Mindestens 150 Menschenleben haben die verheerenden Unwetter in Spanien gefordert. Besonders schlimm ist die Lage in der auch bei Urlauber:innen beliebten Region Valencia. Viele Personen werden noch vermisst. Die Überflutungen haben zahlreiche Menschen kalt erwischt: auf der Arbeit, in ihren Autos, auf den Straßen.
Die Schriftstellerin Patricia Huertas aus dem Ort Xirivella in Valencia hatte Glück. Ihre Firma hat alle Angestellten nach Hause geschickt, berichtet sie gegenüber watson. Patricia weiß: Es hätte auch anders ausgehen können.
Patricia ist nicht nur Schriftstellerin, sie arbeitet auch in einer Versicherungsgesellschaft. "Wenn meine Firma uns nicht gesagt hätte, dass wir schließen sollen, wäre ich von der Flut überrascht worden und hätte nicht nach Hause kommen können", sagt sie.
Denn um von ihrer Arbeitsstelle nach Hause zu kommen, muss sie eine Brücke überqueren, auf die A3 von Valencia Richtung Madrid. Während des Unwetters waren dann aber auch die Flüsse über die Ufer getreten.
Viele andere hatten weniger Glück als Patricia. Sie wurden auf dem Heimweg von den Wassermassen überrascht. Die Erlebnisse beschäftigen Patricia.
"Ich weiß nicht, warum meine Firma uns um 14 Uhr nachmittags aufforderte, zu schließen und nach Hause zu gehen, während die anderen das nicht taten", sagt sie. "Ich frage mich seit Dienstag, warum meine Firma uns gewarnt und geschützt hat und die anderen nicht, obwohl wir alle die gleichen Informationen hatten."
Einige Schulen in der Region Valencia reagierten angesichts der Wetterlage sogar schon am Montagabend. Sie kündigten an, den Unterricht am nächsten Tag auszusetzen, berichtet Patricia.
Die Schule ihres Sohnes war zwar geöffnet. Doch um zur Schule zu kommen, hätte er erst den Bus nach Valencia und dort dann die Metro nehmen müssen. 40 Minuten Fahrtweg. Der 17-Jährige beschloss, nicht hinzugehen. Vorsichtshalber.
Jetzt, kurz nach der Katastrophe, wird das gesamte Ausmaß der Zerstörung langsam sichtbar. Betroffene fühlen sich offenbar im Stich gelassen. Der staatliche Fernsehsender RTVE zeigt etwa einen Mann aus Sedaví, der unter Tränen berichtet, man hätte die Leute vor Ort vergessen. Sie bräuchten Kleidung und Essen sowie Schaufeln, um die Erdmassen selbst wegschaufeln zu können.
"Im Moment herrscht in der Bevölkerung eine ähnliche Angst wie während der Pandemie", schildert Patricia die Situation. Und die treibt viele Menschen in die Supermärkte, weil sie Angst vor knapper werdenden Lebensmitteln und vor allem Wasser hätten. Auf Nachfrage bestätigt sie auch: "Leider gibt es Plünderungen und Raubüberfälle in Supermärkten."
Das alltägliche Leben sei unterbrochen; Geschäfte ohne Strom, in den Häusern kein Wasser, schildert Patricia die aktuelle Lage der Bevölkerung. Viele Menschen müssen nun selber anpacken. Am Mittwoch hätten Einwohner:innen in Xirivella ihre Sachen in den Müll werfen müssen. Darunter Möbel, Betten und Kinderbetten. Und sie hätten ihre Häuser, so gut es eben geht, vom Schlamm befreit.
Derweil rückt in Spanien die Frage nach der Verantwortung in den Vordergrund. Ist die Bevölkerung vor den drohenden Wassermassen durch die starken Regenfälle zu spät gewarnt worden? Der Regierungschef der am meisten betroffenen Region Valencia, Carlos Mazón, weist dies zurück. Erste Warnungen seien bereits am Sonntag ausgesprochen worden und die Verantwortlichen hätten sich strikt an die Protokolle des Zivilschutzes gehalten.
Weder die spanische Regierung noch die lokale in Valencia die höchste Warnstufe aus – beide wären dazu in der Lage gewesen.
Erst am Dienstag gegen 20.20 Uhr informierte die Regionalregierung die Bevölkerung über ein SMS-Warnsystem, rund eine halbe Stunde später wurde die Hilfe des Militärs angefordert, berichtet "El Pais". Für viele Betroffene kamen sowohl die Warnung als auch die Hilfe zu spät.