Social Media: Gen Z lernt durch Tiktok-Trend Langeweile neu kennen
"Anstatt auf Tiktok hängen, einfach mal die Seele baumeln lassen", das hört sich wie die Maßregelungen eines neunmalklugen Boomers an. Tatsächlich aber ist es ein Tiktok-Trend der Gen Z.
Doch dieser neue Trend geht noch einen Schritt weiter im Nichtstun. Er feiert die bewusste Unproduktivität. Was auf den ersten Blick nach reiner Zeitverschwendung aussieht, kann sich überraschend positiv auf unser Gehirn und unsere Psyche auswirken – und sagt einiges über den aktuellen Zeitgeist aus.
Tiktok-Trend: Gen Z zelebriert das Nichtstun mit neuer Challenge
Die Regeln, um beim "Rawdogging Boredom" Trend mitmachen zu dürfen, sind eigentlich recht einfach.
Keinerlei Ablenkungen sind dabei erlaubt: Kein Handy, kein Fernseher, kein Essen, kein Schlafen, keine Musik und kein Lesen. Auch reden ist strengstens verboten, selbst wenn man die Challenge zu zweit macht.
Schon beim Ansehen der ersten Videos wird klar: Was zunächst simpel klingt, ist in Wirklichkeit ziemlich schwierig. Viele, die die Challenge ausprobieren, geben zu, dass sie sich dafür "nicht bereit" gefühlt haben. Manche halten nur wenige Sekunden durch, bevor sie den Versuch wieder abbrechen:
Eine Userin kommentiert sogar: "Es fühlt sich an wie Nachsitzen in der Schule".
Ähnlich dramatisch lesen sich auch die Kommentare unter dem Video von Jack Cooper, das bereits mehr als eine halbe Millionen Aufrufe hat. "Mein Gehirn ist so durch, das würde mich wahrscheinlich umbringen", schreibt ein:e User:in. Eine andere Person verkündet: "Das würde mich direkt in eine Psychose stürzen."
"Rawdogging": Die Gen Z lernt, einfach mal nichts zu tun
Der Trend erinnert an das klassische "Rawdogging". Ein Trend, der sich bereits seit einigen Jahren auf Social Media verbreitet. Beim traditionellen "Rawdogging" geht es darum, sich auf Reisen nicht abzulenken, sondern den Moment bewusst zu erleben.
Das offensichtliche Ziel des Trends ist es, die Reise selbst wieder schätzen zu lernen. Es geht darum, Vorfreude bewusst zu erleben und so zu steigern.
Gen Z hat verlernt, sich zu langweilen – dabei ist es wichtig
Ein deutlich anderes Ziel verfolgt das "Rawdogging" von Langeweile. Als die Tiktokerin Olivia Yokubonis den Trend selbst ausprobierte, spürte sie schnell den inneren Druck, etwas Produktives tun zu müssen.
Für sie fühlte sich das bewusste Aushalten von Langeweile zunächst wie reine Zeitverschwendung an. Ewiges Scrollen auf TikTok löste jedoch keine solchen Gedanken aus.
Also begann sie, der Sache genauer auf den Grund zu gehen. Ihren Recherchen nach erfüllt der Tiktok-Trend einen wichtigen Zweck für die Gen Z.
Demnach wird beim Nichtstun im menschlichen Gehirn das Ruhezustandsnetzwerk aktiviert. Dadurch können eigene Emotionen reflektiert, aber auch über andere gegrübelt werden.
"Langeweile ist das Tor zur Lösung dieses Problems. Sie ist das Tor zu Konzentration, Kreativität, emotionaler Regulation und Toleranz", erklärt Yokubonis schließlich. Und: "Nichts zu tun könnte am Ende sogar das Produktivste sein, was du an diesem Tag tust."
Das Problem aus ihrer Sicht: "Wir haben uns dazu trainiert, niemals gelangweilt zu sein." Jede Pause in unserem Leben würden wir füllen. "Während des Zähneputzens sind wir am Handy, wir schauen Youtube während wir kochen oder hören Musik, während wir im Auto sind."
So hätten wir dauerhafte Stimulation durch Reize zu unserem Standard gemacht. Deswegen sei Stille für uns automatisch unerträglich geworden, weil sie so ungewohnt ist. Das 15-minütige bis einstündige Nichtstun könne helfen, das zu trainieren.
