Videos und Bilder von knapp bekleideten Frauen im Internet gehören wohl zum digitalen Alltag. Und auch Trends auf Tiktok und Instagram sind fester Bestandteil der Selbstinszenierung vieler junger Menschen, die irgendwelche Tänze nachmachen, Outfits nachkaufen, Witze nachstellen. Solange das selbstbestimmt passiert und nicht auf Kosten anderer geht, ist daran ja auch nichts auszusetzen.
Sobald es aber doch auf Kosten anderer geht, und Inhalte erstellt werden, die bestimmte Gruppen diskriminieren, wird es problematisch. Und als höchstproblematisch lässt sich deswegen auch ein Trend bezeichnen, der aktuell durch Plattformen wie Tiktok und Onlyfans geistert.
Zu sehen sind dabei junge Frauen, meist in engen Outfits, die zu angesagten Musikschnipseln tanzen – und Down-Syndrom haben. Oder zumindest so aussehen, als hätten sie Down-Syndrom. Denn tatsächlich handelt es sich dabei um einen Filter, der dafür sorgt, dass es so aussieht, als hätten sie den Gen-Defekt.
Diese Tanzvideos haben im Internet für Kopfschütteln und Fassungslosigkeit gesorgt und es wird diskutiert: Sorgen solche Inhalte für mehr Sichtbarkeit von Menschen mit Down-Syndrom – oder fetischisieren sie einerseits die Behinderung und sorgen andererseits für Profite von Menschen, die davon gar nicht betroffen sind?
Diese gegenteiligen Argumente bringt auch "Deutschlandfunkkultur" in einem Instagram-Beitrag zu den KI-Filtern zusammen. Unter dem Video äußert sich auch ein Account, der von einer Familie mit einer Tochter geführt wird, die das Down-Syndrom hat:
Eine weitere Person stellt einige problematische Aspekte an diesen Videos heraus:
Charlotte Woodward, 35, lebt mit Down-Syndrom und arbeitet für die National Down Syndrome Society. Sie findet gegenüber der "New York Post" zu diesen Inhalten deutliche Worte: "Das ist nicht nur verstörend, sondern persönlich verletzend. Ich bin wütend und fühle mich entwürdigt. Diese Art von Content bringt Menschen mit Down-Syndrom in Gefahr – vor allem in Bezug auf sexuelle Gewalt."
Wer genau hinter diesen Fake-Accounts steckt, ist bisher unklar. Klar ist nur: Viele dieser Profile klauen offen Videos von Influencerinnen oder Erotik-Stars und klatschen mithilfe von KI ein Down-Syndrom-Gesicht drüber. Anschließend geht es weiter zu den immer gleichen Onlyfans-Links.
Teilweise kursieren identische Clips über Dutzende Accounts hinweg – ein regelrechter Deepfake-Klonkrieg für die morbide Neugier eines Teils der Netz-Community.
Tiktok hat auf Anfrage des "New York Post" einzelne Filter entfernt und erklärte: Die Darstellung von Behinderung durch Filter verstoße gegen die Community-Richtlinien.
Doch das hält den Ansturm kaum auf. Auch Instagram spuckt bei der Suche nach "Down syndrome" Autovervollständigungen wie "beautiful girl" oder "down syndrome dance" aus – und leitet damit direkt in die nächste Spirale aus sexuell aufgeladenem KI-Content.
Meta, der Mutterkonzern von Instagram, sagte: "Unsere Community-Richtlinien gelten auch für KI-generierte Inhalte. Bei Verstößen handeln wir." Nur: Bis dahin ist der Schaden längst passiert. Klicks wurden gemacht, Geld verdient.
"Behinderung ist kein Trend", sagt Kandi Pickard, CEO der National Down Syndrome Society. "Diese sexuellen Deepfake-Videos benutzen Behinderung für Klicks. Das ist Ausbeutung – Punkt."
Pickard berichtet, dass sich zuletzt auch viele Familien von Menschen im Autismus-Spektrum bei ihrer Organisation gemeldet hätten – entsetzt über den neuen Hype um KI-generierte Fetisch-Clips.
Man beobachte die Lage genau und dokumentiere die Zunahme solcher Fake-Profile. Was bleibt, ist die Erkenntnis: KI wird zur neuen Waffe für digitale Grenzüberschreitungen – und soziale Netzwerke hinken hinterher. Währenddessen wird aus der Würde von Menschen ein schmutziges Geschäft.