Wenn sich der kastilische Hochsommer über das weite Land legt, erwacht ein kleiner Ort im Herzen Spaniens zu einer Farbenpracht, die ihresgleichen sucht. Brihuega, ein mittelalterliches Städtchen in der Provinz Guadalajara, verwandelt sich im Juli in ein leuchtendes Lavendelmeer: Unzählige der violetten Blüten überziehen die Hügellandschaften.
Was einst ein verstecktes Geheimnis war, ist heute zu einem Magnet für Besucher:innen aus aller Welt geworden. Und so kommt der Lavendelzauber an seine Grenzen.
Vor gut einem Jahrzehnt noch war die Region geprägt von Weizenfeldern und Landflucht. Heute wächst hier ein bedeutender Teil der spanischen Lavendelproduktion. Das violette Wunder hat dem schläfrigen Ort einen neuen Atem eingehaucht.
Das Resultat sind 24 Prozent Bevölkerungswachstum, neue Hotels, ansprechende Cafés, handwerkliche Destillerien. Allein in dieser Sommersaison sollen rund acht Millionen Euro Einnahmen durch den Tourismus entstanden sein.
Nicht verwunderlich, denn es waren mehr als 100.000 Gäste allein im Juli. Sie drängen sich in die schmalen Gassen, parken am Straßenrand, machen Selfies, steigen aus Bussen – und lassen die Idylle kollabieren.
Der Bürgermeister Luis Viejo findet laut dem "Independent" dramatische Worte: "Nehmen Sie zum Beispiel den vergangenen Samstag: Das Dorf ist zusammengebrochen. Es war eine harte Zeit für mich."
Der Bürgermeister zeigt sich verzweifelt. Denn noch ist der Zugang zu den Feldern frei – und damit weder kontrollierbar noch kostenpflichtig. Viele Gäste fahren direkt in die Felder, zu Fuß, mit dem Rad, in Reisebussen.
"Einen solchen Besucheransturm in so kurzer Zeit zu bewältigen, ist schwierig", gesteht Viejo laut dem "Independent". "Wir arbeiten hart – aber es ist trotzdem eine große Menschenmenge."
"Dank des Lavendels haben wir ein breites touristisches, kulturelles und künstlerisches Angebot", sagt Bürgermeister Viejo. "Aber mein Rat ist: Besuchen Sie uns zwischen Montag und Donnerstag – bitte!" Denn die Wochenenden seien extrem überlaufen.
Für die knapp 3000 Einheimischen wird der Alltag dadurch zur logistischen Herausforderung. Deshalb kündigte der Bürgermeister eine konkrete Maßnahme an: "Für das nächste Jahr müssen wir einen Park-and-Ride-Parkplatz am Stadtrand des historischen Zentrums errichten und ihn mit Shuttlebussen anbinden." So soll das historische Zentrum der kleinen Gemeinde bewahrt werden.
Damit das Leben in Brihuega nicht nur im Juli pulsiert, sondern auch darüber hinaus, arbeitet das Rathaus zzsätzlich an neuen Wegen, die Besuchersaison ganzjährig zu beleben.
Denn die Felder des Sumach, ein unscheinbarer Strauch, färben im Herbst die Hänge tiefrot – und bieten im Oktober und November ein ebenso eindrucksvolles Naturschauspiel.
Mit der sanften Herbstfärbung, neuen Wanderwegen und kulturellen Angeboten soll Brihuega nicht nur als Juli‑Phänomen wahrgenommen werden, sondern als ganzjähriges Urlaubsziel. Dadurch könnten die Besucherströme entzerrt und die eigentlich so friedliche Ruhe des kleinen Ortes bewahrt werden.