Nachhaltigkeit
Analyse

Fischsterben in der Oder: Warum sich die Katastrophe wiederholen könnte

05.06.2023, Brandenburg, Criewen: Steffi Lemke (l-r, Grüne), Bundesumweltministerin, Till Backhaus (SPD), Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern, Axel Vogel (Grüne), Umweltminister von Brandenburg  ...
Bundesumweltministerin Steffi Lemke misst den Salzgehalt in der Oder. Bild: dpa / Patrick Pleul
Analyse

Fischsterben in der Oder: Warum sich die Katastrophe wiederholen könnte

08.06.2023, 19:24
Mehr «Nachhaltigkeit»

Das massenhafte Fischsterben in der Oder ist jetzt bald ein Jahr her. Mehrere hundert Tonnen toter Fische und anderer Lebewesen waren damals aus der 866 Kilometer langen Oder geborgen worden. Und auch jetzt noch gilt das Ökosystem als schwer geschädigt.

Ursache des Fischsterbens waren bisherigen Erkenntnissen zufolge Salzeinleitungen auf polnischer Seite in Verbindung mit hohen Temperaturen, einem niedrigen Wasserstand und Nährstoffeinleitungen aus der Landwirtschaft. Ein weiteres Problem stellte auch der Ausbau der Oder dar. Oder einfacher gesagt: Schuld an der Katastrophe waren wir Menschen.

Bei einer Konferenz zum Schutz der Oder im brandenburgischen Schwedt hatte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) daher dazu aufgerufen, mehr gegen Salzeinleitungen in den Fluss zu unternehmen.

06.06.2023, Brandenburg, Schwedt: Steffi Lemke (Grüne), Bundesumweltministerin, spricht auf der Oder-Konferenz. Im vergangenen Sommer war es in der Oder zu einem massenhaften Fischsterben gekommen. Ex ...
Bundesumweltministerin Steffi Lemke warnt davor, dass sich die Katastrophe in der Oder wiederholen könnte.Bild: dpa / Patrick Pleul

In ihrer Rede auf der Konferenz sagte Lemke:

"Wir müssen alles tun, damit sich eine solche Katastrophe nicht wiederholt."

Doch schon jetzt mehren sich erste Warnzeichen – der Salzgehalt der Oder ist hoch. Und auch die Temperaturen werden zum Sommer hin erneut steigen.

Neu: dein Watson-Update
Jetzt nur auf Instagram: dein watson-Update! Hier findest du unseren Broadcast-Channel, in dem wir dich mit den watson-Highlights versorgen. Und zwar nur einmal pro Tag – kein Spam und kein Blabla, versprochen! Probiert es jetzt aus. Und folgt uns natürlich gerne hier auch auf Instagram.

Kann sich das Fischsterben in der Oder wiederholen?

"Wenn wir wieder wenig Wasser in der Oder haben, das Wasser also teilweise steht, und dazu der hohe Salzgehalt auftritt, dann ist die Tür wieder offen für dieses Problem", sagt Karsten Rinke, Leiter der Abteilung Seenforschung beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Magdeburg gegenüber watson.

"Die Probleme unserer Gewässer sind ausschließlich menschengemacht."
Leiter der Abteilung Seenforschung beim UFZ, Karsten Rinke

Ob uns eine solche Katastrophe in diesem Sommer erneut erwarten könnte, lässt sich dem Experten zufolge aber nicht verlässlich vorhersagen. Generell sei dies bei aquatischen Ökosystemen schwieriger als etwa bei Wäldern oder Graslandschaften, da Gewässer wesentlich dynamischer seien.

Er erklärt, dass sich Fließgewässer wie die Oder weit schneller erholen, als es etwa bei Seen der Fall ist. Das hängt vor allem mit dem Wasseraustausch zusammen. Rinke sagt:

"Entscheidend bei der Oder ist deshalb weniger die Vorbelastung aus dem vergangenen Jahr, sondern vielmehr die Frage, ob dieses Jahr wieder die multiplen Stressoren zusammenkommen."

Kernproblem eines kippenden Gewässers ist Rinke zufolge ein zu hoher Nährstoffgehalt. Die Folge: Es kommt zu einem verstärkten Algenwachstum – und damit zum Sauerstoffschwund. Allerdings kämen zumeist mehrere Stressoren zusammen: neben dem zu hohen Nährstoffgehalt auch der zu hohe Salzgehalt, Schadstoffe aus dem Abwasser sowie die Einwanderung neuer Arten und der gleichzeitige Verlust etablierter Arten.

