Nachhaltigkeit
Gastbeitrag

Fridays for Future: Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

ARCHIV - 31.05.2024, Nordrhein-Westfalen, Köln: Teilnehmer halten bei einer Demonstration von Fridays for Future ein Plakat mit der Aufschrift "Klimaschutz statt Umweltschmutz" und "Wir ...
Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, kein Partikularinteresse.Bild: dpa / Henning Kaiser
Gastbeitrag

Fridays for Future: Klimaschutz muss immer politische Priorität sein

26.07.2024, 10:51
Zahra Pischnamazzadeh
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Diese Woche hat mit dem heißesten Tag, den die Welt je erlebt hat, begonnen. Und schon am nächsten Tag wurde dieser Rekord erneut gebrochen. Manchmal komme ich mir vor wie eine kaputte Schallplatte, denn mittlerweile klingen solche Meldungen schon banal.

Seit Juni 2023 war jeder einzelne Monat in Folge der wärmste Monat, der je gemessen worden ist – seit 13 Monaten am Stück also.

Irgendwann habe ich aufgehört, die monatliche Meldung in den Familienchat zu schicken. Zu wenig Neuigkeitswert, zu wenig Reaktion. Mittlerweile sind wir in einer neuen Realität, einer Klimakrisenrealität, angekommen.

Und auch wenn das im demokratischen Diskurs kaum noch jemand anzweifelt, sind die Klimaleugner nicht nur wieder lauter geworden. Ihr Anti-Klima-Populismus ist auch wieder salonfähiger.

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Klimaschutz ist eine globale Verantwortung

Knapp zwei Monate sind die Europawahlen jetzt her und das Ergebnis ist nicht besonders erfreulich, um es vorsichtig auszudrücken. Jetzt sitzen im Europaparlament, das sich letzte Woche konstituiert hat, also mehr Rechtspopulisten und Klimaleugner.

Das erschwert die Umsetzung von Klimaschutz auf europäischer Ebene natürlich enorm, aber die Zusammensetzung des neuen Parlaments ändert nichts an den Fakten: Die Klimakrise bleibt die existentiellste Bedrohung unserer Zeit, Klimaschutz bleibt globale Verantwortung und Klimaschutz ist ein Menschenrecht. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im April bekräftigt.

Das neue Parlament muss offensichtlich über sich hinauswachsen, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Vor fünf Jahren hat Ursula von der Leyen zu Beginn ihrer ersten Amtszeit den Green Deal, das Herzstück der europäischen Klimapolitik, auf den Weg gebracht.

Alle zwei Wochen melden sich Aktivist:innen von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.
Alle zwei Wochen melden sich Aktivist:innen von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.

Seitdem hat die EU unter Mitwirkung und teilweise unter Führung der konservativen Fraktion, wichtige Klimagesetze verabschiedet und wir haben große Fortschritte im Klimaschutz gemacht: Der Klimapfad der EU wurde in den letzten 5 Jahren um mehr als 1 Grad korrigiert.

Das ist zwar immer noch nicht ausreichend, aber eindeutig unser Erfolg: ohne den Druck aus der Zivilgesellschaft wäre das nicht möglich gewesen.

In den letzten Monaten der vergangenen Legislaturperiode hat die konservative Fraktion im Europaparlament, die Europäische Volkspartei unter Manfred Webers Führung, dann aber einen ganz schönen Zickzack-Kurs eingeleitet. Bei Abstimmungen wird gemeinsame Sache mit den Rechtskonservativen gemacht, um wichtige Regelungen des Green Deal zu blockieren oder zurückzudrehen.

Kein Rückschritt aber auch kein Schritt nach vorne

Und auch im Wahlkampf haben die Konservativen auf Anti-Klima-Stimmung gesetzt. Wenig überraschend forderten sie etwa die Abschaffung des von der EU beschlossenen Verbrenner-Aus.

So wurde die Europawahl zu einer klimapolitischen Zitterpartie. Der Green Deal stand auf der Kippe und es war nicht klar, ob uns in den nächsten fünf Jahren klimapolitische Rückschritte oder Fortschritte erwarten.

