Die Highlands sind eigentlich schon voll genug: voller Regen, voller Mythen, voller Melancholie. Nun sind sie auch noch voll mit Menschen, die glauben, ein Viadukt sei magischer Beton.
Und die schottischen Brücken haben keine Wahl. Sie stehen einfach da, tragen den Verkehr und den Regen. Bis irgendwann ein Regisseur die Kamera auf sie richtet und schon gehören sie nicht mehr sich selbst. Glenfinnan ist so ein Fall: ein Stück Beton, das zur Leinwand wurde.
Berühmt wurde das Glenfinnan-Viadukt nicht durch seine nüchterne Architektur, sondern durch Filmsequenzen. In gleich mehreren Teilen der "Harry Potter"-Reihe dampfte hier der Hogwarts-Express durch die Highlands – ein Bild, das zur Ikone geworden ist.
Das 21-bogige Bauwerk, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtet wurde, ist seitdem untrennbar mit der Vorstellung verbunden, dass irgendwo hinter dem nächsten Hügel eine Zauberschule wartet.
"Film-Tourismus ist ein riesiges Geschäft", sagt die Tourismusforscherin Adele Doran dem britischen "Express". "Er bringt Besucher in Regionen, die früher kaum jemand beachtet hat. Doch das Problem mit dem Glenfinnan-Viadukt ist, dass die Besucherzahlen stark steigen."
Für viele Fans ist es die seltene Gelegenheit, eine Filmszene fast eins zu eins nachzuerleben: Viermal am Tag tuckert der historische Zug "Jacobite" von Fort William nach Mallaig, vorbei an Loch Shiel, genau wie im Film.
Wer oben am Hang steht, erlebt für ein paar Minuten das Gefühl, als wäre die Leinwand Wirklichkeit geworden. "Es ist ein magischer Anblick, der viele Menschen anzieht", schreibt die Zeitung "The National" in einem Selbstversuch. Dieses "authentische" Erlebnis unterscheide Glenfinnan von vielen anderen Drehorten, die oft nur Kulissen bleiben.
Seit die "Harry Potter"-Filme das Viadukt zur Zauberstrecke erhoben haben, pilgern jährlich Hunderttausende an den Ort. "Im vergangenen Jahr kamen einer Schätzung zufolge eine halbe Million Besucher, während das Dorf selbst 100 bis 150 Einwohner hat", erklärte die Tourismuswissenschaftlerin Adele Doran dem "Express". Ein Verhältnis, das kein noch so malerisches Tal lange aushält.
Die Folgen sind sichtbar. Autos blockieren Zufahrten, Parkplätze quellen über, Anwohner:innen können ihre Häuser kaum noch verlassen. "Viele Menschen wollen nach Glenfinnan kommen, aber sie kommen alle zur gleichen Zeit. Es gibt nicht genug Platz", sagte Hege Hernes, Kurator des Glenfinnan Station Museum, der "New York Post".
Doch der jüngste Vorfall zeigt, wie drastisch die Lage inzwischen geworden ist. "Ich habe Fahrzeuge erlebt, die ihre Chemietoiletten in unsere Abflüsse entleeren – direkt vor den Häusern. Das ist menschlicher Kot, der in einen Frischwasserabfluss gekippt wird", berichtete ein Anwohner, der tatsächlich Robin Pettigrew heißt, dem Sender STV News.
Die wachsende Gereiztheit spüren auch die Mitarbeiter:innen vor Ort. "In der Vergangenheit sind Mitarbeiter angefahren worden. Es gab verbale Beschimpfungen. Deshalb tragen wir jetzt Bodycams", sagte Jennifer Northcote, Besucher-Managerin beim National Trust, der Zeitung "The National".
Um die Lage zu entschärfen, wurde zuletzt ein Shuttlebus zwischen Fort William und Glenfinnan eingerichtet, viermal am Tag.
"Wir können die Zeit nicht zurückdrehen, also müssen wir gemeinsam Lösungen finden, um die Auswirkungen der Besucher auf die Gemeinschaft zu verringern", erklärte Emily Bryce vom National Trust dem Sender STV News.