Viel zu oft stoßen Klimaschutzmaßnahmen auf Abwehr. Weil sie den Menschen viel zumuten. Weil sie verlangen, alte Gewohnheiten abzuschütteln – und neue zu implementieren. Weil sie den Menschen einfach übergestülpt werden und sie nicht an der Entwicklung und Planung der Maßnahmen beteiligt werden.
Dass dadurch Frust entsteht, kann auch der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) nachvollziehen. Allerdings ändert dieser Frust nichts an der Tatsache, dass in der Klimapolitik etwas passieren muss. Und zwar schnell. Und effektiv.
Um den Frust der Menschen zu überkommen und Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland zu verwirklichen, hat sich der Nabu Handlungsempfehlungen überlegt. Sie sollen dabei helfen, unsere Konsum- und Lebensgewohnheiten zu verändern und der Klimakrise, dem Artensterben und der Ressourcenübernutzung so den Kampf anzusagen.
"Die Politik verschiebt das Projekt Klimaschutz gern in die Zukunft", sagt Steffi Ober, Teamleiterin für Ökonomie und Forschungspolitik beim Nabu, im Gespräch mit watson. Ob das damit zusammenhängt, dass die Regierung die Risiken der Klimakrise nicht richtig einschätzt, vermag sie nicht zu sagen. Aber: Die Politik wolle den Menschen nicht zu viel zumuten, so viel sei klar. Das Problem an dieser Herangehensweise erläutert Ober wie folgt:
Zuletzt hätten das die Übereinkünfte der Ampel-Regierung im Koalitionsausschuss bewiesen. Dabei sollte der Ampel eigentlich klar sein, dass das Aufschieben von Klimaschutzmaßnahmen nicht länger ohne gravierende Schäden funktionieren kann. Und, dass unter jeglichen Abschwächungen der Schutzmaßnahmen allem voran die jüngere Generation leidet, wie Ober nicht müde wird zu betonen.
Um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen, müsste Deutschland seine Emissionen laut dem Sachverständigenrat für Umweltfragen auf maximal 3,1 Gigatonnen CO2 begrenzen. "Maximal" meint, dass dieses Rest-Budget gerade noch so als kompatibel mit dem Pariser Klimaabkommen gelten kann. Diese Zahl ist also nicht verhandelbar. "Deswegen müssen wir überlegen, wie viel Verzicht, wie viel Veränderung und wie viel Transformation wir uns und zukünftigen Generationen zumuten können", erklärt Ober.
Und das sei deutlich mehr, als die Politik es derzeit tue.
Doch dass Menschen ihr Leben von heute auf morgen ändern, weil die Politik es ihnen vorschreibt, ist leichter gesagt als vermittelt und getan. Das weiß auch der Nabu. Trotzdem sieht Ober Möglichkeiten, die Gesellschaft einzubinden – und so auch von gravierenden Veränderungen zu überzeugen. Sie sagt:
Ober meint damit, dass Bürger:innen erst die Daten und Fakten vermittelt bekommen sollten, um dann in die Entscheidungen und Pläne mit eingebunden werden zu können. "Man darf die Leute nicht einfach vor vollendete Tatsachen setzen, man muss sie mitnehmen."
Und ebenda setzen auch die Handlungsempfehlungen des Nabus ein:
"Natürlich haben die Menschen Angst, sind unsicher und greifen lieber auf das Vertraute zurück – aber diese Angst muss man ihnen nehmen", betont Ober.
Durch gute Kommunikation im ersten, und innovative Reallabore im zweiten Schritt.
Was nach Science Fiction und sterilem Labor klingt, ist vor allem eines: Konstruktiv und nah an den Menschen. Durch die Reallabore begreifen die Menschen, was eigentlich allen klar sein sollte: Klimaschutz ist von den Bürger:innen für die Bürger:innen – und nur so wird er auch von ihnen akzeptiert.
Ein Beispiel dafür, wie ein solches Reallabor aussehen kann, findet man in Karlsruhe, Baden-Württemberg. Dort hat ein Projektteam aus Forschenden des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gemeinsam mit den Bürger:innen das "Reallabor 131: KIT findet Stadt" in Angriff genommen.
Ihr damaliges Ziel: Wie kann man das Leben gemeinsam ökologischer, sozialer, ökonomisch und kulturell nachhaltiger gestalten? Oder anders formuliert: Wie lässt sich der CO₂-Ausstoß verringern, Ressourcen schonen, die Nachbarschaft stärken und die Gesundheit der Menschen im Quartier verbessern?
Dafür haben die Forschenden allen Anwohner:innen des Stadtteils einen Zettel in den Briefkasten geworfen und sie zu einer Versammlung eingeladen. In einem moderierten Prozess haben sie sich über Jahre zusammengesetzt, überlegt und geplant, wie sich der Stadtteil lebenswerter gestalten lässt. "Man hat die Menschen also mit einbezogen und ihnen nicht einfach etwas übergestülpt und zu buddeln angefangen", sagt Steffi Ober.
Jeder Schritt wurde gemeinsam angegangen, jede Entscheidung gemeinsam gefällt – und immerzu wurde geguckt: Was läuft gut, wo muss nachjustiert werden? "Und genau darin liegt auch die Lösung der Transformation."
So haben sich die Bürger:innen und Forschenden etwa auf das Projekt "Beete und Bienen gestürzt. Dafür haben sie gemeinsam im öffentlichen Raum ein Naschbeet mit Kräutern, Obst und Gemüse angelegt sowie eine Klotzbeute als Behausung für Bienen aufgestellt. Das diene nicht nur dem Umwelt- und Ernährungsbewusstsein, sondern auch der Gemeinschaftsbildung. Wie immer in solchen Reallaboren.
Steffi Ober hofft, dass es mit der Zeit immer mehr solcher Projekte geben wird. Denn sie tragen maßgeblich dazu bei, die nachhaltige Entwicklung in Deutschland voranzutreiben. "Das wäre viel sinnvoller, als die Menschen von oben herab zu belehren oder auf reine Kommunikation durch die Wissenschaft zu setzen."