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Der Körper einer Mutter verändert sich nach der Geburt. Unsere Autorin mag das nicht

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Der Körper einer Mama verändert sich nach der Geburt. Unsere Autorin ist damit nicht zufrieden (Symbolbild)Bild: www.imago-images.de / Fascinadora
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"Wann genau soll ich Zeit für Ausdauertraining, Pilates und irgendein effektives Bauch-Beine-Po-Workout finden?": Die körperlichen Veränderungen nach der Geburt sind für unsere Autorin kein Grund zum Feiern

22.08.2021, 10:5022.08.2021, 14:29
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"Schonungslos ehrlich" – die Mama-Kolumne ohne Insta-Filter

Nach einer Schwangerschaft und Geburt wird dein Körper nie mehr so sein, wie er war. Da braucht mir auch keiner mit "Stolz darauf sein, was der eigene Körper geleistet hat"-Parolen kommen, eine immer beliebtere Methode von Instagram-Müttern, sich das Dilemma schönzureden. Denn Fakt ist, es ist nicht mehr so, wie es mal war und es wird auch nie mehr so sein. Selbst nicht mit einem Personal Trainer (den ich nicht habe), denn auch der kann vom Stillen ausgemergelte Brüste nicht aufpumpen. Das könnte lediglich ein fähiger Chirurg (was wiederum für mich nicht in Frage kommt).

Unsere Autorin berichtet über die unschönen Seiten des Mutterdaseins – schonungslos ehrlich.
Unsere Autorin berichtet über die unschönen Seiten des Mutterdaseins – schonungslos ehrlich.Bild: Emmy Lupin Studio
Unsere Autorin...
... wurde mit Anfang 30 Mutter. Und kommt noch immer nicht damit klar, dass ihr altes, schönes Leben seitdem vorbei ist. Sie ist wütend, dass Eltern nie den Mut hatten, zu erzählen, was es wirklich bedeutet, ein Kind zu haben. Aus diesem Grund legt sie alle zwei Wochen den Finger in die Wunde – und berichtet schonungslos. Und weil sie weiß, dass Mütter sehr giftig werden können, wenn es um ihr Heiligstes geht, bleibt sie lieber anonym. Die täglichen Entrüstungsstürme ihres Sohnes reichen ihr völlig aus.

Wer sich kinderlos mit Eltern unterhält, bekommt das Gefühl, das einzige, an was es einem später mangeln würde, sei Schlaf. Alles andere? Pures Glück. Von körperlichen Mängeln war nie die Rede. Ok, dass einige Frauen über ein paar hartnäckige Schwangerschaftskilos klagen, hatte ich auch schon gehört. Doch da dachte ich noch, bisschen mehr Sport und eine gesunde Ernährung würden das schon regeln.

Als Mama hat man keine Zeit mehr für seinen Körper

Inzwischen weiß ich: Das Problem ist die Zeit! Wann genau soll ich Zeit für Ausdauertraining, Pilates und irgendein effektives Bauch-Beine-Po-Workout finden? Und wo bleibt die Zeit, um ausgefallene Zutaten im Bio-Supermarkt und auf dem Bauern-Wochenmarkt zusammenzusuchen, um dann täglich drei super healthy Mahlzeiten zuzubereiten? Ich, die ich mir inzwischen aus Zeitgründen nur noch am Wochenende die Haare wasche, habe darauf keine Antwort.

"Zeitmangel und Erschöpfung nach einem Tag mit Kind hindern mich an sportlicher Betätigung und Körperpflege, die über den Standard hinausreicht."

Aber fangen wir am besten von vorne an. In der Schwangerschaft bekommt man einen ersten Eindruck, wie es sich als bisher gesunder Mensch anfühlt, ein Leiden zu haben. Meine hässlichste Begleiterscheinung neben Kleinigkeiten wie tauben Fingern und Kreislaufproblemen waren Hämorrhoiden, die durch das Gewicht des Kindes scheinbar nach außen gedrückt wurden.

Ich erfuhr dank diverser Artikel, die ich panisch recherchierte, dass fast die Hälfte aller Schwangeren davon betroffen sei. Dass sich die sogenannten Gefäßpolster in den meisten Fällen jedoch nach der Geburt wieder zurückbilden würden. Falls nicht, müssten sie operativ entfernt werden. Ein Grund, weshalb ich ab sofort mehrmals täglich mit Hämorrhoiden-Salbe zugange war und längere Sitzzeiten vermeiden musste. Aber ok, für das, was ich im Bekanntenkreis mitbekommen habe, bin ich noch gut davongekommen. Von extremen Wassereinlagerungen bis hin zu Krampfadern war alles dabei.

Und dann die Geburt. Ein Kind gebären sei die natürlichste Sache der Welt, lese ich immer wieder. Eine Stunde lang genäht zu werden, anschließend mehrere Wochen nicht mehr sitzen zu können und überhaupt, in einem Blutbad, dem sogenannten Wochenfluss, zu vegetieren, fühlte sich alles andere als natürlich an. Aber reden wir nicht über die Horrorwochen danach sondern über das, was bleibt. Nämlich Narben im Vaginal- und Dammbereich bis hin zum After. Oder eben Kaiserschnittnarben. Narben, die teilweise monatelang schmerzen, sich entzünden oder aufreißen können.

