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Geschichte des Weihnachtsbaums: Von den Römern über Hitler bis heute

Weihnachtsbaum
Der klassische geschmückte Weihnachtsbaum ist ein Brauch, der gar nicht so alt ist, wie man denkt.bild: pexels / jéshoots
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Von den Römern über Hitler bis heute: Die Geschichte des Weihnachtsbaums

22.12.2022, 08:0722.12.2022, 08:08
Daniel Huber / watson.ch
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Jedes Jahr werden in Deutschland 29 bis fast 30 Millionen Weihnachtsbäume verkauft (Quelle: Statista). Rund 90 Prozent davon stammen tatsächlich aus Deutschland, die restlichen meist aus Dänemark. Die geschmückten Bäume sind für viele ein unverzichtbarer Bestandteil des Weihnachtsfests. Die wenigsten würden dabei denken, dass dieser Brauch noch gar nicht so uralt ist.

Oft heißt es, der Weihnachtsbaum mit seinen Lichtern sei auf germanische Traditionen zurückzuführen. In diesem Zusammenhang wird meist auf das Julfest verwiesen, das in vorchristlicher Zeit wohl zur Wintersonnenwende gefeiert wurde und heute in mehreren skandinavischen Ländern mit Weihnachten verschmolzen ist. Allerdings gibt es keine Belege dafür, dass zu diesem heidnischen Fest tatsächlich mit Lichtern geschmückte Tannen aufgestellt wurden.

Möglicherweise hat die Vorstellung, der Weihnachtsbaum habe einen germanischen Ursprung, damit zu tun, dass in nördlichen Gebieten im Winter Tannenzweige ins oder vor das Haus gehängt wurden, vermutlich um böse Geister abzuwehren. Aber auch die Römer kannten bereits den Brauch, den Jahreswechsel mit immergrünen Lorbeerzweigen zu begehen. Und schon im alten Ägypten, China und bei den Hebräern sollen immergrüne Pflanzen als Schmuck ein Symbol für ewiges Leben gewesen sein.

Die Vorläufer des Weihnachtsbaums

Im Mittelalter stellte man Zweige von Obstbäumen ins Zimmer, sogenannte Wintermaien oder Barbarazweige, die um Weihnachten blühen sollten. Da es nicht immer gelang, diese pünktlich zum Blühen zu bringen, bevorzugte man mit der Zeit eher immergrüne Pflanzen, etwa die Stechpalme, Kiefer, Fichte oder Lorbeer.

Stechpalme
Stechpalmen waren früher auch schon beliebte Weihnachtsdekoration.bild: pexels/Lum3n

Ein weiterer möglicher Ursprung des Weihnachtsbaums liegt im christlichen Mysterienspiel zur Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies, das jeweils am 24. Dezember – im Heiligenkalender der Tag von Adam und Eva – aufgeführt wurde. Als "Paradiesbaum", der mit Äpfeln als Symbol des Sündenfalls behängt wurde, dienten im ausgehenden Mittelalter Bäume, die zu diesem Zeitpunkt noch grün waren wie Tanne oder Fichte, aber auch der Buchsbaum. Mit der Zeit nahm die Bedeutung dieses Heiligen-Gedenktages ab; der 24. Dezember wurde immer mehr als Heiligabend vor Weihnachten gesehen. Damit wurde aus dem Paradiesbaum allmählich der Weihnachtsbaum.

Adam und Eva.
Adam und Eva haben am 24. Dezember ihren Tag im Heiligenkalender.Bild: egotrip

Vorerst ohne Baumschmuck

Die Quellenlage ist notorisch dünn, und dies umso mehr, je weiter man in die Vergangenheit zurückgeht. Der Begriff Weihnachten – mittelhochdeutsch "ze wihen nachten" – taucht erstmals um 1170 in den Quellen auf. Die ältesten greifbaren Hinweise auf Weihnachtsbäume stammen dagegen erst aus der Übergangszeit von Spätmittelalter zu Frühneuzeit. So sollen 1419 Bäcker in Freiburg im Breisgau einen Weihnachtsbaum mit Lebkuchen, Obst und Nüssen behängt haben. Dafür gibt es jedoch keine belastbaren Belege. Sicher ist hingegen, dass in Straßburg im Jahr 1492 Tannen für die Kirchgemeinden der Stadt gekauft wurden. Es fehlen aber Hinweise auf Baumschmuck.

