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"Loretta am Wannsee"-Chef über Absagen von Weihnachtsfeiern wegen Corona

Frustrated owner and manager talking to waiter in closed cafe, small business lockdown due to coronavirus.
In vielen gastronomischen Betrieben herrscht Krisenstimmung, denn die Weihnachtssaison scheint ein zweites Mal auszufallen (Symbolbild).Bild: iStockphoto / Halfpoint
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Corona-Absagen lassen Gastronomen verzweifeln: "Wird kommendes Jahr mehr Pleiten geben als 2020"

24.11.2021, 09:3424.11.2021, 16:02
steffen kirchner
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Am Wochenende steht der erste Adventssonntag an und damit traditionell auch Glühweinrunden, Betriebs-Weihnachtsfeiern und der erste Gänseschmaus. Theoretisch. Denn seitdem die vierte Corona-Welle offiziell im Gang ist und die Infektionszahlen explodieren, hat die Vorweihnachtsstimmung erneut einen Dämpfer verpasst bekommen.

Für die Gastro-Branche, die nun schon ein zweites Mal auf das Vorweihnachtsgeschäft verzichten muss, sind das existenzgefährdende Nachrichten, wie Steffen Kirchner warnt. Er arbeitet seit fast dreißig Jahren in der Gastronomie und betreibt das "Loretta am Wannsee" in Berlin seit 2010 als Inhaber. Für watson berichtet Kirchner von tonnenweise vorbestellten Gänsen, Mitarbeitern in Kurzarbeit und Krediten, die sich kaum mehr abbezahlen lassen.

Er sagt:

"Es wird kommendes Jahr mehr Pleiten geben, als noch 2020. Da bin ich ziemlich sicher."

"Bei uns werden momentan im Stundentakt Weihnachtsfeiern abgesagt. Es ist mehr als frustrierend. Am Donnerstag, als die Politiker weitere Maßnahmen beschlossen, saß ich mit meinem Küchenchef und der Ressortleitung zusammen, um zu besprechen, wie es für uns weitergehen soll, weil wir schon viel Ware für den Advent eingekauft haben und auch personell auf die plötzlichen Absagen reagieren müssen. Weihnachten fliegt uns gerade komplett um die Ohren – dabei waren wir eigentlich schon ausgebucht.

Das Jahr war verlustreich: 2021 konnten wir erst Ende Mai aufmachen, dadurch ist uns schon das Oster- und Pfingstgeschäft verloren gegangen, was in der Regel der Start in die Saison ist. Problematisch war dann auch das Wetter, weil es schon im September und Oktober so kalt und regnerisch war, wie noch nie. Dadurch wurde unsere Sommersaison im Grunde schon am 20. August beendet. Zwischendurch waren wir zwar im normalen Betrieb, aber diese Phase war eben viel zu kurz.

Dabei haben wir noch Glück, weil das Loretta am Wannsee über einen sehr großen Außenbereich verfügt. Wir konnten die Tische auseinanderziehen und sehr viel Fläche nutzen, so dass wir phasenweise genauso viele Gäste bewirten konnten wie sonst auch, ohne die Corona-Auflagen zu verletzen. Viele Kollegen in der Stadt haben diese Möglichkeit überhaupt nicht.

"Bei uns werden momentan im Stundentakt Weihnachtsfeiern abgesagt. Es ist mehr als frustrierend."

Ich empfand auch den Aufwand der umgesetzten Corona-Maßnahmen, sei es nun 2G oder 3G, akzeptabel. Natürlich ist es für uns mehr Arbeit, die Gäste zu kontrollieren und einzuchecken, aber es ist machbar und auch notwendig. Diskussionen mit den Gästen hatten wir nur zu Beginn, inzwischen herrscht da eigentlich eine große Selbstverständlichkeit. Viel problematischer war, dass uns das Personal fehlte. Gerade die Studenten und Schüler, die sonst im Sommer im Biergarten jobben, waren alle weg und haben zum Teil in Impfzentren gearbeitet.

Sechzig Prozent der Weihnachtsfeiern wurden bereits abgesagt

Für die Weihnachtszeit hatten wir geplant, unsere Almhütte nur für Exklusivveranstaltungen zur Verfügung zu stellen, natürlich unter den entsprechenden Auflagen, zuletzt 2G-plus. Bis vor vierzehn Tagen war die Location noch komplett ausgebucht und zwar mit hochkarätigen Kunden für große Betriebsfeiern. Doch jetzt wurden sechzig Prozent der Weihnachtsfeiern storniert und ich gehe davon aus, dass bis Ende Dezember alles komplett abgesagt wird.

