Kaum etwas ist den Deutschen so heilig wie ihr Bier. Das deutsche Reinheitsgebot ist international einzigartig, kritisch beäugt werden von deutschen Biersommeliers hingegen alle ausländischen Produkte, zumindest die außereuropäischen. Daher geht es in der Bierkultur hierzulande auch immer ganz viel um Tradition – auch die Hersteller inszenieren sich dementsprechend.
Manche der Produzenten versuchen dabei neue Trends und Produkte – beispielsweise alkoholfreie Drinks, Fassbrausen, Limos oder Craftbeer – in die Linie ihrer Firmengeschichte einzubetten. Andere wiederum sind viel strikter und verstehen Tradition als rigides Durchziehen des Altbewährten. Die Münchner Brauerei Augustiner etwa hat seit 1986 kein neues Getränk in ihr Angebot aufgenommen – bis jetzt.
Denn nun hat Augustiner am Montagabend sein neuestes Bier vorgestellt. Dieses bricht gar mit einer fast 700 Jahre alten Tradition der Kult-Brauerei.
Seit seiner Gründung im Jahre 1328 hat Augustiner noch kein einziges alkoholfreies Bier gebraut, geschweige denn auf den Markt gebracht. Jetzt ist damit Schluss. Auf Instagram kündigt die Brauerei stolz an: "Das Augustiner Alkoholfrei Hell ist da! Untypisch für ein Alkoholfreies, aber typisch für Augustiner!"
Der Name suggeriert, dass es sich um eine alkoholfreie Variante – eine Kopie – von Augustiners beliebtem Hell handelt. Doch genau dem widersprechen die Verantwortlichen. Augustiners erster Braumeister Andreas Brunner erklärte gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" (SZ):
Laut SZ-Journalistin Lisa Sonnabend wirkten die beiden Geschäftsführer Martin Leibhard und Werner Mayer zudem bei der Präsentation so, als wollten sie sich "rechtfertigen für den Schritt zum Alkoholfreien".
Die Abwehrhaltung resultiert aus einer langen Skepsis, welche das Unternehmen beim Thema "Alkoholfreies" bisher hatte. Während sich andere deutsche – darunter auch bayrische, auch Münchner – Brauereien schon längst für die Produktion entschieden hatten, lehnte Augustiner Alternativen zum Bier bisher ab.
Doch da derzeit der Absatz von Bier in Deutschland in vergangener Zeit zurückgeht, stellt die Herstellung von alkoholfreien Alternativen für Bierproduzenten eine wichtige Einnahmequelle dar. Konkurrent Paulaner etwa setzt daher zuletzt vermehrt auf den Ausbau seiner Spezi-Produktion.
Nun beugte sich auch Augustiner dem Trend. "Denn wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit", erklärte Mayer der SZ.
Unter Augustiners Beitrag sammelt sich geteiltes Feedback: Auf der einen Seite verleihen die Bier-Purist:innen und Idealist:innen ihrem Ärger Ausdruck, viele schreiben: "Pfui Deifl."
Andererseits freuen sich aber auch viele Fans der Brauerei, die weniger Alkohol konsumieren wollen. Der Trend gibt Augustiners Entscheidung recht, so wirkt es auch in den Kommentaren. Ein User schreibt etwa: "Perfekt! Werde am Donnerstag operiert und dann ist erstmal Schluss mit Alkohol." Andere äußern, sie hätten darauf schon lange gewartet.