres auf Eis gelegt, weil sich hier ein Umdenken von analog auf digital als schwierig bis hin zu nicht möglich herausstellte.
Deshalb fiel etwa die Umfrage an Studierende des Studienganges "Geoinformatik" an der BTH so aus, dass sich der als gut funktionierend erwiesene online-Unterricht weiterhin gewünscht wurde. An der HNE sind die Studierenden des Faches "Nachhaltige Regionalentwicklung (M.Sc.)" hingegen dankbar, überhaupt wieder Unterricht zu haben. Die Wahl fällt hier eindeutig auf Präsenz, da der Online-Unterricht bei den Studienfächern, bei welchen die Dozierenden technisch nicht geschult waren, einfach gar nicht stattgefunden hatte.
Milan, 33, bestätigt das Problem der Raumbelegung zum Semesterstart. Er berichtet von seinem ersten Vorlesungstag an der Uni, bei dem die Studierenden lange Warteschlangen vor den Sälen erwarteten.
Die Lösung für alle Startschwierigkeiten an den Unis und Hochschulen könnte Hybrid-Unterricht heißen. Hybrid bedeutet in diesem Fall, dass Seminar oder Vorlesung im Hörsaal abgehalten und währenddessen mit einer Kamera aufgenommen und online übertragen werden. Damit besteht die Wahl, live vor Ort teilzunehmen, direkt oder auch zeitversetzt online zugeschaltet zu sein. Es entfällt hierbei auch das Problem, dass zu viele Personen live teilnehmen, Räume überfüllt sind und die Maßnahmen bezüglich Corona nicht eingehalten werden könnten. Denn bei gelungener Organisation sollten sich somit die Studierenden gleichmäßig auf die Live- und Online-Teilnahme aufteilen.
Um das Leben zurück in die Lehrsäle zu holen und dabei die Bedingungen Corona-kompatibel zu halten braucht es wohl noch etwas Übung und gezielte Organisation vonseiten der Hochschulen und Universitäten. Abgesehen von den anfänglichen chaotischen Verhältnissen kommt bei einigen Studierenden jedoch auch aufgeregte Freude auf. So auch bei Marie-Sophie, 28, Studierende an der Freien Universität Berlin.