Schon lange war es angekündigt, nun ist der Tag auch gekommen. Ab 2. April entfallen in Deutschland viele der bisher geltenden Corona-Regeln. In Berlin durfte bereits am 1. April im Supermarkt oder in anderen Geschäften ohne Maske eingekauft werden. Der sogenannte "Basisschutz" soll ab jetzt Maskenpflicht, Zugangsbeschränkungen und andere Maßnahmen ersetzen. Strengere Bestimmungen können weiterhin vereinzelt zur Geltung kommen, in sogenannten Hotspots.
Watson hat sich in einer Berliner Einkaufszone umgehört, um zu sehen, ob die Menschen beim Einkaufen nun mit Freude die Maske fallen lassen oder ob sie lieber freiwillig weiterhin eine tragen. Und wie sie generell zur Abschaffung der Maßnahmen stehen – eine Momentaufnahme.
Eine belebte Einkaufsstraße im Berliner Westen. Es ist kurz nach zehn Uhr morgens. Das Bild ist so, wie man es mittlerweile kennt: Die meisten Menschen tragen auf der Straße keine Maske, nur wenige sind so vorsichtig, dass sie auch im Freien einen Mund-Nasenschutz bevorzugen.
Allerdings: Nicht nur auf der Straße ist das Tragen der Maske freiwillig, auch im Einzelhandel ist es seit 1. April in Berlin so. Die Kunden einer großen Drogeriemarktkette scheint das nicht zu jucken: Sie tragen ausnahmslos weiterhin ihre Masken. "Die Leute haben sich wohl daran gewöhnt, es stört sie, denke ich, nicht so sehr", kommentiert die Kassiererin auf Nachfrage von watson.
Sie selbst trägt eine blaue OP-Maske, sitzt gut abgeschirmt hinter einer Plexiglaswand und verrichtet ihre Arbeit. "Ich finde das ganz gut, im Moment ist das einfach noch sicherer, auch für uns im Laden. Und wir Angestellten sind vom Unternehmen ohnehin weiter angehalten, selbst auch eine Maske zu tragen – zum Eigenschutz", erzählt die Kassiererin.
Den Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth, würde diese Einstellung sicher freuen. Er kritisiert gegenüber watson:
Denn mit der Vorlage des Gesetzentwurfs habe sich der Bundesgesundheitsminister in dieser Frage klar positioniert. Die Handelsunternehmen würden seit Jahren alles dazu beitragen, die Vorgaben der "von zahlreichen Fachleuten beratene Politik" best- und schnellstmöglich umzusetzen.
Das Szenario aus dem Drogeriemarkt bestätigt die Annahme des HDE-Hauptgeschäftsführers. Er ist sich sicher, "dass viele Kundinnen und Kunden freiwillig weiterhin die Maske beim Einkaufen tragen werden." Eine YouGov-Studie zeigt nun, dass immerhin 41 Prozent der Befragten angaben, trotz Lockerungen weiterhin in Innenräumen eine Maske tragen zu wollen. Das würde auch das Personal schützen.
Im Einkaufszentrum gegenüber dem Drogeriemarkt scheint auf den ersten Blick die Lockerung der Maskenpflicht noch nicht durchgeführt zu werden – an der Scheibe der großen Drehtür am Eingang ist noch der Hinweis zur FFP2-Maskenpflicht angebracht.
Oder hat der Betreiber hier Gebrauch von seinem Hausrecht gemacht und besteht weiterhin darauf, dass die Kunden in der Mall eine Maske tragen? Stutzig macht auf dem Schild der Hinweis auf die 3G-Regelung – denn auch die ist mit dem heutigen Tag nicht mehr in Kraft. "Hier im Center ist die Maskenpflicht komplett aufgehoben", sagt die Dame am Infoschalter im Eingangsbereich. Der Betreiber habe sein Hausrecht an die Ladenmieter abgegeben. "Die Läden können selbst entscheiden, ob sie weiter möchten, dass ihre Kunden eine Maske tragen oder nicht."
Am Fenster einer großen schwedischen Bekleidungskette hängt ein Hinweisschild mit der Empfehlung an die Kunden, doch bitte weiterhin einen Mund-Nasenschutz zu tragen. Die Verkäufer im Laden tragen alle eine Maske.
Dazu passt, dass HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth gegenüber watson betont, dass die Handelsunternehmen den Gesundheitsschutz des Personals auch weiterhin sehr ernst nehmen würden:
Auch die Kunden im Kleidungsgeschäft ziehen es offenbar vor, weiter freiwillig eine Maske zu tragen. Auf Nachfrage von watson bestätigt eine Kundin:
Und wenn sie sich anstecken würde, meint die 35-jährige Frau, müsse man ja auch in Quarantäne und eine Woche Zuhause bleiben – das wolle sie auch nicht.
Ähnlich sehen es zwei junge Frauen, die ebenfalls mit Maske durch die Kleiderständer stöbern. "Man hat sich schon daran gewöhnt und das Maskentragen ist ein recht einfaches Mittel, sich selbst zu schützen. Denn die Infektionszahlen sind noch hoch."
