Seit Jahrzehnten feilen kluge Köpfe weltweit daran, Werbung und Produktdesign noch effektiver zu machen und noch mehr Menschen zum Kaufen zu bewegen. Egal ob Smartphone, Tischlampe oder Gummibärchen-Packung, jedes Produkt ist so optimiert und durchdesignt, dass es unser Ästhetik-Empfinden anspricht und unseren Kaufimpuls stimuliert.
Besonders perfide wirkt diese Locktaktik im Falle von Kindern. Denn die können ihr Verhalten weniger gut reflektieren und verfallen schädlichen Werbeversprechungen leichter als Erwachsene.
Eine Folge dieser gefährlichen Dynamik: Aktuell sind etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland von Übergewicht und sechs Prozent sogar von starkem Übergewicht (Adipositas) betroffen. Einen Grund dafür sehen führende Forscher:innen und das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Süßigkeitenwerbung, die sich an Kinder richtet.
Der Discounter Lidl will darauf künftig Rücksicht nehmen. Das Unternehmen kündigte am Dienstag an, ab sofort keine auf Kinder abzielende Werbung für ungesunde Lebensmittel mehr zu machen. In diese Kategorie fallen etwa überzuckerte Joghurts oder Getränke, aber auch Schokolade.
Ausnahmen soll es allerdings für Aktionsartikel zu Weihnachten, Ostern oder Halloween geben – also etwa für Schokoladen-Weihnachtsmänner oder -Osterhasen.
"Lidl setzt damit als erster deutscher Lebensmitteleinzelhändler eine entsprechende Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) um", klopft sich der Discounter auf die Schulter. Bis Ende 2025 sollen in Lidl-Filialen zudem nur noch Lebensmittel in für Kinder attraktiver Verpackung verkauft werden, die die WHO-Kriterien für gesunde Nahrung erfüllen.
Die Verbraucherorganisation Foodwatch begrüßte die Ankündigung und forderte die Konkurrenz auf, dem Beispiel von Lidl zu folgen. "Das ist angesichts grassierender Fehlernährung bei jungen Menschen mit zum Teil tödlichen Folgen ein wichtiger, aber auch längst überfälliger Schritt", sagte Luise Molling von Foodwatch.
Dabei ist die Problematik jedoch nicht auf die Eigenmarken der Handelsketten beschränkt. Eine Untersuchung von 283 Lebensmittelprodukten führender Markenhersteller durch Foodwatch ergab 2021, dass 85,5 Prozent der gezielt für Kinder beworbenen Produkte gemessen an den WHO-Standards zu viel Zucker, Fett und/oder Salz enthielten.
Die Bundesregierung hat das Thema inzwischen auf die Tagesordnung gesetzt. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition heißt es im Kapitel Ernährung: "An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben." Und auch die Verbraucherschutzminister der Länder haben bereits 2022 ein Junkfood-Werbeverbot für Kinder gefordert.
(mit Material von dpa)