Seit Tagen warnen Meteorolog:innen vor einer extremen Wetterlage – nun ist sie da: Nachdem am Montag kalte Polarluft nach Deutschland geströmt ist, folgt an diesem Mittwoch mildere Luft aus dem Südwesten. Die Folge: Es kommt zu einer ausgeprägten Luftmassengrenze mit fatalen Folgen.
Der massive Eisregen, der ganze Landstriche Deutschlands lahmlegt, sorgt für Verkehrschaos: Unfälle auf spiegelglatten Straßen, Flugausfälle und auch die Bahn müht sich auf den Schienen nur ab. Doch das ist nicht die einzige Gefahr, die das eiskalte Wetter mit sich bringt: Es drohen Stromausfälle, sogar ein Blackout, weil Stromleitungen durch Eisanlagerungen beschädigt werden können.
Bereits am Montagmorgen sorgte eine Meldung in Baden-Württemberg für Unruhe: Der Netzbetreiber TransnetBW rief die Einwohner:innen zum Stromsparen auf. Zwischen 6 und 14 Uhr solle man möglichst wenig Strom verbrauchen – um das Netz nicht zu überlasten. Dass der Netzbetreiber auf seine Website zudem ein Q&A mit dem Titel "Droht in Deutschland ein Blackout?" stellte, trug nicht gerade zur Beruhigung bei.
Aber wie wahrscheinlich ist ein Blackout wirklich? Und gibt es Möglichkeiten, das Risiko zu minimieren? Watson hat bei einem Experten nachgefragt.
"Bei großräumigen Extremwetterereignissen besteht grundsätzlich immer die Gefahr, dass es auch zu größeren und großflächigen Ausfällen von Infrastrukturen und damit der Versorgung kommen kann", sagt Herbert Saurugg auf Anfrage von watson. Er ist internationaler Blackout- und Krisenvorsorgeexperte.
Damit es tatsächlich zu einem Blackout kommt, müssten ihm zufolge mehrere Faktoren zusammenkommen, wie beispielsweise 2005 im Münsterland: Damals hatten Eisregen und spröder Stahl zum Zusammenbruch von über 80 Hochspannungsleitungen geführt.
2014 hatte ebenfalls großflächiger Eisregen zu massiven Strom- und Infrastrukturausfällen in Slowenien geführt. Um die wochenlangen Stromausfälle zu bewältigen, gab es eine internationale Hilfsaktion aus zehn Ländern. Aufgrund der bestehenden Gefahr rät Saurugg zur besseren Vorsorge:
Das Problem: Saurugg kritisiert, dass uns als Gesellschaft ein "gesunder Umgang mit solchen Themen" fehle. Er sagt: "Statt froh zu sein, wenn mögliche Extreme nicht eintreten, werden dann gerne die Überbringer schlechter Nachrichten oder die Warner diskreditiert."
Das Risiko eines Blackouts lässt sich Experte Saurugg zufolge kaum reduzieren: "Wir leben in einer stark vernetzten Gesellschaft, die von vielen Versorgungsleistungen abhängig ist. Treffen diese auf extreme Wetterereignisse, kommt es häufig zu Ausfällen und großen Schäden."
Aufgrund dieser Gefahr betont der Experte die Wichtigkeit von Lebensmittelvorräten. Er sagt:
Denn in dieser Zeit könne man "immer etwas zumindest notdürftig" zum Laufen bringen. "Das größte Risiko ist also die Naivität, dass schon nichts passieren wird. Und wenn doch, dass die Probleme schon jemand anderes für einen lösen wird."
Saurugg betont, dass es nicht einmal zu einem kompletten Blackout kommen müsse, damit die Situation brenzlig wird – "es reicht, wenn regional für längere Zeit der Strom ausfällt, wie es Anfang Dezember 2023 in einer österreichischen Region für 30 Stunden der Fall war". Er sagt weiter:
Dabei müsse es nicht einmal zwangsläufig darum gehen, dass es einen zweiwöchigen Stromausfall gibt. Saurugg: "Es geht darum, dass es nach einem großflächigen Stromausfall viele Tage und auch deutlich länger dauern wird, bis sich wieder eine Normalität einstellt."
Je entspannter und besser vorbereitet die Bürger:innen seien, umso besser könnten sich die Einsatzkräfte auf diejenigen konzentrieren, die wirklich Hilfe brauchen. "Das bedeutet auch, dass ein wesentlicher Teil der Vorsorge auch mit mentaler Vorsorge zu tun hat", sagt der Experte abschließend. "Damit zu rechnen, dass etwas schiefgehen kann, aber dass es einen nicht aus der Bahn wirft, weil man sich selbst und anderen helfen kann."