Eine der beiden begrüßt aber die neue Freiwilligkeit. Besonders "für Menschen, die es als anstrengend empfinden mit Maske oder, die schwer Luft bekommen", sei es gut. Auch sie selbst bekomme Kopfschmerzen von der Maske und ziehe sie für einen Moment runter, wenn sie alleine ist.
Ein Stockwerk weiter oben, im Elektrofachhandel, finden sich die ersten und auf der gesamten Verkaufsfläche die einzigen Kunden ohne Maske. Zwei Frauen mit Kapuzenpullis, in der Kassenschlange.
Fühlt sich das komisch an, so als Einzige ohne Maske? "Im ersten Moment ist das definitiv komisch, weil alle gucken. Aber eigentlich ist man doch froh, dass es endlich soweit gekommen ist", meint eine der beiden. Ihre Begleiterin sieht das ähnlich: "Mich interessiert nicht, was die anderen denken. Ich bin der Meinung, dass wir jetzt langsam damit leben müssen."
Angst vor einer Ansteckung mit Corona haben die beiden Frauen mittlerweile nicht mehr, sie sind allerdings auch beide geimpft und genesen, mit mildem Verlauf – eine der beiden sogar zweifach. Doch was ist mit dem Schutz der Mitmenschen? "Man sollte andere schützen, klar", meint die 31-Jährige. "Ich halte auch Abstand. Aber nach zwei Jahren möchte ich auch mal wieder leben. Und jeder, der sich schützen will, soll gerne weiter eine Maske tragen."
In der Apotheke nebenan scheint weiterhin die Maskenpflicht zu gelten, darauf weist ein Schild im Eingangsbereich hin.
Gegenüber watson meint die Apothekerin:
In einer kleineren Boutique im Erdgeschoß sind eine Verkäuferin und drei Kundinnen – alle tragen Masken. Das Schild auf einem Hocker im Eingang verweist auch auf die Pflicht zur FFP2-Maske. Auf Nachfrage von watson lacht die Verkäuferin: "Das Schild? Oh je, das hab ich ganz vergessen. Ich bin allein hier heute, mit all den Kunden. Deshalb steht das noch da." Nein, es gebe hier im Laden keine Maskenpflicht mehr, sagt die 45-Jährige.
Mit Schild oder ohne, es seien heute bisher auch noch keine Kunden ohne Masken da gewesen. Was die Verkäuferin persönlich begrüßt: "Ich fühle mich mit den gerade sehr hohen Ansteckungszahlen noch sicherer, wenn die Kunden eine Maske tragen." Im Sommer, wenn es heiß sei und man schlecht Luft bekomme unter der Maske, wäre es nochmal etwas anderes.
"Aber die Kellnerin, die freut sich!" sagt sie und zeigt nach draußen zum Eiscafé in der Mitte des Einkaufszentrums. Die Tische und Stühle sind gut gefüllt, niemand trägt eine Maske, auch nicht das Barpersonal und die Kellnerin. Vielleicht doch ein paar Mutige, die den Wegfall der Maskenpflicht mit einem Eis feiern?
Im Gang vor dem Eiscafé stehen eine jüngere und eine ältere Frau, beide mit Papiertüten über dem Arm, ohne Maske, beide wirken entspannt. "Es ist ein bisschen ungewohnt aber eigentlich sehr angenehm. Ich arbeite im Krankenhaus, den ganzen Tag mit Maske. Ich bin froh, wenn ich sie mal nicht tragen muss."
Angst vor einer Ansteckung hat die 30-jährige Krankenschwester, die mit ihrer Mutter auf Shopping-Tour ist, keine. Sie ist angesichts der hohen Inzidenzen skeptisch, ob in einer derart katastrophalen Lage eine Maskenpflicht überhaupt noch etwas bringe. Stattdessen setzt sie ihre Hoffnung auf Herdenimmunität mittels Durchseuchung: "Eventuell ist es wirklich ganz gut, wenn sich irgendwann jeder ansteckt und es hoffentlich auch gut übersteht. So dass wir irgendwann mal da rauskommen." Zudem: Im Ausland würden die Lockerungen ja auch funktionieren.
Auf dem Weg zum Ausgang steht wieder eine Dame ohne Maske: "Es ist befreiend. Wieder ein Stück Freiheit. Einfach schön!", meint sie. Die 43-jährige Kundin sieht die Ansteckungsgefahr gelassen:
Sie fügt hinzu: "Wenn die in Dortmund ein volles Fußballstadion zulassen, hallo? Dann ist ja wohl Einkaufen mit Abstand auch in Ordnung."
Auf dem Weg hinaus ist das Plakat in der Drehtür mittlerweile ausgetauscht: Nun hießt es dort, Jeder und Jede könne selbst entscheiden, ob sie einen Mund-Nasenschutz trägt oder nicht. So, wie es ab 2. April auch in ganz Deutschland sein wird – außer in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. Dort hat die Landesregierung das jeweilige Bundesland als Hotspot ausgerufen. Dadurch bleibt die Maskenpflicht dort zunächst bestehen.