Fridays for Future war 2019 eine der vermutlich erfolgreichsten und resonanzstärksten Klimabewegungen überhaupt. Eine Bewegung, die es schaffte, Menschen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und Sektoren zu mobilisieren. Eine Schülerbewegung, initiiert von einer jungen Aktivistin aus Schweden, die zu einer Bewegung der breiten Masse heranwuchs.
Von Streik zu Streik wurden es mehr Menschen, die gemeinsam für eine Sache auf die Straße gingen: Klimaschutz. Oder einfacher gesagt: für unser aller Zukunft. Wir haben das "Klimathema" in die Familien, an den Abendbrottisch und in die Köpfe der breiten Masse gebracht und so das Bewusstsein dafür geweckt. Wir haben das widerlegt, was man einst von uns behauptete: dass die Jugend unpolitisch sei.
Der Politik passte unser Engagement ganz und gar nicht. Schule schwänzen fürs Klima? Das geht ja wohl zu weit! Aber wir haben die Klimadebatte in den Bundestag geholt, die Politik aufgefordert, sich an ihre eigenen Versprechen zu halten. Wir sind Fridays for Future und wir streiken bis ihr handelt.
Das Jahr begann mit einer Streikwelle: Im Januar gab es in ganz Deutschland hunderte Ortsgruppen, die im Rahmen des "Adani"-Projekts auf die Straßen gingen, um Siemens davon abzubringen, eine der weltweit größten Kohleminen mit Signalanlagen für den Abbau der Kohle zu beliefern. Im ganzen Bundesgebiet gab es Proteste: Siemens, der Konzern, der sich den Kampf für Klimaneutralität auf die Fahnen schreibt, soll solch ein Projekt unterstützen? Das ist Verrat, Verrat an unserer Zukunft!
Und wir sind mittlerweile weitaus mehr als eine Horde streikender Jugendlicher, die für ihre Zukunft auf die Straße geht. Nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich hinter uns versammelt, sondern genauso NGOs, Gewerkschaften und Menschen, denen nun erst bewusst wurde, wie dringlich diese Thematik ist.
Fridays for Future ist zu einem der wichtigsten Akteure in Sachen Klimapolitik geworden. Betrachtet man allein die Streiks zur Bürgerschaftswahl in Hamburg mit 60.000 Demonstrantinnen und Demonstranten auf der Straße – jung und alt und aus sämtlichen Milieus – wird schnell klar: Der Klimawandel findet in der Gesellschaft immer mehr Gehör, ob die Politik es will oder nicht. Wir stehen alle hinter derselben Forderung: Klimagerechtigkeit und zwar jetzt!
In einem von Lockdowns und Streikabsagen geprägten Jahr hat sich Fridays for Future zu weit mehr entwickelt als einer Demonstrationsbewegung. Durch Online-Streiks und Webinare haben wir Menschen auch während des Lockdowns die Möglichkeit gegeben, sich für Klimagerechtigkeit einzusetzen, mehr darüber zu lernen und so die Fassade dieses großen Wortes mit Leben zu füllen.
Hatte man im Jahr 2019 noch vermutet, Fridays for Future würde nach den Sommerferien gänzlich von der Bildfläche verschwinden, haben wir spätestens mit den Klimacamps im Sommer 2020 in ganz Deutschland bewiesen, dass dem nicht so ist. Wir geben nicht auf, weil wir momentan zusätzlich zur Klimakrise noch eine weitere Krise bekämpfen müssen. Mittlerweile sind wir ein fester außerparlamentarischer Spielmacher.
Auch in Bayern standen große dezentrale Proteste an, die ebenfalls im Rahmen einer Wahl – der Kommunalwahl am 13. März – stattfinden sollten. Wir haben uns dazu entschieden, die lange geplanten Großstreiks aufgrund der Corona-Pandemie abzusagen. Mit dem Slogan "Fight Every Crisis" übernehmen wir auch hier die Verantwortung, die die Politik in Sachen Klima ständig abschiebt.
Nicht nur im Rahmen der Klimakrise gehen wir Hand in Hand mit der Wissenschaft, auch im Bezug auf die Corona-Pandemie, die uns nun seit fast einem Jahr einschränkt, sehen wir uns in der Pflicht, Verantwortung zu übernehmen.
Trotz alledem darf die Klimakrise nicht unter den Teppich gekehrt werden. Deswegen wurde der erste globale Klimastreik in diesem Jahr am 24. April ins Internet verlegt. Mit einem Livestream, vielen Mitmachaktionen auf den Social Media Plattformen und kleinen physischen Aktionen wie Schilderwäldern haben wir unsere Kreativität bewiesen.
Für eine Bewegung, die von Streiks auf der Straße lebt, klingt das erst einmal ungewohnt. Doch wenn uns eines in den letzten Monaten bewusst geworden ist, dann, dass es möglich ist, Proteste auch in anderer Form stattfinden zu lassen, wenn es die Umstände nicht anders zulassen.
Doch die Politik legt noch immer dieselbe Symbolpolitik wie vor 20 Jahren an den Tag und übernimmt keinerlei Verantwortung – trotz über zwei Jahren Streik, trotz über 30 Jahren wissenschaftlicher Erkenntnisse über die drohende Gefahr der Klimakrise. Im kommenden Jahr sind die nächsten großen Wahlen, große Ereignisse wie die UN-Klimakonferenz stehen an. Und wenn wir Eines sicher sagen können, dann, dass wir protestieren bis die Politik angemessen handelt.
Es ist keine Zeit mehr, lange Reden zu schwingen, den Kohleausstieg hinauszuzögern und die Verantwortung abzugeben. In den letzten Monaten haben wir gesehen: Es ist nicht mehr so wichtig, wie wir streiken. Wichtig ist nur, dass wir streiken, protestieren und damit Druck auf die Politik ausüben. Einen großen Teil der Gesellschaft haben wir mit den Streiks aus den Jahren 2019 und 2020 auf uns und die Klimakrise aufmerksam gemacht. Das Klima ist wieder in den Köpfen der Menschen – und das ist unabdingbar.
Doch die Menschen, die wir erreichen müssen, um etwas in Sachen Klimapolitik zu bewirken, haben die Dringlichkeit noch immer nicht verstanden. Das gibt uns leider weiterhin Anlass, zu streiken und für wirksame Klimapolitik auf die Straße zu gehen. Die Pandemie hat uns in großen Teilen eingeschränkt und vor große Herausforderungen gestellt. Vieles hat sich wie zu Beginn unserer Streikplanungen angefühlt: Das Planen der Demonstrationen musste neu angegangen und andere Punkte mussten berücksichtigt werden.
Die Unsicherheit vor dem ersten richtigen Streik nach dem Lockdown war groß und umso beeindruckender war es, als am 25. September trotz Abstandsregeln und Maskenpflicht hunderttausende Menschen auf die Straße gingen. Allein dieser Streiktag macht deutlich, dass wir mehr sind als eine Bewegung, die sich kurz aufbäumt und dann wieder von der Bildfläche verschwindet. Das Klima ist zu wichtig, um einfach aufzuhören: Wir bleiben dran.