ARCHIV - 11.08.2022, Brandenburg, Brieskow-Finkenheerd: Ein verendeter Döbel und andere tote Fische schwimmen in der Oder bei Brieskow-Finkenheerd. In der Oder war es zu einem massiven Fischsterben ge ...
Im vergangenen Jahr verendeten Hunderte Tonnen Fisch in der Oder. Bild: dpa / Frank Hammerschmidt

Und wie bei fast allen geschwächten Ökosystemen spielen auch die Folgen der Klimakrise eine wesentliche Rolle beim Kippen von Gewässern: Denn Hitzestress und geringe Wasserstände schwächen das Ökosystem zusätzlich.

Fischsterben in der Oder wäre ohne Menschen nicht passiert

"Die Probleme unserer Gewässer sind ausschließlich menschengemacht", betont Rinke. "Ohne die Nährstoffe und den Salzgehalt wäre die Alge nicht in der Oder aufgetreten, erst recht nicht in dieser wirklich außergewöhnlich hohen Konzentration." Und auch die klimatischen Änderungen habe der Mensch verursacht. Dazu kämen noch die Einflüsse auf die Gewässer durch Kläranlagen, Landwirtschaft und Bergbau – "all diese Aktivitäten wirken auf unsere Gewässer".

Deswegen sei es so wichtig, die Umwelt proaktiv zu schützen. Wie auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke pocht Rinke darauf, insbesondere im Sommer die Einleitung hoher Salzfrachten zu unterbinden.

05.06.2023, Brandenburg, Criewen: Steffi Lemke (l-r, Grüne), Bundesumweltministerin, Till Backhaus (SPD), Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern, Axel Vogel (Grüne), Umweltminister von Brandenburg  ...
Bundesumweltministerin Steffi Lemke will verhindern, dass sich das Fischsterben in der Oder wiederholt. Bild: dpa / Patrick Pleul

Doch bislang funktioniert die Kooperation nur schleppend. "Die Zusammenarbeit ist teilweise schwierig, sie ist teilweise zäh, weil es eben unterschiedliche Ansichten gibt", erklärte Lemke am Dienstag im Inforadio des Senders RBB.

Insbesondere, weil etwas gegen die Salzeinleitungen und den Ausbau der Oder unternommen werden müsste. Dafür müsse ein deutsch-polnisches Regierungsabkommen von 2015 geprüft werden – auf deutscher Seite. "Und in Polen haben wir die Situation, dass ja dort sogar das Gericht einen Ausbaustopp verhängt hat für den Moment, der aber von den polnischen Behörden ignoriert wird, und das ist natürlich etwas, was mich mit großer Sorge und auch Unverständnis erfüllt", ergänzte Lemke.

Kann es auch in anderen Flüssen zum veehrenden Fischsterben kommen?

Schon 2018 erklärte die Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen, dass es nur 6,6 Prozent der deutschen Flüsse nach ökologischen Kriterien gut gehe. In 93 Prozent der Fließgewässer leben nicht mehr die Gemeinschaften aus Fischen, Pflanzen und Kleintieren, die man dort eigentlich vorfinden müsste.

Das macht die Flüsse anfälliger.

"Die Elbe und auch der Rhein haben ebenfalls sehr hohe Nährstoffgehalte, die Elbe auch sehr hohe Algenmengen", erläutert auch Gewässer-Experte Karsten Rinke. Der Salzgehalt sei aber in beiden Flüssen bei Weitem nicht so hoch wie in der Oder.

Werra bridge in Vacha, Wartburgkreis, Thuringia, Germany. (Photo by: Bildagentur-online/Universal Images Group via Getty Images)
Die Werra weist einen ähnlich hohen Salzgehalt auf wie die Oder.Bild: Universal Images Group Editorial / Bildagentur-online

Einen Fluss, der einen ähnlich hohen Salzgehalt wie die Oder aufweist, gibt es dem Experten zufolge aber dennoch: die Werra – der rechte, östliche der beiden Hauptquellflüsse der Weser. Noch aber gibt es keine Anzeichen darauf, dass auch die Werra kippen könnte: "Dort sind die Algen bisher noch nicht in Erscheinung getreten."

(Mit Material der dpa)

Tesla und der China-Fluch: Elon Musk hat sich in eine fatale Abhängigkeit manövriert

Als vor rund vier Jahren in der Tesla-Fabrik in Shanghai die ersten Autos vom Band rollten, legte Elon Musk einen Freudentanz aufs Parkett. Sein kapitalistischer Traum ging ausgerechnet im kommunistischen China in Erfüllung: Arbeiter, die klaglos rund um die Uhr schufteten, Behörden, die sämtliche Wünsche des Unternehmens erfüllten und ein Netz von Zulieferern, das keine Wünsche offen ließ.

Zur Story