Das kürzliche Unglück an der Playa de Palma in Mallorca erschütterte Tourist:innen wie Anwohner:innen gleichermaßen. Plötzlich stürzte die Terrasse des Medusa Beach Clubs im ersten Stock ein. Vier Menschen starben, zahlreiche Personen wurden verletzt. Später kam heraus: Die Terrassen-Bar hatte laut Behörden keine Lizenz. Der Bürgermeister Jaime Martínez sprach gar von einer "illegalen" Nutzung.
Dennoch hält es ein Experte gar nicht für unwahrscheinlich, dass ein solches Unglück in Playa de Palma noch einmal passieren könnte. Denn die Häuser seien teils in den 1950er- bis 1970er-Jahren schnell und billig hochgezogen worden. Das räche sich nun. Selbst für Laien ist erkennbar, wie renovierungsbedürftig zahlreiche Gebäude sind. Ein Rundgang ließ den Experten schockiert zurück.
Nach dem Einsturz des Medusa Beach Club hat sich der Bausachverständige Oliver Girharz von der Firma Matrol gemeinsam mit der "Mallorca Zeitung" die Gebäude an der Playa de Palma genauer angesehen.
Demnach hatte der Experte bereits am Treffpunkt Mängel entdeckt: An einem Balkon sei eine Verkleidung abgebrochen, die Eisenarmierungen kämen zum Vorschein. Auf lange Sicht könnte dies ein Risiko darstellen.
Gefährlicher wird es dem Experten zufolge an den Gebäuden, die nur wenige Meter vom Meer entfernt an der Promenade stehen. Girharz erklärt, welches Risiko dort besteht: "Die Gischt, vor allem im Winter, treibt viel Feuchtigkeit aufs Land. Und die greift den Beton an." Sobald Risse erst einmal anstehen, wird das Material dann noch anfälliger.
Dann können ihm zufolge Wasser, Salz und Sauerstoff in die Struktur eindringen. Dadurch könne das darunter liegende Eisen rosten. "Wenn das Volumen des Eisens wächst, sprengt es die Betonteile weg. Dann müsste eigentlich dringend saniert werden", sagt der Bausachverständige.
Solche Risse gibt es an der Playa de Palma viele zu sehen – ob an Balkonen, Hauswänden oder Stützpfeilern. Grund zur Panik bestünde allein deshalb aber nicht, sagt Girharz: "Ein Riss allein führt noch nicht zum Einsturz des Gebäudes." Dafür müssten schon mehrere Faktoren zusammenkommen. Auch beim Medusa Beach Club waren es wohl mehrere Unglücksursachen, etwa die Überlastung der nicht für größere Menschenansammlungen gedachten Außenterrasse in Verbindung mit Baumängeln.
Bei der Begutachtung des eingestürzten Gebäudes deutet er der "Mallorca Zeitung" zufolge auf die Stelle, an der das Terrassendach heruntergestürzt ist: Dort sind mehrere Betonträger zu sehen. Diese wirken, als wären sie glatt durchgeschnitten worden. "So etwas habe ich noch nie gesehen", sagt der Experte dazu.
Der Girharz stellt klar, dass nicht wegen sich lösender Betonteile oder großen Rissen sofort Einsturzgefahr drohe. Doch rechtzeitige Instandhaltungsarbeiten seien von großer Bedeutung. Je früher, desto besser. "Wenn erst einmal das Eisen frei liegt und rostet, dann hilft nur noch eine Betonsanierung", sagt er.
Fehlende Sanierungsarbeiten sind aber in der Gegend ein Problem. So wurde mit der schnellen und billigen Bauweise zu Beginn des Tourismusbooms in S’Arenal ihm zufolge beim Beton gespart. Rund um die Stahleinlage sei nur eine ungenügende Betonhülle eingeplant worden.
Dabei wurde meist Tonerdeschmelzzement verwendet. Dass der problematisch ist, wurde erst später bekannt: "Der trocknete zwar schnell und war daher für die hohe Nachfrage nach Neubauten zu dieser Zeit erst einmal gut geeignet." Später habe man aber festgestellt, dass dieser Zement Probleme mit Feuchtigkeit habe, sagt der Experte.
Das Ausmaß zeigt sich insbesondere beim Gebäudekomplex rund um die Diskothek Oberbayern und den Nachtclub "Buho Werde", wie die Zeitung weiter mit Berufung auf Angaben des Experten schreibt. Dort sei Girharz gar nicht mehr aus dem Staunen heraus gekommen.
Seit zu langer Zeit sei hier nicht saniert worden. An nahezu allen Balkonen auf der Strandseite seien Netze zu sehen, die verhindern, dass abbrechende Betonteile nach unten fallen und Menschen verletzen.
Auf der Rückseite sei der Anblick noch schlimmer. Dort seien Betonträger übersät von riesigen Rissen, an einigen Stellen seien sie nur noch halb so massiv wie früher. Auch hier seien blaue Netze. In der überdachten Galerie in der Nähe sei teilweise die Verkleidung abgerissen.
Der Experte ist über den schlechten Zustand der Gebäude verwundert. Sein Fazit lautet: "Ein Unglück wie im Medusa Beach Club kann wieder passieren." Zwar sollen die Kontrollen nach der Tragödie eigentlich verstärkt werden. Seine Befürchtung aber ist, dass dies nicht lange anhalten werde.