
In Camogli ist es besser, nicht arm zu sein. Bild: IMAGO/Dreamstime
Urlaub & Freizeit
Focaccia am Meer, barfuß durch die Gassen, ein Platz auf der Promenadenmauer – Pustekuchen. Camogli hat eine neue Verordnung erlassen, die selbst Italien-Kenner ratlos zurücklässt.
31.07.2025, 13:5931.07.2025, 13:59
Italienische Ordnung ist ein Kapitel für sich. Sie existiert, oft sogar schriftlich. Nur das Verhältnis zur Wirklichkeit bleibt flexibel. Es sei denn, man meint es plötzlich ernst.
Nehmen wir beispielsweise die Mauer: Die Mauer ist in Italien keine Grenze, sondern ein Möbelstück. Man sitzt auf ihr, lehnt sich gegen sie, isst, redet, schaut aufs Meer. Manchmal auch alles gleichzeitig.
Urlaub in Italien: Camogli geht drastischen Schritt
In Camogli, einem kleinen Küstenort in Ligurien, ist damit jetzt Schluss. Der Bürgermeister Giovanni Anelli hat eine neue Verordnung unterzeichnet, die die italienische Leichtigkeit auf Stein und Stufe in eine Ordnungswidrigkeit verwandelt.
"Zum ersten Mal in der Geschichte der Stadt", so heißt es in der italienischen Tageszeitung "La Repubblica", wird nicht nur das Betteln untersagt, sondern auch der Verzehr von Speisen und Getränken auf Mauern oder Stufen.
Die Regelung trifft damit eine Praxis, die in Camogli nicht nur verbreitet, sondern beinahe ikonisch ist – nicht zuletzt wegen der zahlreichen Focaccerias im Ort. Wer in Camogli Focaccia isst, tut dies traditionell mit Blick aufs Meer. Jetzt allerdings nur noch mit Vorsicht. "La Repubblica" schreibt von der "Anti-Focaccia-Verordnung".
Neben dem Verzehr in der Öffentlichkeit sind weitere Verhaltensweisen verboten worden: das Liegen auf Mauern der Strandpromenade etwa sowie das Spazieren mit nacktem Oberkörper, barfuß oder im Badeanzug. Verstöße können mit Geldstrafen von bis zu 500 Euro geahndet werden.
Wie Portofino und Camogli gegen Arme vorgehen
Eine Höhe, die Camogli mit dem knapp 14 Kilometer entfernten Portofino gemein hat. Dort trat eine fast wortgleiche Verordnung am 14. Juli in Kraft und sorgt seither für internationale Kritik. Der britischen "Times" zufolge versuche man in Portofino, "jede Spur von Armut aus den Postkartenstraßen zu tilgen".
In Camogli reagierte man still, aber schnell. Die neue Verordnung trat am Mittwoch, dem 30. Juli, in Kraft, kopiert die Argumentation Portofinos und vermeidet jede öffentliche Debatte.
James Imam, ein Journalist der "Times", schreibt in Portofino von einem Ort, der versuche, "Touristen vor Belästigung zu schützen". Aber es gibt Widerstand. Das Blatt zitiert den italienischen Juristen Antonio Mumolo, Präsident der Organisation Avvocato di strada, mit den Worten: "Betteln ist kein Verbrechen und darf nicht verboten werden."
Auch Andrea Orlando, ehemaliger Minister der Demokratischen Partei und heute Regionalrat, kritisierte die Portofino-Verordnung auf Social Media als "Krieg gegen die Armen". In der Begründung des Gemeinderats heißt es, die Maßnahme sei nötig, da Bettelnde "Furcht und Besorgnis unter Bürger:innen und Besucher:innen" erzeugten.
Die "Times" verwies zudem auf aktuelle Daten des italienischen Statistikamts, denen zufolge 2021 über 96.000 Menschen in Italien ohne festen Wohnsitz lebten – fast doppelt so viele wie sieben Jahre zuvor.
In nächster Zeit drohen einige Monsterstaus. Die Urlaubssaison ist in vollem Gange, viele Familien nutzen die Gunst der Stunde, endlich loszuziehen. Doch in Bayern müssen sie sich künftig ein Weilchen gedulden.
Bei all der föderalistischen Reibung, den gewaltigen Diskrepanzen, der schier unüberwindbaren Distanz, die durch einfache Ländergrenzen entsteht, werden wir bald wieder Zeuge eines Moments seltener Einigkeit: Deutschlandweit haben Schüler:innen zum selben Zeitpunkt Ferien – eine zehntägige Überschneidung!