watson: Eine entscheidende Frage gleich zu Anfang: Discounter oder Supermarkt?
Thilo Bode: Wenn Sie die Qualität eines Produktes nicht einschätzen können – was im Lebensmittelmarkt meistens der Fall ist – dann lohnt es sich im Zweifelsfall, das billigste Produkt zu kaufen. Und das wäre dann meist im Discounter.
Die Antwort überrascht. Geht man doch davon aus, dass teurere Produkte auch eine besser Qualität haben. Sagt der Preis also nichts über die Qualität aus?
Ein Beispiel: Ich habe kürzlich im Bio-Supermarkt eine Verkäuferin gefragt, ob sie mir erklären kann, warum die Olivenöle unterschiedlich teuer sind. Sie meinte, dass die teureren die bessere Qualität hätten, doch konnte mir den genauen Unterschied nicht erklären.
Das ist Alltag im Supermarkt, weil Verbraucher überhaupt nicht wissen können, was gute Qualität bedeutet. Deswegen plädiere ich im Normalfall für den Discounter.
Worauf sollte man stattdessen achten?
Man kann natürlich versuchen, im Internet zu recherchieren, welche Oliven die Firmen nutzen. Aber das ist aussichtslos. Wir wissen aus Ökotest-Berichten, dass teure Olivenöle oft stark mit Pestiziden belastet sind. Also können Sie einfach das günstige Öl kaufen und gucken, ob es Ihnen schmeckt und dann hoffen, dass es sauber ist. Das ist die katastrophale Botschaft, die ich Ihnen mitgeben kann.
Macht unser Essen uns zwangsläufig krank?
Nein. Wenn Sie aus dem Discounter wieder rauskommen, fallen Sie nicht tot um. Allerdings sind Lebensmittel Vertrauensgüter, bei denen Täuschungsschutz und vorsorglicher Gesundheitsschutz absolut erforderlich sind. Schlechtes Öl, das Ihrer Gesundheit schadet, können Sie ja nicht, wie einen Computer, einfach zurückgeben. Diese strengen Erfordernisse werden aber nur deshalb nicht eingehalten, weil der Verbraucher die Qualität eben nicht selbst nachprüfen kann. Sie können schlecht nach Griechenland fahren und gucken, wer da wie und welche Oliven anbaut und was da sonst noch für die Herstellung verwendet wird.
In Ihrem Buch "Der Supermarkt-Kompass" zeigen Sie noch andere falsche Annahmen auf, die wir beim Einkaufen haben. Auf welche Tricks sollten wir nicht reinfallen?
Ich störe mich an dem Wort "Tricks", denn das ist alles gesetzlich erlaubt und politisch gewollt. Trotzdem gibt es beim Inhalt der Produkte krasse Lügen: Zum Beispiel die vermeintlich tolle Heu-Milch. Verbraucher denken, die Kühe wurden nur mit Heu und Gras gefüttert. Das stimmt nicht, denn gesetzlich ist es erlaubt, dass auch Getreide als Kraftfutter zugefüttert wird.
Gibt es weitere Beispiele?
Ähnlich irreführend ist die Herkunftsangabe von verarbeiteten Produkten, wie Konfitüren. Bei Konfitüren, auch in Bio, muss der Ursprung der Erdbeeren nicht draufstehen. Die können aus wasserarmen Gebieten wie Marokko stammen, wo die wasserintensive Produktion massiv die Umwelt schädigt.
Und wie sieht es beim Fleisch aus?
Beim Fleisch sind die Menschen mittlerweile etwas sensibler, weil sie wollen, dass die Tiere gut behandelt werden. Aber wie es den Tieren geht, bekommen Sie auch nicht raus, weil es keinen staatlich vorgeschriebenen Gesundheitsschutz für Tiere gibt.
Wir haben in Deutschland und in Europa sowohl beim konventionellen als auch beim Bio-Fleisch einen gleichbleibend hohen Anteil von Tieren, die unter schmerzhaften Krankheiten leiden. Zum Beispiel haben 90 Prozent aller Legehennen ein gebrochenes Brustbein oder Gelenke, weil der meiste Kalk im Futter, das die Tiere für den Knochenbau benötigen, in die Eierschalen geht. Dadurch werden die Knochen so schwach, dass sie brechen. Für die Tierhalter ist es billiger, die Tiere nicht zu behandeln, da sie sowieso nur 20 Monate leben, weil es auf Hochleistung gezüchtete Rassen sind.
