
Volle Tüte, günstig eingekauft – aber um welchen Preis?Bild: IMAGO / Michael Gstettenbauer
Analyse
Schön verpackt, billig produziert und bald bei dm: Sheglam, die Beauty-Marke von Shein, soll ab Oktober einen Platz in den Drogerieregalen bekommen. Ein Schritt, der viele junge Käufer:innen begeistert, aber gleichzeitig zentrale Werte des Unternehmens infrage stellt.
15.08.2025, 16:5615.08.2025, 16:56
Beim Drogeriemarkt dm geht es nicht nur um Beauty-Produkte für Haut und Haare, sondern immer auch darum, Haltung zu zeigen.
Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen nicht nur einen Fairtrade Award, sondern auch beim deutschen Nachhaltigkeitspreis gewonnen. Außerdem wurde dm erneut zum beliebtesten Drogeriemarkt gekürt.
Das suggeriert: dm ist nicht nur beliebt, sondern steht auch für Werte wie Nachhaltigkeit und Ethik und bietet Produkte an, die diesen Prinzipien entsprechen. Oder etwa doch nicht?
Ende Juni wurde bekannt, dass dm mit Sheglam, der Tochterfirma des Konzerns Shein, verhandelt. Mittlerweile ist klar: Sheglam wird ab Oktober exklusiv in etwa 1500 dm-Filialen in Deutschland zu finden sein.
Dabei steht Shein, der Mutterkonzern von Sheglam, seit Jahren massiv in der Kritik. Der Konzern wird mit extrem niedrigen Löhnen in Verbindung gebracht. Laut Berichten, unter anderem von BBC, arbeiteten Beschäftigte in sogenannten "Shein-Dörfern" teilweise 75-Stunden-Wochen ohne Arbeitsvertrag, Pausen oder ausreichenden Arbeitsschutz.
Laut Guardian wurden sowohl 2023 als auch 2024 zudem Fälle von Kinderarbeit bei Zulieferern dokumentiert, woraufhin Shein laut eigenen Angaben die Zusammenarbeit mit den betroffenen Fabriken beendet haben soll.
Trotzdem ist die Marke besonders beliebt, wohl vor allem wegen der extrem günstigen Preise der Produkte. Shein bietet T-Shirts schon ab vier Euro an, Fast-Fashion-Konkurrent H&M kann diese Preise nur in speziellen Sales anbieten, schreibt Utopia.de dazu.
Kritik von Expert:innen und Influencer:innen
Beauty-Influencer:innen wie Leon xskincare kritisieren die Entscheidung der Drogerie-Kette. Er sagte in seiner Instagram-Story: "Ich finde es UNVERANTWORTLICH von dm, dass sie Sheglam eine Plattform geben." Als Produktentwickler betont er, dass die Produkte von Sheglam "teilweise ohne Nachweis, woher die Rohstoffe kommen" produziert werden.
Die Sorge: Mit dem Eintritt von Fast-Beauty-Produkten wie Sheglam in den stationären Handel könnten andere Marken unter Druck geraten, ihre Preise zu senken – mit Konsequenzen für Qualität, Transparenz und Ethik.
Die Stimme der Kritiker:innen ist deutlich: Holt dm die Shein-Tochterfirma auf den deutschen Markt, könnte das auch den Wettbewerb innerhalb der Beauty-Industrie gefährden.
Dm verteidigt Entscheidung
Christoph Werner, Chef von dm, hatte sich schon Ende Juni zu den Vorwürfen geäußert und die Entscheidung verteidigt: "Das Wasser findet seinen Weg zum Meer". Ein Satz, der kaum nach moralischer Abwägung klingt.
Auch Sebastian Bayer, Geschäftsführer für Marketing und Beschaffung, betont in einer Stellungnahme gegenüber watson: "Sheglam ist vor allem bei unseren jüngeren Kundinnen eine bekannte und beliebte Marke." Durch die Listung stärke man die Kompetenz, Trends frühzeitig zu erkennen, und mache das Sortiment attraktiver.
Der Punkt "Trend" zieht sich dabei wie ein roter Faden durch die Begründung von dm. Statt auf ethische Standards wird auf Reichweite und Nachfrage verwiesen: Sheglam hat allein auf Tiktok über 9,6 Millionen Follower:innen.
Dm verweist auf "zertifizierte Betriebe" und betont, dass die Produkte regelmäßig von unabhängigen Instituten geprüft würden. Auch das SGS Institut Fresenius (gehört zum Warenprüfkonzern Société Générale de Surveillance) sei aktuell mit einer Qualitätskontrolle von dm beauftragt worden. Ergebnisse sollen Anfang September vorliegen.
Doch Kritiker:innen bemängeln: Die Prüfungen erfolgen nach der Aufnahme ins Sortiment. Der Ablauf – erst die Listung, dann die Kontrolle – wirft Fragen auf. Zudem bleibt unklar, welche Standards konkret gelten, welche Zertifizierungen überprüft werden und wie tief die Einblicke tatsächlich reichen.
Kritik ändert dm-Entscheidung nicht
Auf die öffentliche Kritik angesprochen, betont dm-Geschäftsführer Sebastian Bayer: "Selbstverständlich beschäftigt uns die öffentliche Wahrnehmung." Die Bedürfnisse der Kund:innen stehen bei der Sortimentsgestaltung im Mittelpunkt und diese seien facettenreich.
Doch genau diese Logik aus Trend, Reichweite, Nachfrage ist es, die viele Kritiker:innen stört. Denn statt Nachhaltigkeit oder Fairness wirklich in den Vordergrund zu stellen, orientiert sich die Entscheidung von dm offenbar stark daran, womit sich das Unternehmen die besten Umsätze verspricht.
Die Zusammenarbeit mit Sheglam mag wirtschaftlich sinnvoll sein, für das Markenimage von dm könnte das aber weitreichende Konsequenzen mit sich bringen.
Ein geplanter Vertrag gegen die globale Plastikverschmutzung ist vorerst gescheitert. Von einem Scherbenhaufen wollte in den frühen Morgenstunden in Genf zwar niemand sprechen, doch das Ergebnis nach gut zehn Tagen Abschlussverhandlungen ist dürftig.
Plastik ist überall: Unsere Lebensmittel sind darin verpackt, viele Kinderspielzeuge bestehen noch immer daraus und sogar einige unserer Kleidungsstücke haben einen großen Plastikanteil.