In den baltischen Hansestädten Riga und Reval (heute Tallinn) stellten deutsche Kaufleute um 1510 gegen Ende der Weihnachtszeit Tannenbäume auf dem Markt auf, schmückten und verbrannten sie zum Schluss. Wenig später, um 1527, ist in einer Urkunde von einem "weiennacht baum" in Stockstadt am Main die Rede. Für 1539 ist ein großer Weihnachtsbaum im Straßburger Münster urkundlich belegt. Hier gibt es aber keinen Hinweis auf Baumschmuck.

Christmas market and the main Christmas tree located at the Dome square in old Riga, Latvia. At the market people can buy festive souvenirs, presents. Selective focus
Der Domplatz in Riga: Stand hier im frühen 16. Jahrhundert einer der ersten öffentlichen Weihnachtsbäume?Bild: iStockphoto / Getty/ Roman Babakin

Dekorierte Bäume in den Zunfthäusern

Schließlich begannen auch die Zünfte, Weihnachtsbäume in ihren Zunfthäusern aufzustellen – in Bremen etwa um 1570, als man kleine Tannenbäumchen mit Datteln, Nüssen, Brezeln, Äpfeln und Papierblumen behängte. An Weihnachten durften die Kinder die Leckereien aufessen. Es ist der erste Beleg für einen dekorierten Weihnachtsbaum in Deutschland. 1597 verzierten Schneidergesellen in Basel einen grünen Baum mit Äpfeln und Käse, zogen damit in der Stadt umher und stellten ihn dann in ihrer Herberge auf.

Im Laufe des 17. Jahrhunderts gelangte der Brauch aus den Zunfthäusern in die Wohnstätten der wohlhabenden städtischen Bürger. Wohlhabend mussten sie sein, denn Tannenbäume waren in Mitteleuropa selten und dementsprechend teuer. Noch aber fehlte der Lichterschmuck, meist behängte man den Baum mit Papierrosen, Oblaten und Zischgold – goldglänzenden, dünnen Flitterplättchen aus Metall.

Weihnachtsbaum
Baumschmuck und Lichter, der Weihnachtsbaum wie wir ihn heute kennen. Das war aber nicht immer so.bild: pexels / jéshoots

Kerzen als Baumschmuck tauchen zwar schon um 1611 erstmals auf. Doch diese heute omnipräsente Sitte verbreitete sich zunächst nur sehr langsam; erst mehr als hundert Jahre später, ab 1730, wurden Kerzen immer populärer, und damit nahm der Weihnachtsbaum allmählich seine heutige Form an.

Der Weihnachtsbaum war der katholischen Kirche gar nicht grün

Um die hohe Nachfrage nach Weihnachtsbäumen zu befriedigen, legte man im 19. Jahrhundert vermehrt Tannen- und Fichtenwälder an. Der Ausbau des Eisenbahnnetzes trug zur Versorgung mit Weihnachtsbäumen bei. Zu dieser Zeit drang der Brauch, der oft als deutsche – und dann vornehmlich lutherische – Eigenheit wahrgenommen wurde, auch tiefer in katholische Gebiete vor. Die katholische Kirche hatte den Weihnachtsbaum lange mit Misstrauen beäugt und der Weihnachtskrippe den Vorzug gegeben.

In Deutschland kam der endgültige Durchbruch erst mit dem Deutsch-Französischen Krieg. Im Kriegsjahr 1870 standen zu Weihnachten in vielen Soldatenquartieren und Lazaretten geschmückte Bäume, was dem Brauch enormen Schub verlieh: Die Kriegsheimkehrer nahmen ihn in ihre Familien mit. Der Krieg brachte die deutsche Einigung – und zugleich ein Zusammenrücken auch der Konfessionen.

