Noch immer steht das Kreuzfahrtschiff "Diamond Princess" im japanischen Hafen Yokohama unter Quarantäne. Insgesamt befinden sich rund 3600 Reisende und Crewmitglieder an Bord. Der Grund: mit dem neuartigen Coronavirus infizierte Passagiere.
Auch zwei deutsche Staatsangehörige an Bord haben sich infiziert, wie die Deutsche Botschaft in Tokio am späten Samstagabend (Ortszeit) mitteilte.
Wie kann ein Kreuzfahrtschiff für die Gesundheit seiner Passagiere sorgen? Wie lässt sich die Ausbreitung eines Erregers an Bord eindämmen, was bedeutet Quarantäne und wie gefährlich sind Infektionskrankheiten an Bord?
Watson hat darüber mit dem wissenschaftlichen Leiter des Centrums für Reisemedizin in Düsseldorf, Tomas Jelinek, gesprochen.
watson: Die "Diamond Princess" hat Platz für 2670 Passagiere und etwa 1000 Besatzungsmitglieder. Wie müssen wir uns die medizinischen Versorgungsmöglichkeiten an Bord vorstellen?
Tomas Jelinek: Grundsätzlich sind die sehr gut. Die großen Kreuzfahrtschiffe haben meist eine sehr gut ausgestattete kleine Klinik an Bord, mit Ärzten und Assistenzpersonal. Zur Ausstattung gehören neben Ambulanzräumen etwa Röntgen- und Ultraschallgeräte, EKG, ein kleines Labor und eine Apotheke mit den wichtigsten Mitteln. Die Kunden erwartet im Ernstfall eine vernünftige medizinische Versorgung und die ist in aller Regel auf modernen Schiffen gewährleistet. Diese Einrichtungen können normale medizinische Ereignisse, Schürfwunden oder Atemwegsinfektionen zum Beispiel, gut bewältigen. Wenn diese Ambulanzen aber viele Erkrankte auf einmal behandeln müssen, stoßen sie schnell an ihre Grenzen und benötigen Hilfe von außen. Wenn ein Schiff im Hafen liegt, ist das aber gut machbar.
Verfügen solche Schiffe über Isolierstationen?
Nein. Was die Mannschaft solcher Schiffe aber machen kann, ist, die Passagiere in ihren Kabinen zu isolieren, um eine Ausbreitung an Bord zu verhindern. Das wird auch bei Ausbrüchen anderer Krankheiten, denken wir zum Beispiel an eine Infektion mit Noroviren, so gemacht.
Worauf kommt es in so einem Fall an?
Das Problem von Kreuzfahrtschiffen ist, dass wir es mit einem schwimmenden Brutkasten zu tun haben. Viele Menschen leben hier auf engem Raum. Zu den Gästen zählen zudem meist viele ältere Menschen, die für Infekte empfänglicher sind. Gerade bei Tröpfcheninfektionen, die über die Atemwege übertragen werden, ist das relativ kritisch, weil sich Erreger auf Grund der Enge und der engen Kontakte schnell verbreiten können. Um das zu reduzieren, muss eine Mannschaft früh reagieren, die Erkrankten in ihren Kabinen isolieren und betreuen.
Was bedeutet das?
Die Betroffenen dürfen ihre Kabinen dann nicht verlassen und werden von außen versorgt – vergleichbar mit einer Isolierung in einem Klinikzimmer. Ansonsten kann die Mannschaft, je nach Infektionskrankheit, auch etwa Mundschutz, Handschuhe oder Desinfektion einsetzen, um die Ausbreitung einer Krankheit an Bord zu verhindern. Also genau das, was im Moment für die Coronaviren empfohlen wird.
Lässt sich die Ausbreitung denn überhaupt eindämmen?
Das kommt darauf an. Wenn die Mannschaft nicht schnell reagiert, bekommt sie eine Ausbreitung kaum noch in Griff. Grippeviren sind, neben Noroviren, zum Beispiel sehr gefährlich. Wenn die Mannschaft aber früh reagiert, und das scheint ja bei der "Diamond Princess" der Fall gewesen zu sein, dann stehen die Chancen gut, eine Ausbreitung einzudämmen. Ob die Reaktion wirklich rechtzeitig erfolgt ist, werden die nächsten Tage zeigen. Zumindest aber hat die Mannschaft nicht gewartet, bis das Virus auf dem Schiff grassiert – dann ist es zu spät.
Besteht die Gefahr, dass Panik an Bord ausbricht?
Die Situation ist zumindest beunruhigend, die Menschen können ja gerade nicht von Bord. Ob Panik ausbricht, ist auch eine Frage des Managements. Hier sind Kapitän und Mannschaft gefragt. Sie müssen die Passagiere mit Informationen versorgen und beruhigen. Wenn Symptome bei Menschen an Bord auftreten, muss die Mannschaft diese Leute betreuen und versorgen. Zu Gute kommt im aktuellen Fall, dass selbst bei einer Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus die Krankheit meist sehr milde verläuft, teilweise sogar ohne überhaupt Symptome zu entwickeln.
Die Infizierten wurden nun in ein Krankenhaus in der Provinz Kanagawa gebracht. Warum steht das Schiff weiterhin unter Quarantäne und was bedeutet das in diesem Fall?
Es ist in der Seefahrt eine altehrwürdige Sitte, dass Schiffe mit einer Krankheit an Bord für die Dauer der Inkubationszeit, in diesem Fall bis zu 14 Tage, unter Quarantäne gestellt werden. Man will damit vermeiden, dass sich die Krankheit von Bord an Land ausbreiten kann. Im Moment ist noch nicht klar, ob an Bord noch Menschen sind, die mit dem Virus infiziert sind, oder nicht. Erschwerend kommt hinzu: Selbst bei einem Krankheitsverlauf ohne Symptome kann eine erkrankte Person ansteckend sein. Wenn innerhalb der Inkubationszeit keine Fälle mehr auftreten, wird die Quarantäne aufgehoben, und die Menschen dürfen das Schiff wieder verlassen.
Kann so ein Schiff unter Quarantäne von außen versorgt werden oder darf überhaupt kein Kontakt stattfinden?
Ja, es kann im Hafen von außen versorgt werden. Aber diese Schiffe haben auch einiges an Lebensmitteln an Bord, können selbst Strom produzieren und haben Trinkwasservorräte. Für die nächste Zeit ist dieses Schiff autark.
Haben Sie einen speziellen Ratschlag für Menschen, die jetzt auf Kreuzfahrt gehen und sich vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus oder einer Infektionskrankheit schützen wollen? Sowas wie "Finger weg vom Buffet"?
Gegen eine Grippeinfektion würde eine Impfung helfen – da sind Passagiere immer gut beraten, sich vor einer Kreuzfahrt gegen Influenza impfen zu lassen. Ansonsten können sich die Menschen vorab bei Reisemedizinern über die aktuelle Situation informieren. Wichtig ist auch, die gängigen Hygieneempfehlungen zu beachten. Ans Buffet an Bord dürfen sie aber weiterhin gehen.