Die Ampel-Koalition hat auf den heftigen Gegenwind durch Landwirt:innen reagiert. Die Bundesregierung will die geplanten Kürzungen von Subventionen teilweise zurücknehmen, hieß es am 4. Januar: eine Entscheidung, die Wind aus den Segeln der wütenden Bäuer:innen nehmen dürfte und die deutsche Autofahrer:innen wohl erst einmal aufatmen ließ. Denn sie litten in den vergangenen Wochen bereits des Öfteren unter den Protestaktionen der Bauern.
So blockierten Sachsens Bauern und Bäuerinnen mit Traktoren kurz vor Weihnachten rund drei Stunden lang etwa 70 Autobahnzufahrten. Mit dem Entgegenkommen der Bundesregierung werde es nun wohl eine Einigung im Konflikt geben, so die Hoffnung.
Denn die Begünstigung bei der Kraftfahrzeugsteuer für die Forst- und Landwirtschaft bleibt nun doch erhalten und die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll erst 2026 vollständig erfolgen. Im laufenden Jahr soll sie zunächst um 40 Prozent gekürzt werden. Doch dieser Kompromiss reicht dem Bauernverband scheinbar nicht.
Die Landwirt:innen wollen an der massiven Protestwoche ab Montag, den 8. Januar, festhalten. "Ich rechne damit, dass Zehntausende Trecker zu unseren Sternfahrten in ganz Deutschland kommen werden", sagte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, der "Bild"-Zeitung vom Freitag. "Dass damit auch Verkehrsbeeinträchtigungen einhergehen, versteht sich von selbst." Als Höhepunkt der Protestwoche ist für den 15. Januar eine Großdemonstration in Berlin geplant.
Der Bauernverband protestiert weiterhin, weil er die politischen Zugeständnisse als "unzureichend" empfindet, wie Rukwied kritisierte. "Wir fordern die komplette Rücknahme dieser Steuererhöhungen ohne Wenn und Aber", bekräftigte er gegenüber der "Bild". Die Landwirt:innen seien unzufrieden und frustriert, weil sie den Eindruck hätten, "in Deutschland wird Landwirtschaftspolitik aus einer weltfremden, städtischen Blase und gegen die Bauernfamilien und den ländlichen Raum gemacht".
Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU), warnt die Bauern vor überzogenen Aktionen. "Nicht jede Protestform nützt der Sache. Das gilt für Klebeaktionen wie für Traktorensperren", sagte er der "Rheinischen Post". "Wer über die Stränge schlägt, muss mit Konsequenzen rechnen." Die Landwirt:innen dürften die eigenen Interessen nicht über die öffentliche Ordnung stellen.
Am Donnerstag hatten Landwirt:innen die Fähre von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gestürmt, mit der er aus seinem Urlaub zurückkehren wollte. Im Handgemenge musste die Polizei auch Pfefferspray einsetzen. Am Freitag distanzierte sich der Bauernverband jedoch deutlich von der Aktion. Er veröffentlichte auf X ein Statement, in dem der Präsident Blockaden ablehnt und dafür appelliert, friedlich zu demonstrieren. Landwirt:innen seien "keine Klimakleber".
Mit Sorge wird der Protest der Landwirt:innen auch deshalb gesehen, weil sich immer mehr Menschen aus rechtsradikalen Kreisen darunter mischen. Die "Taz" berichtete, dass auf mehreren Bauerndemos gewaltverherrlichende oder rechtsextreme Symbole gezeigt wurden. Etwa die Flagge der völkisch-nationalistischen Landvolkbewegung aus der Weimarer Republik oder Schilder mit dem Logo der Neonazipartei "Heimat" (früher NPD).
Per X distanzierte sich der Bauernverband auch klar von "Schwachköpfen mit Umsturzfantasien und extremen Randgruppen", die versuchten, die Proteste zu "vereinnahmen".
In mehreren Bundesländern haben Landwirt:innen Protestaktionen angemeldet. Was genau man während der Protestwoche geplant ist und welche Folgen die Aktionen haben, ist noch nicht ganz klar. Auf jeden Fall soll es zu Einschränkungen und Staus auf den Straßen kommen, wenn die Traktoren Protestzüge unternehmen.
Gravierende Engpässe bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen wie Fleisch, Gemüse und Obst sind dagegen eher unwahrscheinlich. Davon wären in erster Linie Großhändler und Produzenten betroffen. Doch vorhandene Lagerbestände können die Aktionswoche für abfedern.
Nicht ausgeschlossen ist, dass die Bauern wieder ganz klar deutlich machen, dass die politischen Entscheidungen der Bundesregierung ihnen "stinken": So ist denkbar, dass die Protestierenden wieder Misthaufen auf Straßen drapieren.
(mit Material der dpa)