Schlafmangel, Beckenbodenschwäche und Hämorrhoiden

Und jetzt zu den Langzeitfolgen: Trampolinspringen ist für mich tabu, weil ich mir sofort in die Hose pinkele, ohne dass ich es kontrollieren kann. Niesen, wenn ich schon dringend auf Toilette muss, ist ebenfalls zum No-Go geworden. Der Grund ist mein demolierter Beckenboden, der durch ein großes Baby extrem in Mitleidenschaft gezogen wurde. Beckenbodentraining lautet angeblich das Zauberwort. Da ich dafür aber keine Zeit finde, muss ich damit rechnen, viel zu früh inkontinent zu werden. Das zweite Schock-Erlebnis nach der Pinkel-Aktion in der Trampolinhalle war der Zustand meiner Brüste, eine Woche nachdem ich endlich abgestillt hatte. Eineinviertel Jahre lang lief ich mit prall gefüllten Milchbrüsten herum. Nach dem Abstillen war da plötzlich nur noch Haut – das genaue Gegenteil. Ich füllte meine alten BHs einfach nicht mehr aus. Dazu fallen einem hormonbedingt einige Monate nach der Geburt die Haare aus, die dann – im Normalfall – Stück für Stück wieder nachwachsen.

"Ich füllte meine alten BHs einfach nicht mehr aus. Dazu fallen einem hormonbedingt einige Monate nach der Geburt die Haare aus, die dann – im Normalfall – Stück für Stück wieder nachwachsen."

Ich fasse zusammen: Der Bauch bleibt leicht gewölbt, eventuell verteilen sich ein paar Kilos mehr auf den Körper, vom Kopf stehen kurze, nachgewachsene Haare in alle Richtungen ab, das Becken ist noch immer leicht geweitet, Brüste existieren nicht mehr, dafür haben die Füße an Größe zugelegt. Kein Scherz, bei einigen meiner Freundinnen hatten sich die Füße während der Schwangerschaft um eine Schuhgröße ausgedehnt – und blieben dabei. Dunkelrote Dehnungsstreifen sowie eine Rektusdiastase, ein breiter Spalt zwischen den geraden Bauchmuskeln, die durch die Dehnung der Bauchdecke entstehen, sind zwei weitere Überbleibsel einer Schwangerschaft, die häufig auftreten. Und erwähnte ich Krampfadern, also richtige, sich nach außen wölbende Krampfadern, nicht diese harmlosen Besenreiserchen?

Und dann das next Level: Jahrelanger Schlafmangel und ein unterbrochener Schlaf beeinflussen die Haut, Alterungsprozesse, das Immunsystem, den Hormonhaushalt, ja, die gesamte Gesundheit. Zeitmangel und Erschöpfung nach einem Tag mit Kind hindern mich an sportlicher Betätigung und Körperpflege, die über den Standard hinausreicht. Wie gerne würde ich meine Durchblutung mit täglichem Trockenbürsten anregen, meine Haut mit Feuchtigkeit versorgen, Kondition aufbauen um mein Herz-Kreislauf-System zu stärken, meine Faszien lockern, mit Yoga Raum schaffen, Muskeln kräftigen und meditieren.

Dass mein Bauch weicher geworden ist, nicht mal mehr morgens so tut, als wäre er flach und sich beim kleinsten Snack sofort ausdehnt, ist kein Drama, aber es nervt mich trotzdem. Genauso wie die Tatsache, dass sich mein geweitetes Becken nie mehr komplett auf die Ursprungsgröße zurückgebildet hat und Mom Jeans für mich wie ein schlechter Scherz klingen. Denn welche Mutter genau soll diese hochgeschnittenen Hosen tragen, die nur dann cool aussehen, wenn der Hintern flach und die Hüfte schmal sind?

Ich habe inzwischen akzeptiert, dass einige Teile meines Körpers ein Wrack sind. Aber mich dafür auf Instagram feiern, weil der weibliche Körper Unglaubliches leistet, würde mir nicht in den Sinn kommen. Dafür bin ich viel zu wütend, dass Mütter, die durch das Großziehen eines Kindes sowieso schon strukturell benachteiligt sind, dann auch noch körperlich die Arschkarte gezogen haben. "Was sind körperliche Mängel gegen das Wunder eines Kindes?", würden mir garantiert einige aufgebrachte Mütter entgegnen. Erst letzte Woche hat der Vierjährige in einem Wutanfall zu mir gesagt, wenn ich das und das nicht erlauben würde, würde er mich totschießen. Tatsächlich ein Wunder – dass ich nicht komplett ausgerastet bin. Nur halb. Aber darüber schreibe ich ein anderes Mal.

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