Weihnachtsbaum Vatikanstadt
Ein Weihnachtsbaum in Vatikanstadt: Dabei waren der Baum und die Kirche sich zunächst nicht grün.bild: pexels/ Javon Swaby

Ende des 19. Jahrhunderts war der Weihnachtsbaum so auch bei den deutschen Katholiken endgültig fester Bestandteil des weihnachtlichen Brauchtums. In den katholischen Kirchen erschienen Weihnachtsbäume aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Noch reservierter zeigten sich calvinistische Glaubensgemeinschaften, die dem vermeintlich heidnischen Brimborium nichts abgewinnen konnten.

Der Weihnachtsbaum verbreitet sich von Deutschland aus weltweit

Über die verwandtschaftlich eng verflochtene europäische Aristokratie verbreitete sich der Weihnachtsbaum im 19. Jahrhundert auch außerhalb Deutschlandsnach Großbritannien, Frankreich und Italien, in die Niederlande und selbst nach Russland, wo er allerdings vorerst nur in den gesellschaftlich höchsten Kreisen in St. Petersburg und Moskau üblich wurde.

Weihnachtsbaum historisch: Mother and daughter decorating christmas tree
Original edition from my own archives
Source : Gartenlaube 1892
after Aquarell of R. Beyschlag
Lith. Kunstanstalt von Max Seege ...
Das Schmücken des Weihnachtsbaums auf einer Lithographie von 1892.Bild: Digital Vision Vectors / Getty / Grafissimo

Auch in die USA gelangte der Brauch, als ein deutschstämmiger Harvard-Professor 1832 zu Hause einen Weihnachtsbaum aufstellte. Von Neuengland aus verbreiteten sich die Weihnachtsbäume im ganzen Land. Präsident Franklin Pierce ließ 1853 den ersten Weihnachtsbaum im Weißen Haus aufstellen. In den fortschrittsbegeisterten Vereinigten Staaten wurde 1882 auch der erste Weihnachtsbaum mit elektrischer Beleuchtung aufgestellt.

Nazizeit: Umbenennung zur "Jul-Tanne"

In Deutschland versuchten die Nazis während den zwölf Jahren ihres "Tausendjährigen Reichs", den Weihnachtsbaum mit einer angeblich ursprünglichen heidnischen Symbolik aufzuladen und das christliche Element in den Hintergrund zu drängen. So sollte aus dem Christ- oder Weihnachtsbaum die "arteigene Jul-Tanne" werden, zu der es passenden "Jul-Schmuck" mit nationalsozialistischen Motiven gab.

Frohe Weihnachten, Führer und Reichskanzler Adolf Hitler, Tannenbaum, Kerzen !AUFNAHMEDATUM GESCHÄTZT!

Merry Christmas Leader and Reich Chancellor Adolf Hitler Tannenbaum Candles date estimated
Auch Adolf Hitler hatte offenbar einen Bezug zum Weihnachtsbaum – und setzte ihn für Propagandazwecke ein.Bild: imago / Arkivi

Diese Bemühungen, dem Weihnachtsfest einen heidnisch-germanischen Anstrich zu geben, blieben freilich weitgehend erfolglos und fruchteten nur in parteinahen Kreisen. Gegen Ende des Krieges wurde die Nazi-Weihnacht ohnehin zusehends unpopulär und nach Kriegsende beeilten sich die meisten, den verfänglichen Baumschmuck zu entsorgen.

Heute ist ein Weihnachtsfest ohne lichtergeschmückten Baum in weiten Teilen der Welt quasi undenkbar. Auch die zunehmende Kommerzialisierung der Weihnachtszeit nach dem Zweiten Weltkrieg hat dem Brauch nichts anhaben können – ganz im Gegenteil.

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