Das Klima – und damit wir – scheinen als große Verlierer aus dem ewig währenden Gipfeltreffen der Ampel-Regierung hervorzugehen. Denn die sogenannte "Fortschritts-Koalition" macht Rückschritte – und wagt es tatsächlich, feste und verbindliche Sektorziele des Klimaschutzgesetzes abzuschaffen.
Auch das Vorhaben eines Verbots von neuen fossilen Heizungen ab 2024 wird aufgeweicht. Beschleunigt werden sollen hingegen 144 Autobahnprojekte. Das geht aus einem Abschlusspapier hervor, das am Dienstagabend unter dem Titel "Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung" veröffentlicht wurde.
Verbände und Opposition kritisieren das Papier teils scharf: "Dass man Hand anlegt an das Bundesklimaschutzgesetz ist unglaublich – damit versündigt man sich an allen künftigen Generationen", sagt Matthias Walter, Mitglied der Bundesgeschäftsführung der Deutschen Umwelthilfe, im Gespräch mit watson. "Das widerspricht komplett dem Geist und Inhalt des Klimaschutzurteils des Verfassungsgerichts."
Aber was bedeutet das für den Klimaschutz und die Einhaltung der Pariser Klimaziele? Und ist die Abänderung eines Gesetzes so einfach möglich?
Dass es der Ampel-Koalition nach zu einer Abschwächung des Klimaschutzgesetzes kommen soll, kommt für Christian Pestalozza wenig überraschend. Er ist Staats- und Verwaltungsrechtler sowie Professor an der Freien Universität Berlin. Gegenüber watson sagt er: "Die Ankündigung findet sich bereits im Koalitionsvertrag von 2021." Bereits damals hatten sich die drei Parteien darauf verständigt, die Einhaltung der Klimaziele anhand einer "sektorübergreifenden und analog zum Pariser Klimaabkommen mehrjährigen Gesamtrechnung" zu überprüfen.
Ob es zu dieser Änderung im Bundesklimaschutzgesetz tatsächlich kommen wird, bleibt noch abzuwarten. Denn dafür muss zunächst noch die Mehrheit der Koalitionsfraktionen im Bundestag zustimmen. Bis möglichst Ende Mai soll alles vom Koalitionsausschuss Beschlossene möglichst durch den Bundestag gebracht werden.
Ob die Änderungen inhaltlich rechtens sein werden, werde man erst dann beurteilen können, wenn genaue Details feststünden, wie Pestalozza zu Bedenken gibt. "Politisch bestürzt mich als Wähler am 'Modernisierungspaket' insgesamt der peinliche Kotau (ein ehrerbietiger Gruß) vor dem kleinsten Koalitionär."
"Darüber lässt sich jetzt nur spekulieren", sagt Staats- und Verwaltungsrechtler Pestalozza. Und ergänzt:
Und selbst vor dem Plan zur Änderung des Klimaschutzgesetzes sei die Bundesregierung hinterhergehinkt. Das sagte Sabine Schlacke, Co-Vorsitzende des Lenkungskreises der Wissenschaftsplattform Klimaschutz der Bundesregierung, in einem Interview mit dem "Spiegel": "Nicht nur Ziele festlegen, sondern sie auch einhalten. [...] Heute denken viele Minister noch von Monat zu Monat oder in Jahresschritten. So sind die Klimaziele bis 2030 aber kaum zu schaffen."
Umweltverbände teilen diese Ansicht. "Wenn diese Änderungen jetzt tatsächlich so kommen würden, dann würden wir weit hinter den Zustand von vor 2019 zurückfallen, als es noch kein Klimaschutzgesetz gab", kritisiert Matthias Walter, Mitglied der Bundesgeschäftsführung der Deutschen Umwelthilfe, gegenüber watson.
Das Gesetz, setzt er nach, wäre eine "massive Verschlechterung" im Vergleich zu dem der Großen Koalition unter Angela Merkel. Er ergänzt weiter:
Beschlossen wurde das Klimaschutzgesetz 2019 von der Großen Koalition aus Union und SPD. Fridays for Future und andere Klimaschützer:innen hatten dagegen geklagt, weil ihnen das Gesetz nicht weit genug ging. Mit Erfolg: Im April 2021 hatte Karlsruhe der Verfassungsbeschwerde in einem historischen Urteil teilweise recht gegeben – die Regierung musste nachbessern.
Doch wird dies nach einer möglichen Abschwächung erneut möglich sein?
"Einzelne Beschwerdeführer müssten geltend machen, dass die Änderungen – oder ein Teil von ihnen – ihre Grundrechte verletzen", erklärt Pestalozza. Verfassungsbeschwerden von Umweltorganisationen dürften allerdings, wie auch schon 2021, kaum zulässig sein, wie der Verwaltungsrechtler ergänzt.
Doch so weit will Matthias Walter von der Deutschen Umwelthilfe noch nicht denken. Zunächst einmal gehe es um politischen Widerstand, denn noch handele es sich lediglich um Beschlüsse, nicht aber um ein Gesetz. Dafür müsste erst noch eine Mehrheit der Abgeordneten zustimmen. Walter sagt:
Die Hoffnung, dass genügend Parlamentarier:innen gegen die Beschlüsse – und somit für das Klima, für uns und künftige Generationen stimmen könnten – hat Walter noch nicht aufgegeben. Sie bleibt. Und dafür will sich der Verband bis zur letzten Minute einsetzen.