Nachhaltigkeit
Gastbeitrag

Lützerath, Klimastreik, COP 28: Fridays For Future ziehen Bilanz für 2023

Der globale Klimastreik von Fridays for Future zieht jährlich hunderttausende Menschen zum Demonstrieren auf die Straße.
Der globale Klimastreik von Fridays for Future zieht jährlich hunderttausende Menschen zum Demonstrieren auf die Straße. Bild: imago images/Wolfgang Maria Weber
Gastbeitrag

Lützerath, Klimastreik, COP 28: Fridays For Future ziehen Bilanz für 2023

29.12.2023, 11:20
ole horn, gastautor
Mehr «Nachhaltigkeit»

35.000 Menschen in Lützerath – was für eine Eröffnung dieses absurden und so ereignisreichen Jahres. Letztes Jahr um diese Zeit habe ich mit vielen anderen Menschen Anreisen nach Lützerath koordiniert, eine riesige Demonstration geplant und in ganz Deutschland immer wieder Aktionen organisiert. Wenige Wochen später standen Tausende Menschen im Schlamm und haben für den Erhalt dieses kleinen Dorfes gekämpft. Es war ein skurriles Gefühl – auf der einen Seite stand die Angst, die Hoffnungslosigkeit, die mit dieser Räumung verbunden war, auf der anderen Seite standen diese Tausenden Menschen – eine vereinte Klimabewegung.

Zwischen einem erdrückenden Gefühl und dem Wissen weitermachen zu müssen, war es für viele Menschen aus der Klimabewegung eine schwierige Zeit. In vielen Ecken der Bewegung war Wut zu spüren, es stand Angst im Raum.

Neue fossile Infrastruktur ist keine Option

Die Hoffnungen an die neue Regierung standen der Entscheidung zum Abbaggern von Lützerath entgegen, der Entscheidung, nur einen halbherzigen Kohleausstieg zu formen. Doch genauso wussten alle: Aufgeben ist keine Option. Lützerath sollte auch nach der Räumung weiterleben und so wurden neue Projekte geplant, Allianzen geschmiedet und am 3. März war es so weit – über 220.000 Menschen standen in Deutschland auf den Straßen. Die Gewerkschaft ver.di rief dazu auf, gemeinsam mit uns zu demonstrieren – ein Ausrufezeichen!

Alle zwei Wochen melden sich Aktivist:innen von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.
Alle zwei Wochen melden sich Aktivist:innen von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.

Nach einem kurzen Durchatmen ging es auch schon weiter: Die selbst getaufte Fortschrittskoalition plante, nach dem krummen Deal zum Kohleausstieg, gleich mit dem Ausbau der fossilen Energieträger fortzufahren. Scheinbar ist immer noch nicht angekommen, dass das Wachstum von Erneuerbaren Energien, welches erfreulicherweise beschleunigt wurde, nur bedingt Besserung mit sich bringt, wenn gleichzeitig fossile Technologien weiter ausgebaut werden. So wollte die Ampel ein LNG-Terminal auf Rügen bauen. Was gibt es auch besseres, als neben einem Flüssiggas-Terminal am Strand zu liegen? Doch so einfach sollte es nicht laufen. In kurzer Zeit formte sich ein breites gesellschaftliches Bündnis auf der größten Insel in Deutschland.

Die Anwohner*innen taten sich mit der Klimabewegung zusammen, denn für alle war klar: Neue fossile Infrastruktur ist keine Option. Gemeinsam wurden zahlreiche Aktionen durchgeführt und das mit Erfolg – der fossile Energiekonzern RWE zog sich aus dem Projekt zurück! Ein Grund zum Feiern und einer der Erfolge in diesem Jahr.

Durch die Einführung des Deutschlandtickets sollte gleich das nächste positive Ereignis folgen. Mit 49 Euro ist das Ticket zwar für viele Menschen immer noch zu teuer und trotzdem bietet es eine Mobilität für viele Menschen, die vorher in dieser Form nicht gegeben war. Auch wenn viele Probleme, wie die schlechten Arbeitsbedingungen im ÖPNV oder die schlechte Infrastruktur, damit nicht behoben sind, ist es ein wichtiger und grundlegender Fortschritt.

"Es braucht einen Wandel, der die Menschen in den Mittelpunkt stellt."

Halbzeit eines ereignisreichen Jahres für den Klimaaktivismus

Nun war es Mai und damit ein guter Zeitpunkt, auf den Jahresbeginn zurückzuschauen, zu reflektieren und sich mit unseren Arbeitsstrukturen und den nächsten Projekten auseinanderzusetzen. In Dresden führten wir mit Fridays for Future Aktivist*innen aus dem gesamten Land angeregte Diskussionen, schliefen viel zu wenig und lachten viel. Es wurden Pläne für die nächsten Monate geschmiedet und ein globaler Klimastreik angekündigt.