So viel also zur Herkunft und Wirklichkeit unseres Fleisches. Und dann kommen ja noch gesundheitlich bedenkliche Zusatzstoffe dazu.
Welche meinen Sie da konkret?
Manche Konservierungs- und Farbstoffe, die in Fleisch- und Wurstwaren eingesetzt werden, stehen in Verdacht, krebserregend zu sein. Zum Beispiel E250 oder Natriumnitrit, das auch Bio-Verbände einsetzen. Das ist nach wie vor gesetzlich erlaubt. Mittlerweile gibt es 380 zugelassene Zusatzstoffe. Darunter zahlreiche, die gegen den vorsorgenden Gesundheitsschutz verstoßen. Das ist ungeheuerlich!
Nun sind in den letzten Jahren zahlreiche vegane Alternativen auf den Markt gekommen. Das ist doch eine positive Entwicklung oder nicht?
Das ist nach wie vor eine winzige Nische. Der Umsatz veganer Produkte ist zwar in den letzten Jahren prozentual stark gestiegen, aber der Anteil von pflanzlichen Fleischersatzprodukten am gesamten Fleischmarkt beträgt immer noch weniger als einen Prozent. Auch Bio wird als Hype bezeichnet, hat aber nur einen Marktanteil von sieben Prozent und bei Fleisch nur ein bis drei Prozent. Und dann stellt sich ja noch die Frage nach der Qualität der veganen Produkte.
Und die ist nicht gut?
Sie haben die Garantie, dass Sie keine tierischen Inhaltsstoffe essen. Denken Sie aber bitte nicht, dass Sie durch eine vegane Ernährung automatisch gesund leben. Denn vegane Lebensmittel sind zum Teil hoch verarbeitete Produkte, gesundheitlich unausgewogen und enthalten viele Zusatzstoffe. Sie können zu süß, zu fett, zu salzig sein – und damit einfach ungesund. Die täuschenden Kennzeichnungsvorschriften sind die gleichen wie bei nicht-veganen Produkten. Eine für die Hersteller verbindliche Nährwertampel, den Nutri-Score, gibt es bei diesen Produkten nicht.
Es gibt das Sprichwort "Du bist, was du isst." Nach der Lektüre Ihres Buches kann man nur schwer schlucken und sagen: "Vermutlich also nichts Gutes."
Für mich ist dieser Satz Quatsch – was ich esse, sagt doch nicht aus, wer oder was ich bin. Zudem haben Menschen ja keine Chance, die unerträglichen Zustände im Lebensmittelmarkt durch ihren Einkauf zu ändern. Also gibt es keine Möglichkeit, diesem Teufelskreis zu entfliehen. Als Verbraucher will man das nur ungern hören, aber wir haben es hier mit einem Versagen der Politik und des Staates zu tun, die verpflichtet sind, uns zu schützen. Das geschieht aber nicht.
Und dagegen sind wir absolut machtlos?
Sie können Ihr Brot selbst backen und Ihr Gemüse im Garten anpflanzen, mehr aber auch nicht. 80 Millionen Menschen in Deutschland und 450 Millionen in der EU haben ein Recht darauf, zu wissen, was sie essen. Dass wir dieses Recht nicht besitzen, ist ein Angriff auf unser Grundrecht auf ein gesundes Leben. Und das dürfen wir uns als Bürger einfach nicht gefallen lassen. Eine Sache ist mir aber doch noch wichtig.
Welche denn?
Wir Verbraucher dürfen kein schlechtes Gewissen haben, weil wir nicht "richtig" einkaufen. Das ist keine gute Grundlage, um dieses Problem anzugehen. Es muss uns vielmehr wütend machen, dass wir uns das alles gefallen lassen müssen. Und je mehr Menschen gegenüber den Politikern ihrem Unmut und Ihrer Wut Luft lassen, und sich vielleicht auch noch politisch engagieren, desto größer ist die Chance, dass sich etwas zum Besseren verändert.