Das Jahr endet, aber so richtig weiß man nicht, welches Fazit man zu 2021 ziehen soll. Denn feststeht: Es geht erneut ein Jahr zu Ende, in dem wir Historisches hätten leisten müssen – stattdessen sind wir der größten Menschheitskrise erneut nicht gerecht geworden. Aber was hatte das Jahr klimapolitisch konkret zu bieten?
Wir von Fridays for Future haben die letzten Monate einer CDU-geführten Regierung erlebt, die 16 Jahre politischen Stillstand und damit die eskalierende Klimakrise maßgeblich verantwortet hat. Währenddessen haben wir einen Wahlkampf verfolgt, in dem Klima das Top-Thema dargestellt hat. Viele Menschen wurden dieses Jahr von – durch die Klimakrise verursachten – Katastrophen auf der ganzen Welt oder auch direkt vor unserer Haustür im Ahrtal getroffen, die zum Teil für Politikerinnen und Politiker völlig überraschend kam.
Wir haben dafür gesorgt, dass keine Partei darum herumgekommen ist, sich zum Klima zu äußern – und dass alle versprochen haben, die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten. Während dann nach der Wahl die Ampel-Parteien über ihren Koalitionsvertrag verhandelt haben, hat die alte Regierung an der Weltklimakonferenz teilgenommen. Einem Gipfel geprägt von leeren Versprechungen, der weit hinter allen notwendigen Entscheidungen zurückbleibt.
Symptomatisch war dafür auch die Erkenntnis und Freude der Regierungen nach sechs Jahren Pariser Klimaabkommen und 25 Jahren Weltklimakonferenz, dass Kohleverbrennung vielleicht keine so gute Idee sei, wenn man die Klimakrise noch stoppen will. Einen verbindlichen Ausstieg festzuhalten, wäre dann aber doch zu weit gegangen.
Und jetzt? Wir stehen am Anfang einer neuen Legislaturperiode. Der Letzten, in der wir in Deutschland die 180-Grad-Wende in der Klimapolitik noch schaffen können. Wir sehen eine Regierung, deren Koalitionsvertrag die Ernsthaftigkeit der Lage verkennt und eine Opposition, die kein Interesse zu haben scheint, bessere Klimapolitik als die Regierung zu machen.
Mit einer "Linken", die behauptet, sich erneuern und für eine klimagerechte Transformation kämpfen zu wollen und gleichzeitig den Klimablockierer Klaus Ernst in den Vorsitz des Klimaauschusses hievt. Mit einer Union, die nach 16 Jahren Regierung meint, sie könnte die Herausforderungen unserer Zeit mit den Menschen lösen, die die Krisen die letzten Legislaturen erfolgreich ignoriert haben. Eine Union, die Deutschlands Krisenlöser und Wissenschaftsfreund Nummer 1 – Jens Spahn – zum klimapolitischen Sprecher macht.
Es steht eine neue Regierung, die noch immer keinen Plan vorgelegt hat, wie genau sie das 1,5-Grad-Limit einhalten will. Der Koalitionsvertrag ist es jedenfalls nicht – auch wenn Scholz, Habeck und Lindner das gerne so verkaufen möchten.
Doch es ist Zeit, die Wahlversprechen einzulösen und endlich die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. In den nächsten Jahren müssen die Emissionen rapide sinken, dafür braucht es jetzt entschlossenes Handeln statt charmanter Floskeln. Es geht schon lange nicht mehr darum, mehr zu machen als die Große Koalition oder andere Staaten – es geht darum, alles Notwendige zu tun, um die Auswirkungen dieser eskalierenden Krise zu begrenzen. Dabei müsste das, was die aktuelle Regierung als Erfolge feiert, schon lange selbstverständlich sein. Eine Politik, die ihre Bevölkerung vor Krisen schützt, um Sicherheit und Freiheit zu sichern, kann von einer Bundesregierung doch nicht zu viel verlangt sein.
Wir befinden uns am Anfang der ersten 100 Tage Amtszeit der neuen Regierung – eine Bewährungsprobe, der Zeitraum, in dem die Grundsteine einer klimagerechten Politik gelegt werden können und müssen. Schon jetzt nach zehn Tagen ein endgültiges Fazit zur neuen Bundesregierung zu ziehen und sie voreilig abzuschreiben, wäre falsch.
Allerdings deutet der Koalitionsvertrag nicht darauf hin, dass die Parteien einen Plan haben, um die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten und der Aufbruch kommen wird, den die Bevölkerung gewählt hat und Ampel-Parteien uns verkaufen wollen. Die 100 Tage laufen – zeigen Sie uns Ihren Plan und beweisen Sie, dass Sie diese Krise verstanden und einen Plan haben, sie zu lösen, Herr Scholz.
Doch die Hoffnung auf die Regierung reicht in Zeiten dieser Krise nicht mehr aus. Nachdem die Klimagerechtigkeitsbewegung am Tagebau und auf der Straße den Ausstieg aus der fossilen Kohleverstromung erkämpft hat, ist die Reaktion unseres selbsternannten "Klimakanzlers" der Einstieg in die nächste fossile Technologie, Erdgas.
Entgegen wissenschaftlicher Studien pocht der neue Bundeskanzler auf den Ausbau einer überholten Technologie und könnte dadurch den Ausbau der Erneuerbaren Energien massiv gefährden. Die Zeit rennt uns davon und wir tun so, als könnten wir noch weitere tausend Chancen verschwenden, bevor wir uns entscheiden, das mit dem Klima doch noch einmal zu versuchen.
Schaut man also auf 2021 zurück, sehen wir ein Jahr, das ebenso wie die vorherigen katastrophal für das Klima war. Doch nach drei Jahren Fridays for Future wäre es dennoch falsch, zu behaupten, wir hätten nichts erreicht. Dieses Jahr haben die massive Diskursverschiebung und der Druck der Klimagerechtigkeitsbewegung Klima zum Top-Wahlkampfthema gemacht. Die Bevölkerung ist informiert wie noch nie und fordert mehrheitlich konsequentes Handeln. Und wir haben ganz konkret den Kohleausstieg 2030 erreicht. Jetzt erkämpfen wir klimagerechte Politik – laut, bunt, groß und überall auch 2022.