Wenige Wochen später reisten Hunderte Aktivist*innen nach Welzow, in die Brandenburger Lausitz, um sich für einen Strukturwandel in der Region stark zu machen. Für uns ist klar, dass die aktuelle Politik nicht nur immens schädlich für das Klima ist, sondern auch nicht ehrlich gegenüber den Menschen in den Kohleregionen. Wenn es nicht jetzt umfängliche Maßnahmen für einen sozialen Strukturwandel in diesen Regionen gibt, steht die Zukunft dieser in den Sternen. Es braucht einen Wandel, der die Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Watson ist jetzt auf Whatsapp
Jetzt auf Whatsapp und Instagram: dein watson-Update! Wir versorgen dich hier auf Whatsapp mit den watson-Highlights des Tages. Nur einmal pro Tag – kein Spam, kein Blabla, nur sieben Links. Versprochen! Du möchtest lieber auf Instagram informiert werden? Hier findest du unseren Broadcast-Channel.

Für die Politiker*innen ging es in die Sommerpause und für uns nach Lüneburg. Fünf Tage lang fand in dieser schönen niedersächsischen Stadt unser Sommerkongress statt. Aus ganz Deutschland reisten wir an, es wurde vernetzt, diskutiert, geplant, Mate getrunken, voneinander gelernt und gemeinsam gefeiert. Denn für uns war es ein besonderes Jahr: Seit fünf Jahren gehen wir nun auf die Straße – das ist ein halbes Jahrzehnt.

STOCKHOLM 20230922 Klimatstrejk pa Mynttorget i Stockholm arrangerad av n�tverket Fridays For Future. Stockholm Sverige x10430x *** STOCKHOLM 20230922 Climate strike at Mynttorget in Stockholm organiz ...
Fridays for Future gibt es bereits seit fünf Jahren.Bild: imago images/ChristinexOlsson/TT

Fünf Jahre Fridays for Future und Tausende Aktionen später

Als wir begonnen haben zu streiken, dachten viele, dass es uns nur ein paar Wochen oder Monate geben würde. Doch da lagen sie falsch: Fünf Jahre später schauen wir auf Tausende Aktionen, viele Erfolge, aber auch auf eine schwierige und herausfordernde Zeit zurück. Viele schlaflose Nächte und intensive Tage liegen hinter uns.

Trotz all der Anstrengung, der Frustration, der Wut und auch der Angst, war es für mich und ich bin mir sicher, es geht vielen anderen auch so, eine ganz besondere Zeit. All die Erlebnisse, die Erfahrungen, die einzigartigen Aktionen, die Freundschaften, die aktiven und mutigen Menschen bleiben. Sie machen Hoffnung und geben die Stärke, die wir brauchen. Apropos brauchen…

Wir wissen, es braucht uns, es braucht Menschen, die weitermachen und es braucht mehr von uns – deswegen machen wir weiter. Motiviert und gestärkt als Bewegung gingen wir aus dem Sommerkongress hervor und damit in die heiße Phase vor dem globalen Klimastreik im September. Über eine viertel Millionen Menschen gingen am 15. September mit uns auf die Straßen und trugen eine klare Botschaft in die Welt: Ein weiter so? Nicht mit uns!

"Jetzt heißt es noch ein paar Tage Kraft tanken, neue Pläne schmieden und mit noch mehr Menschen für eine gerechtere und klimafreundlichere Welt kämpfen."

Dabei sollte es nicht bleiben, die Zusammenarbeit mit ver.di aus dem Frühjahr wurde fortgesetzt und seither arbeiten Beschäftigte aus dem ÖPNV, Fahrgäste und die Klimabewegung Hand in Hand für bessere Arbeitsbedingungen und den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Es werden Gespräche geführt, neue Menschen gewonnen, Aktionen geplant und damit ein Grundstein für eine starke Bewegung im Frühjahr gelegt.

Ole Horn ist 23 Jahre alt und studiert Kommunikationspsychologie. Er ist seit 2019 aktiv bei FFF.
Ole Horn ist 23 Jahre alt und studiert Kommunikationspsychologie. Er ist seit 2019 aktiv bei FFF.privat

Naja und dann war natürlich wie jedes Jahr die Weltklimakonferenz: Ein Ort, an dem so viel passieren müsste und der eigentlich wirklich wichtig ist und doch jedes Jahr eine große Enttäuschung mit sich bringt. Auch wenn dieses Jahr eine Weiche für das Ende der fossilen Ära gestellt wurde, ist es nur eine halbherzige Erklärung, die in Summe vollkommen unzureichend für diesen Zeitpunkt ist und sich damit auch nicht wirklich wie ein Erfolg anfühlt.

Im neuen Jahr geht der Kampf fürs Klima weiter

Nun steht das nächste Jahr vor der Tür und man kann sagen, es ist mit den Wahlen in Brandenburg, Sachsen, Thüringen und vor allem in der EU entscheidend für den politischen Kurs der nächsten Jahre. Jetzt heißt es noch ein paar Tage Kraft tanken, neue Pläne schmieden und mit noch mehr Menschen für eine gerechtere und klimafreundlichere Welt kämpfen. In diesem Sinne: Genießt die positiven Erinnerungen und Erlebnisse aus diesem Jahr und lasst uns im kommenden noch mehr davon schaffen!

Stechmücken-Saison startet ungewöhnlich früh: Das sind die möglichen Folgen für den Menschen

Mit dem gefühlten Sommeranfang in der vergangenen Woche ist sie eingeläutet: die Parksaison. Auch wenn man aufgrund der aktuellen Kältefront doch noch einen Pullover für das Feierabendbier im Freien braucht, freut sich ganz Deutschland aktuell darüber, endlich wieder mehr Zeit draußen zu verbringen.

Zur Story