Für Fußball-Fans ist die EM im eigenen Land fraglos das Highlight des Jahres. Doch nicht nur das schlechte Abschneiden des favorisierten Teams kann in dieser Zeit die Stimmung trüben. Denn der Rest der Welt bleibt nicht einfach stehen: Die meisten müssen dennoch ihren alltäglichen Verpflichtungen nachgehen.
Besonders knifflig wird es, wenn wichtige Einladungen eintrudeln. Wer beispielsweise im Sommer Geburtstag hat, möchte vielleicht trotz des Turnier-Spektakels eine Party veranstalten. Noch schlimmer: Der beste Freund oder die beste Freundin hat sogar eine runde Zahl zu feiern, aber für den Sport überhaupt nichts übrig.
Wie reagiert man hier als Fußball-Fan, der eigentlich nur ungern ein Spiel der deutschen Mannschaft verpasst? Zwei watson-Autor:innen diskutieren: Kann ich die Party einer Freundin schwänzen, weil ich lieber Fußball schauen möchte?
Während sich Werkstudent Jermain Märtin für den Geburtstag entscheidet, bleibt Jennifer Ullrich (Teamlead Unterhaltung) knallhart daheim.
Fußball schauen macht Spaß, ja. Besonders bei einer Heim-EM verstehe ich, dass man möglichst viele Spiele der deutschen Nationalmannschaft schauen will. Doch man kommt nicht drumherum, sich die Frage zu stellen: Ist das wirklich wichtiger als der Geburtstag eines Freundes?
Sollte es ein nicht so enger Freund oder gar ein Bekannter sein, kann man den Geburtstag ruhig mal sausen lassen. Wenn jedoch ein enger Freund viel Planung und Arbeit in einen Geburtstag gesteckt hat, ist es schon sehr selbstsüchtig, diesen für ein 90-minütiges Event sausen zu lassen. An die meisten Fußballspiele erinnert man sich ein paar Jahre später doch sowieso nicht mehr richtig, während auf einem Geburtstag, umgeben von Freund:innen, Erinnerungen für die Ewigkeit entstehen.
Dann verpasst man eben eins der mindestens drei Spiele, die eine Nationalmannschaft bei so einem Turnier hat. Meistens sind es sowieso mehr und es ist jetzt auch nicht so, als ob man allzu lange auf mehr Fußball warten müsste. EM und WM wechseln sich alle zwei Jahre ab, bei Olympia spielt die Nationalmannschaft der Frauen und die Bundesliga läuft sowieso etwa drei Viertel des Jahres.
Sollte einem das Spiel so wichtig sein, dann kann man es notfalls auch aufzeichnen oder sich die Highlights anschauen. Ich weiß, das ist nicht dasselbe, doch das, was definitiv wichtiger ist, sind die Menschen, die einem nahestehen. Für die kann man ruhig mal auf einen Tag Fußball verzichten – auch wenn es einem schwerfallen sollte.
Vorweg: Ich bin überzeugt, dass es in dieser Frage bei praktischer Betrachtung keine Kompromisse gibt. Ja, theoretisch ist es denkbar, auf der Geburtstagsfeier einen großen Fernseher aufzustellen und das Match laufen zu lassen, doch Fußball-Muffel gibt es überall. Irgendjemand meckert immer. Oder quatscht mit doofen Bemerkungen dazwischen. Und ich kann absolut verstehen, wenn die Person, die feiert, auf der eigenen Party nicht die zweite Geige spielen möchte.
Ich habe in dieser Situation keine allzu große Angst vor Konflikten. Zumeist kommt es so weit auch gar nicht erst. Die Tendenz geht bei vielen Menschen dahin, dass der eigene Geburtstag mit der Zeit an Bedeutung verliert. Nüchtern betrachtet ist man dem Tod nur wieder ein Stück näher gekommen. Ab circa dem 30. Lebensjahr dämmert diese Erkenntnis so langsam. Also was gibt es überhaupt zu feiern?
Wer den eigenen Geburtstag derart wichtig nimmt, dass eine Absage als Beleidigung interpretiert wird, ist mir ehrlich gesagt sogar ein wenig suspekt. Hinzu kommt: Ein wahrer Freund versteht und akzeptiert meine Bedürfnisse. Umgekehrt bin ich auch nicht gekränkt, wenn die Person mich aus einem für sie wichtigen Grund mal versetzt. Ja, so einfach ist das für mich.
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Nicht zu vergessen: Nur alle zwei Jahre findet ein großes Fußball-Turnier mit Nationalmannschaften statt, Geburtstag feiern wir alle aber jährlich. Und ein Geburtstag kann sehr viel leichter nachgefeiert werden als ein Sieg bei der EM. Genau genommen können mein Kumpel und ich Party machen, wann wir wollen. Wenn es sein muss, ohne jeden Anlass.
Mit der Entscheidung für den Fußball gewinne am Ende so oder so ich, denn: Eine Freundschaft, die wegen eines EM-Spiels zerbricht, war wahrscheinlich ohnehin keine besonders gute.