Erst blieben die Niederschläge wochenlang aus – Italien ächzte unter Hitze, Trockenheit und Wassermangel. Und dann plötzlich kam innerhalb von 36 Stunden die Regenmenge von sechs Monaten herunter, wie der Präsident der Region Emilia-Romagna, Stefan Bonaccini, im italienischen Fernsehen es beschrieb. Das Ausmaß der Verwüstung sei mit dem eines Erdbebens vergleichbar.
21 der 23 Flüsse sind über die Ufer getreten, 36 Städte und Gemeinden wurden überflutet, 48 Lokalverwaltungen meldeten Erdrutsche. 14 Menschen starben aufgrund der Unwetterkatastrophe – bis jetzt. Denn in Emilia-Romagna regnet es wieder, neue Überschwemmungen stehen bevor.
Es ist ein Kampf gegen Naturgewalten – mit ungewissem Ausgang.
Und das Schlimmste: Die Dürre, die Überschwemmungen, die Not – all das könnte erst der Anfang sein.
Einer italienischen Studie des Wissenschaftlers Giovanni Rallo von der Universität Pisa zufolge führt die Klimakrise nämlich zu einer ungleichen, aber konzentrierteren Verteilung der Niederschläge. Die Folge: Schwere Katastrophen in einzelnen Regionen.
Die Erderhitzung führt "langfristig zu weiteren und möglicherweise noch schwereren Extremereignissen dieser Art, wobei insbesondere die Flutereignisse kleinräumig auftreten", sagt Peter Bissolli, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst (DWD), gegenüber watson.
Zwar sei es nicht so einfach möglich, mit Gewissheit zu sagen, inwieweit bestimmte Extremwetter-Ereignisse mit der Erderhitzung zusammenhängen. Schließlich können diese auch ohne die menschengemachte Klimakrise vorkommen. Sogenannte Attributionsstudien allerdings zeigen: Extremwetter-Ereignisse wie Hitzewellen und Starkregen werden aufgrund der Erderhitzung wahrscheinlicher.
Für diese statistischen Analysen nutzen Forschende Klimasimulationen mit speziellen Randbedingungen: Dafür prüfen die Forschenden bei einer Hitzewelle zunächst etwa: Wie heiß war es wirklich? Was genau hat sich ereignet?
Diese Daten werden dann wiederum mit Beobachtungsdaten der vergangenen rund 100 Jahre verglichen. Anschließend folgt die Attribution: Anhand von Klimamodellen bestimmen die Forschenden, wie wahrscheinlich das gemessene Ereignis in der heutigen Welt ist – und wie wahrscheinlich es in einer Welt ohne Erderhitzung gewesen wäre.
"Die Erderhitzung ist ein globales Problem und es sind alle Länder auf der Erde gefährdet", sagt Bissolli. Allerdings habe die Klimakrise auf unterschiedliche geografische Lagen auch unterschiedliche Effekte. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass sich die Temperatur der Meeresoberflächen durch die globale Erderhitzung verändert hat. Bissolli ergänzt:
Die Folge: Weil der Unterschied zwischen Wasser- und Lufttemperatur steigt, nimmt auch die Heftigkeit von Niederschlägen zu. Dieser Effekt ist der Grund dafür, dass Starkregen-Ereignisse künftig, rein vom geografischen Klima her, häufiger im Mittelmeerraum auftreten werden als etwa in Mittel- und Nordeuropa, wie Bissolli erläutert.
Auch heftige Mittelmeerstürme, sogenannte Medicanes, könnten so häufiger und heftiger auftreten. Dabei handelt es sich um einen mediterranen Wirbelsturm mit den Merkmalen eines Tropensturms. So kann ein Medicane, wie auch ein Hurrikan, gefährliche Orkanböen, meterhohe Wellen sowie sintflutartige Regenfälle mit sich bringen.
Aber nicht nur Starkregen-Ereignisse treten häufiger und gravierender auf. "Bei der Dürre tritt noch der Effekt auf, dass sich die Klimazonen von Süd nach Nord verschieben, daher wird es im Mittel in Italien trockener."
Insbesondere Nord-Italien trifft das schwer: Im April vermeldeten die italienischen Behörden einen knapp 50 Zentimeter niedrigeren Wasserstand im Gardasee als normal. Und auch Italiens bedeutendster Fluss Po, eine der Haupt-Wasserstraßen Europas, hat sich über die Jahre in ein Rinnsal verwandelt. Wassermangel ist zur Normalität geworden. Selbst im Winter.
Und das ist hochproblematisch. Denn die Po-Ebene ist eine der wichtigsten Regionen für den Obstanbau. Es wurde sogar über ein Abpumpen des Gardasees gesprochen, um die fruchtbare Po-Region zu retten.
Letztlich behalfen sich Landwirt:innen Berichten zufolge teilweise durch die Nutzung des Wassers anderer Seen, wie etwa dem Iseo-See. Doch viele beginnen, umzudenken. Zu groß erscheint ihnen das Risiko jährlicher Dürren und einem weiter sinkenden Grundwasserspiegel. So konzentrieren sich immer mehr Landwirt:innen auf den Anbau von Pflanzen, die weniger Wasser benötigen – zum Beispiel Sojabohnen.
Einen dauerhaften Lösungsansatz für die Probleme durch die Folgen der Klimakrise aber gibt es noch nicht: Dafür müsste sowohl die Infrastruktur von Grund auf verändert werden als auch der Umgang mit Wassersammlungs- und konservierungssystemen.
Und am wichtigsten: Um die Folgen der Erderhitzung abzuschwächen, müssen die globalen CO2-Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts auf netto Null reduziert werden. Denn nur wenn die Erderhitzung gestoppt wird, werden sich auch ihre Folgen nicht weiter verschlimmern.