Wer Willi Dahmen anruft, hört gleich, wie ernst er seinen Job nimmt: "Hier ist der Weihnachtsmann", sagt er mit tiefer Stimme langsam in den Hörer – und das möchte man ihm allzu gerne glauben.
Dahmen, 69, wohnt in Celle bei Hannover und ist eigentlich gelernter Krankenpfleger, musste seinen Job allerdings aus gesundheitlichen Gründen aufgeben und ist in den öffentlichen Dienst gegangen. Seine wahre Berufung ist allerdings eine andere: Seit über 30 Jahren arbeitet er als Weihnachtsmann, besucht Familien, Kindergärten und Altenheime, tritt in Einkaufszentren auf und beschenkt manchmal über 1.000 Kinder an einem Tag. Für ein Betten- und Matratzengeschäft habe er als Weihnachtsmann sogar Werbespots gedreht, erzählt Dahmen: "Ich bin richtig aufgeblüht." Vor allem aber war er froh, wieder in sein Kostüm zu schlüpfen und rauszukommen. Denn allzu viele Auftritte als Weihnachtsmann wird Dahmen dieses Jahr nicht haben – zumindest nicht persönlich.
Zwar befindet sich Deutschland dieses Jahr an Heiligabend nicht im Lockdown, doch ein normales Weihnachtsfest ist vielerorts auch nicht möglich: "Es wurden viele Veranstaltungen abgesagt, darum habe ich eine Online-Kindersprechstunde durchgeführt, damit die Kinder was vom Weihnachtsmann haben." Dieses Jahr gibt es die Online-Bescherung sogar bis in die Schweiz. Denn viele Schulen und Kitas mussten zeitweise schließen, Kinder in Quarantäne und die Kontakte beschränkt werden – verheerend für einen Mann wie Dahmen, der vom Zusammenkommen während der Weihnachtszeit lebt, von Besuchen in Kindergärten und Pflegeheimen, vom gemeinsamen Singen. "Es fehlt mir, in die Kitas und Altenheime zu gehen", sagt Dahmen. "Das ist es, was mir richtig Spaß macht. Ich bin ja Weihnachtsmann durch und durch."
Dahmen ist Teil eines Netzwerks aus 67 Weihnachtsmännern deutschlandweit, auf seiner Website findet man ihn und seine Kollegen, eingeteilt in "mit Echtbart" und "mit Kunstbart". Er bildet sogar europaweit Weihnachtsmänner aus, anhand des Weihnachtsmann-Ehrenkodex. Besonders wichtig sei laut Dahmen das richtige Kostüm, eine ruhige Ausstrahlung sowie die Fähigkeit, sich auf die Familien einzustellen. "Als Weihnachtsmann ist man auch Pädagoge und Psychologe", sagt Dahmen. Manche Familien betreut er schon seit über 20 Jahren, obwohl die Kinder schon erwachsen sind und bereits studiert haben, bestehen sie auf seinen alljährlichen Besuch. Nur dieses Jahr wird Dahmen nicht persönlich anwesend sein können.
Stattdessen setzt er auf Skype und Whatsapp: Per Videokonferenz können Familien Dahmen dieses Jahr wieder ins Wohnzimmer schalten. "Das wird so sein, als wäre ich persönlich da", sagt Dahmen. Er bekommt dann, wie üblich, im Vorhinein eine Liste mit den guten und schlechten Eigenschaften der Familienmitglieder, die er besucht – als Vorlage für sein Gespräch. Für das richtige Video-Weihnachts-Feeling hat er eigens eine festliche Kulisse gebaut. Darauf zu sehen sind geschmückten Christbäume, Geschenkpakete und Lichter. Vor einem Kamin sitzend wird der Weihnachtsmann also dieses Jahr in die Kamera schauen und die Menschen digital bescheren.
Eine langfristige Lösung ist das für Dahmen allerdings nicht. Nächstes Jahr, wenn die Pandemie hoffentlich im Griff ist, will er die Menschen unbedingt wieder vor Ort besuchen. "Wenn ich bedenke, dass ich Heiligabend hier sitze und die Leute nicht persönlich sehen kann, dann tut das in der Seele weh", gibt er zu. Sicherheit geht während der Corona-Krise allerdings vor, das Risiko, jemanden anzustecken, gehen weder er noch seine Mitstreiter ein. "Das ist mit einfach zu gefährlich", sagt Dahmen. "Ich könnte angesteckt werden und das Virus auch weitertragen. Es wäre fatal, wenn ich am Ende höre: 'Der Weihnachtsmann hat Opa mit Corona angesteckt.'"
Obwohl Weihnachten dieses Jahr nur unter den größten Sicherheitsvorkehrungen stattfindet, lässt Dahmen allerdings den Kopf nicht hängen: "Dann mache ich mir etwas zu Essen warm, lege die Füße hoch und genieße die Feiertage", so Dahmen.
Auf die Frage, was der Weihnachtsmann, sich nun zu Weihnachten wünsche, antwortet er trocken: "Auf gut Deutsch? Dass die Scheiße bald vorbei ist." Dann lacht er sein tiefes Weihnachtsmann-Lachen – und an dieser Stelle können wir ihm wohl nur zustimmen.
Mitarbeit: Julia Jannaschk