Lucie, 24 Jahre alt, macht eine Ausbildung zur Garten- und Landschaftsbauerin, erst kürzlich ist sie ins zweite Lehrjahr gekommen. Als sie vor einem Jahr mit der Ausbildung begonnen hat, fällt ihr schnell auf, was fehlt: Das Bewusstsein der Berufsschulen und Betriebe für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Das will sie ändern, unbedingt. Gemeinsam mit einer weiteren Auszubildenden ruft sie "Azubis4Future" ins Leben – das Pendant von Fridays for Future für Auszubildende.
Im Gespräch mit watson berichtet sie, warum es so wichtig ist, dass sich auch Unternehmen und Berufsschulen nachhaltig aufstellen. Und weshalb die Organisation noch immer recht unbekannt ist. Ein Protokoll.
"Im September 2021, als ich mit meiner Ausbildung angefangen habe, habe ich Azubis4Future als Mit-Initiatorin ins Leben gerufen. Und damit hat die eigentliche Arbeit erst so richtig angefangen – denn jetzt geht es vor allem darum, sich zu vernetzen und im Background Arbeit zu leisten, um bekannter zu werden. Wir haben nämlich einfach noch nicht die Reichweite, die wir brauchen, um wirklich etwas bewegen zu können.
Das ist aber absolut notwendig, um die Nachhaltigkeit sowohl in den Berufsschulen als auch in den Betrieben selbst zum Thema zu machen. Wir Auszubildenden sind immerhin die Arbeiter:innen-Generation von morgen. Und deswegen müssen wir mitentscheiden können. Eine Transformation kann ja nur stattfinden, wenn jetzt Veränderungen eingeführt werden.
Deswegen muss das Thema Nachhaltigkeit auch in den Berufsschulen verankert werden – wir müssen ja heute schon lernen, was für die Zukunft wichtig ist. Und wenn uns das in der Berufsschule nicht beigebracht wird, können wir das auch in den Betrieben nicht umsetzen – das ist ein Teufelskreis, den wir durchbrechen wollen.
Bei den Berufsschulen und vor allem den Lehrer:innen, mit denen wir im Austausch sind, finden wir schon Anklang. Aber eine Schlüsselrolle dabei spielt die Politik: Wenn die Ausbildungsrahmenpläne nicht geändert werden, dann sind den Lehrer:innen ja auch ein Stück weit die Hände gebunden. Ansonsten müssten sie sich, neben ihrer ganzen Arbeit, die sie ohnehin schon haben, freiwillig noch mit dem Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit auseinandersetzen.
Bei meiner Berufsschule läuft das schon ganz gut, allerdings bin ich auch an einem Oberstufenzentrum für Natur und Umwelt – das ist in Berlin die Schule schlechthin in Sachen grüne Zukunft. Und selbst hier machen die Lehrer:innen das teilweise auf Freiwilligenbasis, um das Wissen dann an uns weiterzugeben.
Es ist jetzt nicht so, dass das Wort 'Nachhaltigkeit' überhaupt nicht in den Ausbildungsrahmenplänen vorkommt, das tut es nämlich schon. Aber im Endeffekt bleibt es dann vielleicht bei einem Unterrichtsblock, dabei muss das Thema ja in den kompletten Alltag integriert werden.
Um das zu erreichen, haben wir Forderungen aufgestellt, in denen wir unter anderem fordern, dass wir eine Stunde die Woche freibekommen, um an unserem Plenum teilzunehmen. Es gibt ja ganz viele Auszubildende, die sich ehrenamtlich engagieren – und wenn das aufgrund der wenigen freien Zeit, die wir haben, auf der Strecke bleibt, finde ich das schon sehr, sehr schade. Auch bei mir selbst.
Ich engagiere mich mittlerweile seit vier Jahren für mehr Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit, wie eigentlich alle, die jetzt bei den Azubis4Future sind. Ansonsten bin ich aber eher radikaler unterwegs, wie zum Beispiel bei Extinction Rebellion oder Ende Gelände. Bei Aktionen von Ende Gelände bin ich am Wochenende auch immer mal noch dabei, aber bei Extinction Rebellion bin ich komplett raus. Das schaffe ich zeitlich einfach nicht mehr. Mein Fokus liegt derzeit auf jeden Fall bei den Azubis4Future.
Denn das kostet schon einiges an Zeit. Momentan sind wir viel in Gesprächen und im Austausch mit den Gewerkschaften und Betrieben. Für Unternehmen, die sich für Nachhaltigkeit interessieren, haben wir auch schon Workshops gegeben. Was wir denen aber vor allem immer nahelegen, ist, dass sie sich mit den Azubis zusammensetzen und einen Raum eröffnen, in dem sie sich über Nachhaltigkeit austauschen können.
Die Jüngeren haben ja doch immer eine ganz andere Perspektive und wenn es die Möglichkeit gibt, Ideen auszutauschen, wie der Betrieb nachhaltiger werden könnte, dann ist beiden Seiten geholfen.
Zumal das Thema für unsere und nachfolgende Generationen eine große Rolle spielt, auch bei der Berufs- und Ausbildungswahl. Das hören wir viel. Wir haben deswegen auch schon überlegt, ein Betriebs-Ranking von Azubis für Azubis zu starten, wo die Auszubildenden bewerten können, wie nachhaltig ihr Betrieb ist.
Dazu muss man aber sagen, dass Nachhaltigkeit für uns nicht nur mit dem Klimaschutz zusammenhängt. Wir haben bei Azubis4Future auch einen starken sozialen Fokus – das heißt, wir kämpfen unter anderem auch für faire Löhne und faire Arbeitsbedingungen. Wenn ein Unternehmen im Gesamtbild nachhaltig ist, setzt es ja auch einen Anreiz für zukünftige Auszubildende, sich dort zu bewerben und arbeiten zu wollen.
Anders als bei den Studierenden und Schüler:innen ist es bei uns aber nicht so einfach, am Freitag zu schwänzen und zu den Demos von Fridays for Future zu gehen. Wir müssen ja arbeiten. Und würden wir freitags auf die Straße gehen und einfach nicht kommen, würde uns eine Abmahnung und dann eine Kündigung drohen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir auf andere Art und Weise in unseren Branchen auf Nachhaltigkeit aufmerksam machen.
Wir wollen nicht nur fordern, wir wollen gemeinsam mit den Betrieben Lösungen finden. Und ich glaube, dass uns das gelingen wird. Allein im letzten Jahr haben wir schon echt viel erreicht und uns viel Gehör verschafft. Wir müssen jetzt weiter Druck machen und das Thema Nachhaltigkeit richtig implementieren, damit es auch in den Betrieben und Berufsschulen in den Fokus genommen wird. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Punkt."