Zahra Pischnamazzadeh, 23 Jahre, ist Klimaaktivistin bei Fridays for Future und studiert in Dresden Internationale Beziehungen.
Zahra Pischnamazzadeh, 23 Jahre, ist Klimaaktivistin bei Fridays for Future und studiert in Dresden Internationale Beziehungen.Bild: privat / privat

Ausschlaggebend war in den vergangenen Wochen vor allem die Frage, in welchem Lager sich von der Leyen Unterstützung für ihre Wiederwahl als Kommissionspräsidentin sichern würde: Bei der italienischen Postfaschistin Meloni und ihrer rechtskonservativen EKR-Fraktion, die unter anderem einen Klimaschutz-Rückbau forderten? Oder bei den Grünen, die – wenig überraschend – ein klares Bekenntnis zur Fortführung des Green Deal und demokratischer Mehrheitsbeschaffung forderten?

Letzte Woche dann ein kurzer Moment der Erleichterung, aber noch lange kein Grund für Jubel: Als von der Leyen vor der Abstimmung über die Kommissionspräsidentschaft ihre politischen Leitlinien für die nächsten fünf Jahre vorgestellt hat, blieb der befürchtete Rückschritt im Klimaschutz aus.

In ihren Leitlinien finden sich Versprechen in alle Richtungen: Neben einem Bekenntnis zum Green Deal verspricht sie unter anderem Ausnahmen beim Verbrennerverbot, mehr soziale Gerechtigkeit und eine Aufstockung von Frontex. In ihrem Programm fehlt ein klares Bekenntnis zum dringenden Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, der bis 2035 vollzogen werden muss.

Sie erwähnt nur in einem Nebensatz, dass wir uns von ihnen "weiter wegbewegen müssen". Wie die wieder gewählte Kommissionspräsidentin die nötigen Maßnahmen finanzieren will, bleibt offen.

Mit der von ihr geplanten Austeritätspolitik geht das nicht auf, wie der Europäische Gewerkschaftsbund gezeigt hat: Die Klimainvestitionen müssen bis 2030 verdoppelt werden, um die Klimaziele ansatzweise einhalten zu können.

Klimaschutz braucht Mehrheiten

Wenn wir nach vorne schauen, dann wird es hart und ja, es wird hart bleiben. Von der Leyen kann vieles versprechen, aber wenn ihre eigene Fraktion, die Europäische Volkspartei, dann doch Mehrheiten mit Rechtsaußen sucht und wie in letzter Zeit gemeinsam mit Rechtsaußen Klimaschutz blockiert, bringt uns das herzlich wenig.

In dieser Amtszeit geht es also mehr denn je um das Schaffen von Mehrheiten. Dafür braucht es ehrliche Kommunikation: Die bevorstehende Transformation ist eine Mammutaufgabe, die wir nicht einfach nebenbei erledigen können.

Und ja, die nötigen Klimaschutzmaßnahmen machen das Leben teurer. Das werden wir insbesondere ab 2027 sehen, wenn der Europäische Emissionshandel ETS-II eingeführt wird – der übrigens am lautesten von Konservativen und Liberalen gefordert wird, die ja immer Marktmechanismen wollen.

Gerade weil solche Mechanismen unser Leben verteuern – wenn auch deutlich weniger als ein ungebremster Klimawandel – und an die Substanz gehen, ist es umso wichtiger, sie sozial abzufedern. Wir müssen offen darüber sprechen, dass Investitionen nötig sind, damit es den Menschen trotz dieser schwierigen Transformation gut geht.

Klimaschutz ist ein Menschenrecht und muss auch dann politische Priorität sein, wenn sich parlamentarische Mehrheiten verändern. Denn Klimaschutz ist kein Partikularinteresse irgendwelcher Aktivist:innen oder grüner Parteien, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es geht dabei letztlich darum, unser gesellschaftliches Zusammenleben zu schützen.

Die nächsten fünf Jahre bis zur nächsten Europawahl 2029 sind entscheidend darüber, ob wir unsere 2030er-Klimaziele einhalten können. Hier werden die Weichen für unsere Zukunft gestellt.

Die Herausforderung ist groß, aber es lohnt sich, um jedes Zehntel Grad zu kämpfen. Das erwarten wir von Ursula von der Leyen und dem neuen Europaparlament – und dafür werden wir mit Fridays for Future weiter einstehen, so wie wir es schon seit 2019 tun.

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