Nachhaltigkeit
Gastbeitrag

Fridays for Future kritisiert EU: "Wir brauchen keine inhaltsleeren Klimagipfel mehr"

Unter dem Hashtag Keine leeren Versprechen mehr fand im Rahmen des globalen Klimastreik s eine Demonstration der Bewegung Fridays For Future in Frankfurt statt, Hessen, Deutschland. Eine Aktivistin h
Klimagipfel alleine reichen nicht aus zur Rettung des Planeten, schreibt Gastautorin Pauline Brünger.Bild: www.imago-images.de / Ralph Peters
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Fridays for Future kritisiert EU und Bundesregierung: "Wir brauchen keine inhaltsleeren Klimagipfel mehr"

23.04.2021, 11:2823.04.2021, 15:33
Pauline Brünger, gastautorin
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US-Präsident Joe Biden trifft sich derzeit mit Spitzenpolitikern aus aller Welt bei seinem Online-Klimagipfel. Unsere Gastautorin von Fridays for Future kritisiert, dass die am stärksten betroffenen Länder gar nicht erst eingeladen wurden – und dass die EU trotz neuem Klimaziel zu wenig tut.

Mittlerweile ist es über 40 Jahre her, dass Delegierte aus aller Welt zum ersten Klimagipfel in Genf zusammen kamen. Es war der Anfang von Bestrebungen, die Klimakrise auf die internationale Bühne zu holen, um sie dort zu lösen.

Tatsächlich hat sich viel getan in den vergangenen Jahrzehnten. Nie wurde mehr übers Klima gesprochen, nie haben mehr Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger öffentlichkeitswirksam verkündet, für wie wichtig sie den Klimaschutz halten, noch nie wurden mehr "ambitionierte Klimaziele" verabschiedet.

Bei all diesen schönen Worten geht dann eines sehr schnell unter: Dass die globalen Emissionen selbst tatsächlich bis heute weiter steigen; dass die globale Erwärmung bereits heute 1,1 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegt; dass auch die deutsche Regierung konsequenten Klimaschutz weiter blockiert. Während wir weiterhin nahezu ungebremst in die Klimakrise hineinschlittern, sind Regierungen vor allem besser darin geworden, ihr Versagen unter schönen, blumigen Worten zu kaschieren.

Alle zwei Wochen melden sich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort, um zu zeigen: Wir können noch etwas gegen den Klimawandel tun – wenn wir jetzt ...
Alle zwei Wochen melden sich Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort, um zu zeigen: Wir können noch etwas gegen den Klimawandel tun – wenn wir jetzt handeln.

Wenige Monate, nachdem die USA unter Joe Biden dem Pariser Klimaschutzabkommen wieder beigetreten sind, lädt Biden 40 Staats- und Regierungschefs zum internationalen "Leaders Summit on Climate" ein – eine der wenigen internationalen Klimakonferenzen in diesem Jahr. Das angebliche Ziel des Gipfels ist es, die globalen Bemühungen zu verstärken, die Erderwärmung auf unter 1,5 °C zu beschränken. Sie solle "ein Meilenstein auf dem Weg zur UN-Klimakonferenz (COP 26)" sein.

"Leaders Summit on Climate" – allein der Name ist jedoch absurd. Viele der eingeladenen "führenden Politikerinnen und Politiker" haben bereits bewiesen, dass sie sich nicht für die Klimakrise und noch weniger für gerechte Lösungen interessieren. Und: Viele der am stärksten betroffenen Länder wurden zu dem Gipfel gar nicht erst eingeladen - dabei sind sie es, die den Kampf gegen die Klimakrise weltweit anführen! In der Vergangenheit war es notwendig, dass unterrepräsentierte Regionen anwesend sind, damit internationaler Klimaschutz gerecht und auf Augenhöhe diskutiert wurde.

Klimaziel der EU ist kein "großer Schritt"

Die EU möchte auf dem Gipfel vor allem mit ihrem lächerlich niedrigen neuen Klimaziel für das Jahr 2030 glänzen. Auf Twitter spricht das Bundesumweltministerium von einem "großen Schritt auf dem Weg zu einem klimaneutralen Kontinent", tatsächlich manifestiert es aber vor allem eine Abkehr vom Pariser Klimaschutzabkommen. Denn genauso wie das bisherige Ziel von 40 Prozent Reduktion im Vergleich zu 1990, bleiben auch 55 Prozent vollkommen unzureichend.

