Kaum ist die Gebietsübernahme von RWE in Lützerath vorbei, droht die nächste Räumung an einem anderen Standort in Deutschland. Es geht um den Streit um den Fechenheimer Wald bei Frankfurt.
Noch am Dienstag hatte der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) entschieden, dass das betreffende 2,2 Hektar große Waldstück gerodet werden darf, um Platz für den Autobahnausbau der A66 zu machen. Dafür sollen rund 1000 Bäume gefällt werden, der Untergrund umgegraben und der Boden betoniert werden. Die Kosten werden derzeit auf 600 Millionen Euro geschätzt.
Zuvor hatte ein Klimaaktivist, der in einem der Baumhäuser im Fechenheimer Wald wohnt, noch vergeblich versucht, seine Rechte auf Unverletzlichkeit der Wohnung beim Frankfurter Verwaltungsgericht geltend zu machen. Auch einen Eilantrag der Naturfreunde Deutschlands auf einen Aufschub lehnte das VGH ab und sperrte nun den Zugang zum Waldstück für unbefugte Personen.
Bereits seit den 80er-Jahren ist der Weiterbau der A66 und ihr Anschluss an die A661 mit dem geplanten Tunnel in Frankfurt ein Dauerthema. Das Autobahnprojekt soll die Autobahnen 66 und 661 im Frankfurter Osten mit dem Riederwaldtunnel verbinden. Bislang endet die A66 aus Richtung Fulda kommend gut zwei Kilometer vor der A661. Der Verkehr fließt daher nach Angaben der Autobahn GmbH West durch den Osten der Stadt und führt zu häufigen Staus, Lärm und Luftverschmutzung.
Hier soll der Tunnel Entlastung schaffen.
Doch die Pläne für das Bauvorhaben basieren auf einem älteren Planfeststellungsbeschluss von 2007. Seitdem gab es keine neuen Bewertungen für das betreffende Gelände, auf dem laut Information der Grünen Jugend Frankfurt klimaresiliente Baumsorten stehen.
Trotzdem begannen am Mittwoch die Räumungsarbeiten des Gebiets, das etwa der Größe von drei Fußballfeldern entspricht.
Am Mittwoch forderte das Polizeipräsidium Frankfurt die rund 20 Klimaaktivist:innen, die in dem Waldstück teilweise in Baumhäusern leben, auf, dieses zu verlassen. Dann begannen sie, das Gelände einzuzäunen und zu räumen.
"Ein nächster Wald wird in Frankfurt geräumt. Das ist wie Avatar im echten Leben – der deutsche Staat baut eine Autobahn", kommentierten Klimaaktivist:innen von "FecherBleibt" das Vorrücken der Polizei am Mittwoch. Sie verlangen, auf den Bau der 2,2 Kilometer langen Verbindung zwischen den Autobahnen A66 und A661 zu verzichten.
Auch die Grüne Jugend Hessen hält nichts von einer Rodung des Waldgebiets. "Es ist fragwürdig, wie der Neubau einer Autobahnstrecke in Zeiten der Klimakrise argumentiert werden kann", sagte Lily Sondermann, Sprecherin der Grünen Jugend Hessen. "Statt hunderte Millionen Euro in den klimaschädlichen Individualverkehr zu stecken, müssen endlich Investitionsstaus im Schienenverkehr abgebaut werden, um den Bürger*innen einen starken und verlässlichen öffentlichen Nahverkehr zu bieten."
Das Hauptargument der Pro-Autobahnkoalition lautet, den Verkehrsknotenpunkt Frankfurt mobiler zu machen und damit auch die Emissionen durch Staus zu senken.
Thomas Norgall, Naturschutzreferent vom BUND Hessen, widerspricht diesem Argument:
Dass Verfahren wie dieses durchgedrückt würden, läge ihm zufolge an einem alten Strukturproblem: "Die politische Verantwortung für Autobahnen liegt beim Bundesverkehrsminister. Solange der sagt 'Was ich vorhabe zu bauen, baue ich' kommt man lokal immer zu Interessensproblemen. Unser größtes Problem ist, dass sich nichts auf Bundesebene verändert."
Entgegen neuester wissenschaftlicher Erkenntnissen an dieser Politik festzuhalten, sei ein Fehler: "Wir müssen möglichst schnell weg von dieser Idee, dass man Mobilität mit einem Ausbau von Autobahnen realisiert."
Doch wie aussichtsreich sind die Proteste von Klimaaktivist:innen noch, wenn ein Wald nach dem anderen fällt?
"Es ist gut, dass die Klimaaktivisten auch weiterhin den Finger in die Wunde legen", meint Norgall. "Würden sie es nicht machen, würde niemand mehr auf die extrem klimaschädliche Verkehrspolitik, die in Deutschland weiter gemacht wird, aufmerksam werden."
Denn in sehr vielen Fällen gebe es entgegen der öffentlichen Wirkung noch Aussichten auf einen erfolgreichen Stopp von Fäll- oder Räumungsarbeiten. Norgall erklärt:
Denn erst in dem Moment, wenn die Gerichte ihre letzte Entscheidung gesprochen hätten, sei es auch wirklich zu Ende.
Erst dann würden Räumungen rechtens vollzogen.
Dieses Vorgehen war etwa beim Hambacher Forst erfolgreich, wie Norgall erzählt: "Hier hat dann das Oberverwaltungsgericht Münster den weiteren Rodungsabsichten einen Riegel vorgeschoben, weil die Klage des BUND in Nordrhein-Westfalen noch nicht entschieden war."
Für den Fall, dass eine Klage gegen Rodungen noch nicht bis zur letzten Instanz vorgedrungen ist, bleibe also noch Hoffnung: "Verfahren, die politisch und juristisch noch nicht entschieden sind, bieten bessere Chancen, die Umweltzerstörungen zu verhindern. Sodass die Klimaschützer*innen am Ende auch auf der Gewinnerseite stehen."
(Mit Material der dpa)