In Lorettas Almhütte hätten eigentlich Weihnachtsfeiern stattfinden sollen

Das ist für uns ein Fiasko, denn das Weihnachtsgeschäft zu planen, bedeutet immer einen Riesenaufwand. Die Waren müssen vorab bestellt werden, um sicherzugehen, dass sie in der Adventszeit in ausreichendem Maß verfügbar sind. Wir sitzen jetzt auf 1,5 Tonnen Weihnachtsgans, die wir schon bestellt und bezahlt haben. Soeben ist ein LKW mit einer Palette Wein vorgefahren, der für die Feiern gedacht war. Das alles muss ich jetzt bezahlen, obwohl wir kaum Umsatz machen.

"Der November und der Dezember sind für uns extrem wichtig, um in die neue Saison zu kommen, den Winter überhaupt zu überstehen."

Die Kunden haben ihre Adventspläne schon abgesagt, bevor die Regierung dazu geraten hat. Für uns ist das insofern ein Problem, weil wir voraussichtlich keine finanziellen Entschädigungen vom Staat erhalten, solange der Betrieb theoretisch möglich wäre. Ich gehe davon aus, dass der Senat die Restaurants allein schon aus diesem Grund erst einmal geöffnet lassen wird.

Kostenfreie Stornierungen zu akzeptieren ist umso härter, wenn man bereits in Vorkasse gegangen ist, denn das Geld sehe ich nicht wieder. Die Entschädigung, die wir in der Vergangenheit vom Staat erhielten, ersetzt nicht mal ansatzweise die tatsächlichen Ausgaben.

Ohne finanzielle Hilfen droht eine Pleitewelle in der Gastro-Branche

Die Gastro-Branche braucht daher jetzt vor allem finanzielle Hilfen. Wir gehen davon aus, dass wir 80 oder 94 Prozent vom kompletten Weihnachtsgeschäft verlieren. Der November und der Dezember sind für uns extrem wichtig, um in die neue Saison zu kommen, den Winter überhaupt zu überstehen. Dieses Riesenvolumen an Umsätzen, das wir jetzt verlieren, muss ausgeglichen werden. Die Überbrückungshilfe 3 Plus reicht dafür bei weitem nicht aus, da es sich dabei nur um eine Fixkostenbeteiligung handelt.

Wir haben schon über einen langen Zeitraum Geld vorgestreckt und ich kann jetzt nicht zwei Monate lang mein privates Vermögen ausgeben, nur um über den Winter zu kommen. Im Grunde braucht die Branche wieder ein Modell wie die November- und Dezemberhilfe, egal ob wir offen bleiben dürfen oder nicht. Die Überbrückungshilfe muss zudem bis Ende März verlängert und erweitert werden.

"Es kann doch nicht sein, dass wir als Branche dafür herhalten müssen, dass sich die Leute nicht impfen lassen."

Wir haben – wie viele andere Betriebe – Darlehen aufgenommen, deren Laufzeit jetzt verlängert werden muss, da wir sie durch den fehlenden Umsatz der vergangenen Monate nicht so abbezahlen konnten, wie ursprünglich geplant. Hier müssen individuelle Lösungen her, um die Betriebe bei der Kredittilgung in der Pandemie zu unterstützen. Es kann doch nicht sein, dass wir als Branche dafür herhalten müssen, dass sich die Leute nicht impfen lassen.

Abgesehen davon bin ich für eine Impfpflicht in der Gastro-Branche. Temporär würde man dadurch etwas Personal verlieren, das eh schon rar ist, aber langfristig zahlt sich das meines Erachtens aus. Ich halte es für eine Katastrophe, dass der Datenschutz an dieser Stelle über der Gesundheit der Gesellschaft steht. In unserem Betrieb sind alle Mitarbeiter geimpft, das weiß ich, da wir ganz offen darüber geredet haben – auch weil das Personal selbst wissen wollte, mit welchen Kollegen sie da zusammenarbeiten. Ich glaube, aus der Impfpflicht wird ein größeres Problem gemacht als nötig.

Wir im Loretta werden auch diesen Winter überstehen, weil wir sehr hinterher sind, Lösungen zu finden. Ich bin in ständigem Kontakt mit dem Verband, dem Senat und den Banken. Aber viele Gastronomen haben nicht diesen langen Atem. Und wenn die Situation so weiter geht und die Gäste bis zum Februar ausbleiben, dann werden viele Kollegen das nicht stemmen können. Es wird kommendes Jahr mehr Pleiten geben, als noch 2020. Da bin ich ziemlich sicher."

Protokoll: Julia Dombrowsky

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