Die Inflation bestimmt zunehmend das Angebot in deutschen Supermärkten und Discountern. Händler und Hersteller liefern sich teils heftige Preisverhandlungen. Teilweise fehlen beliebte Artikel in den Regalen. Nun könnte ein weiteres Produkt knapp werden, das sich in deutschen Haushalten großer Beliebtheit erfreut und fest zur Esskultur gehört: der Senf. Schon jetzt sind die Preise dafür immens gestiegen. Einigen Unternehmen droht das Aus.
Die Senf-Krise hat die Verbraucher:innen bereits erreicht. Vor der Pandemie gab es das Glas oft für nur 29 Cent. Zuletzt gab es das Senfglas etwa für 99 Cent bei Aldi Nord, bei Aldi Süd lag der Preis hingegen bei 49 Cent. Konkurrent Lidl passte sich laut Stichproblem regional an.
Die Preise sind noch das kleinere Übel: Die Situation könnte sich so weit verschärfen, dass es Hersteller in ernste Existenznot bringt. Kund:innen suchen infolgedessen möglicherweise bald vergeblich nach ihrem Lieblings-Senf in den Regalen.
Zwar hat sich die Lage teilweise entspannt, wie die "LZ" berichtet. Von einer Marktberuhigung auf lange Sicht dürfe man aber nicht ausgehen. "Die derzeitige Entspannung am Markt durch gute Ernten kann sich jederzeit durch die geopolitischen Entwicklungen in den kommenden Wochen abrupt verändern", warnt etwa der Branchenverband Kulinaria Deutschland.
Zumindest die allgemeine Versorgung ist aktuell in Deutschland noch gegeben. Zwar hat sich laut Marktbeobachtern zeitweise das Sortiment verkleinert, derzeit müssen die Deutschen aber nicht völlig auf Senf verzichten. Ganz im Gegensatz zu Frankreich, wo es seit Monaten Lücken in den Senf-Regalen gibt.
Dieser Unterschied ergibt sich aus den Vorlieben der Menschen in den jeweiligen Ländern. So sind in Frankreich vor allem Produkte beliebt, für deren Herstellung es die besonders knappe braune Senfsaat benötigt. Deutsche Kund:innen greifen hingegen lieber zu Senf aus gelber Saat.
Und: Im deutschen Nachbarland kaufen Senfliebhaber:innen tendenziell lieber Handelsmarken, während Deutsche lieber auf Markenprodukte zurückgreifen, wie Develey-Chef Michael Durach sagt.
Handelsmarken-Hersteller aber seien zunehmend abgeschreckt. Für sie lohnt sich das Geschäft mit dem Senf kaum noch. "In Frankreich sind daher einige Anbieter aus dem Markt ausgestiegen oder produzieren weniger", sagt er der "LZ".
Trotz der Krise erfreut sich Senf bei Endverbrauchenden gleichbleibender Beliebtheit. "Die Nachfrage nach Senf aus dem Handel ist weiterhin hoch", sagt Franz Wunderlich, Geschäftsführer des Herstellers Händlmaier. Sie sei bei dem Unternehmen 10 bis 15 Prozent höher als das, was es produzieren könne. Weil bezahlbare Rohstoffe knapp sind, sind Produzenten oft die Hände gebunden.
Eines der größten Sorgenkinder am Markt sei der bei deutschen beliebte süße Senf: "Bei süßem Senf ist der Kostendruck besonders hoch, da sich neben den Steigerungen bei Senfsaat, Verpackung und Energie auch der Zuckerpreis innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt hat", sagt Wunderlich der "LZ". Infolgedessen sind weitere drastische Preiserhöhungen bei süßem Senf zu erwarten.
Besonders hart trifft die Senf-Krise kleinere Hersteller. Sie werden zum Teil nicht mehr beliefert, weil sie zu geringe Mengen bestellen. Ihnen droht bei anhaltender Krise gar das Aus.
Machtlos fühlt sich etwa auch René Dahm, der seit elf Jahren im nordfriesischen Klintum die Senf-Manufaktur Watt’n Senf betreibt. Der Umsatz liege aktuell bei 30 Prozent des Vorjahres. Besonders drastisch: Die bestellte Bio-Senfsaat sei trotz Vertrages nicht geliefert worden. "Mengen unter zehn Tonnen werden gar nicht mehr angeboten", sagt der Unternehmer der "LZ". Er brauche etwa 1,5 Tonnen braune und gelbe Senfsaat im Jahr. Das ist nicht genug.
Seine Restbestände seien fast aufgebraucht. Um Großkunden wie Rewe, Hofläden oder Feinkosthändler bedienen zu können, musste er den Vertrieb über den eigenen Online-Shop vorübergehend einstellen. Für ihn "eine Katastrophe". Genauso wie für die anderen kleineren Hersteller, die versuchen, in der Krise nicht unterzugehen.