Die Europäische Union muss für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze aber schon 2035, also in 15 Jahren klimaneutral sein. Dazu kommt: Die beschriebenen 55 Prozent sind eine schön gerechnete Zahl, ein Rechentrick. Denn anders als bislang werden in das Ziel jetzt auch CO2-Senken mit einbezogen, also z. B. Wälder. Das ermöglicht die tatsächliche Emissionsreduktion minimal zu halten, ohne dies nach außen kommunizieren zu müssen. So hat das neue Klimaziel nichts mit der Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze zu tun.

Mitverantwortlich für das neue EU-Klimaziel ist zu einem großen Teil auch die deutsche Bundesregierung, die dort echte Ambitionen blockiert. Ehrlicherweise müsste Angela Merkel so vor allem als Klima-Zerstörungs-Kanzlerin in Erinnerung bleiben. Dabei hätte sie auf einem ihrer letzten Gipfeltreffen jetzt noch einmal die große Chance, das Blatt zu wenden: Sie könnte endlich das Ende aller fossilen Subventionen verkünden, die internationalen Klimazahlungen erhöhen und vor allem das neue EU-Klimaziel öffentlich anprangern.

Pauline Brünger ist 19 Jahre alt und hat Fridays for Future in ihrer Heimatstadt Köln mitbegründet. Sie organisiert die digitale Kommunikation und Kampagnen von Fridays for Future Deutschland und stud ...
Pauline Brünger ist 19 Jahre alt und hat Fridays for Future in ihrer Heimatstadt Köln mitbegründet. Sie organisiert die digitale Kommunikation und Kampagnen von Fridays for Future Deutschland und studiert nebenbei Philosophie, Politik und Wirtschaft. Für Fridays for Future hat sie sich intensiv mit dem Biden Summit auseinandergesetzt.bild: privat

Denn jetzt ist die Zeit, sich von der ewigen Symbolpolitik zu verabschieden! Statt leeren Reden und Versprechen braucht es in diesem Jahr großen Protest - vor und nach der Bundestagswahl! Wir haben erlebt, dass sich klimapolitisch etwas bewegen kann und dass es das immer genau dann tut, wenn Veränderung aktiv eingefordert wird. Dass im Jahr 2019 zum ersten Mal ein Ruck durch die deutsche Klimapolitik ging, war kein Zufall, sondern der Verdienst von Hunderttausenden mutigen jungen Menschen.

Und überhaupt: Bei vielen gewählten Vertreterinnen und Vertretern im Europäischen Parlament ist der Druck von der Straße angekommen. Sie haben sich für ein ambitionierteres, wenn auch nicht ausreichendes Ziel von 60 Prozent Treibhausgasreduktion bis 2030 eingesetzt – ohne Senken, ohne Rechentricks. Schade, dass Regierungen der meist emittierenden Länder das noch nicht verstanden haben und sich nun bei einem weiteren Klimagipfel fürs Nichtstun gegenseitig auf die Schultern klopfen.

"Statt leeren Reden und Versprechen braucht es in diesem Jahr großen Protest - vor und nach der Bundestagswahl!"

Wir müssen unseren Kampf für Klimagerechtigkeit fortführen. Im Superwahljahr 2021 legen wir die Grundlage für die nächsten Jahrzehnte. Es braucht konkrete politische Wege und Ziele, wie das Pariser Klimaabkommen und die 1,5-Grad-Grenze eingehalten werden können. Diese Lösungen müssen gerecht sein, sie müssen alle Menschen mitdenken.

Wenn sich Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger im November zur UN-Klimakonferenz in Glasgow treffen, müssen sie mehr vorzuweisen haben als schön gerechnete Zahlen und unehrliche Versprechen. Ansonsten bleibt internationaler Klimaschutz eine Farce. Wir brauchen keine inhaltsleeren Klimagipfel mehr – wir brauchen Regierungen, die konsequent handeln. Jetzt.

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