Mit rund 100 Jugendlichen saßen wir vor Kurzem bei den UN-Klimaverhandlungen in einem Meetingraum auf dem Campus der Vereinten Nationen in Bonn: Von der Jugendministerin der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) mussten wir uns erklären lassen, dass der Weg der Energiewende durch Ölkonzerne geleitet werden solle. Shamma Al Mazrui war 2016 die jüngste Ministerin einer Bundesregierung weltweit. Jetzt ist sie Teil der nächsten COP-Präsidentschaft – unter Leitung des Präsidenten der COP28, Sultan Al Jaber, Industrieminister der VAE und CEO der Abu Dhabi National Oil Company.
Letzten Donnerstag haben sie in Bonn mit, oder genauer gesagt zu Jugendlichen aus aller Welt gesprochen. Das Event war perfekt propagandistisch durchchoreographiert: ein ständiger rhetorischer Wechsel zwischen dem angeblichen Wunsch nach mehr Jugendbeteiligung und dem Gutheißen von fossilen Energien. Jeder mit Erfahrungen bei Klimakonferenzen konnte sehen, dass bei dieser Veranstaltung nicht wie angepriesen ein Kurswechsel vorbereitet werden soll, sondern panische Angst vor genau diesem besteht.
Aber wer würde auch auf die Idee kommen, dass der so dringend benötigte und lang ersehnte internationale politische Wendepunkt im Kampf gegen die Klimakrise gerade bei einer Konferenz passieren soll, die von Menschen geleitet wird, die von ihr profitieren?
Dies ist kein neues Problem.
Die UN-Klimakonferenzen befinden sich seit ihrem Beginn im Würgegriff der fossilen Lobby. Und der hat in den vergangenen Jahren nicht nachgelassen. Im Gegenteil.
Bei der COP27 in Sharm el-Sheikh befanden sich über 600 fossile Lobbyist:innen in den Hallen der Konferenz. Diese Zahl ist gegenüber dem Vorjahr sogar um 25 Prozent gestiegen und war sogar den gesamten Delegationen der zehn am meisten durch die Klimakrise betroffenen Länder zahlenmäßig überlegen.
Dazu kommt, dass diese Menschen meist nicht wie NGOs als Observer, also Beobachter:innen, akkreditiert werden können, da deren Konzerne für eine Akkreditierung bei einer Klimakonferenz natürlich nicht die Voraussetzungen erfüllen. Daher werden sie häufig über offizielle Delegationen nominiert – und erhalten dadurch, im Gegensatz zu Beobachter:innen, unbegrenzten Zugang zu eigentlich streng vertraulichen Verhandlungen.
Die jährlichen UN-Klimakonferenzen in Bonn, das Meeting der Subsidiary Bodies, auch genannt SBs, haben bis Ende dieser Woche als SB58 stattgefunden. Sie erfüllen hauptsächlich den Zweck, die ebenfalls jährlich stattfindenden COPs – Weltklimakonferenzen – vorzubereiten. Denn daran, worauf sich für zwei Wochen im Jahr die gesamte klimapolitische Aufmerksamkeit fokussiert, wird meist das ganze Jahr gearbeitet.
Allein aufgrund der Wirkung der Entscheidungen, die hier getroffen werden, sollte daher den SBs eine mindestens genauso hohe Aufmerksamkeit wie den COPs erteilt werden. Und das besonders in einem Jahr, in dem die Leitlinien der jeweiligen Präsidentschaft nichts Gutes fürs Weltklima vorausahnen lassen.
Selbst die Vorbereitung bei den SBs bewegt sich, wenn überhaupt, dann eher im Rückwärtsgang. Auf eine Agenda der nächsten COP in Dubai konnte sich erst in den letzten Zügen geeinigt werden. Und auch da nur auf einen Vorschlag, der gegen die Interessen von kleinen Inselstaaten durchgesetzt wurde, die, wie bekannt, am meisten durch die Klimakrise betroffen sind.
Von den technischen Aspekten des Pariser Abkommens her ist das Jahr 2023 ein Schlüsseljahr, da eine erste sogenannte globale Bestandsaufnahme stattfinden soll. Dabei werden die gesamten klimapolitischen Bemühungen aller Länder evaluiert, wodurch klar werden soll, wer wie nachzuschärfen hat.
Dadurch soll die Welt noch auf einem Pfad gehalten werden, der uns unterhalb der 1,5 Grad-Grenze lassen könnte. Auf der Konferenz in Bonn wurde oft erwähnt, dass dieses Jahr das Jahr ist, das über die 1,5 Grad-Grenze und die Kompatibilität unseres Planeten mit uns Menschen entscheiden wird.
Und während das erschreckenderweise kaum noch neu klingt, stellt dieses Jahr jedoch durch die Bestandsaufnahme zwangsläufig einen Wendepunkt in der globalen Klimapolitik dar. Nur wird erst im Dezember bei der COP28 feststehen, ob einen positiven oder negativen.
Und wenn man sich die vergangenen Jahre anschaut, ist es an diesem Punkt schwer, sich irgendeine Art des Optimismus zu bewahren. Aber genau dafür ist es wichtig, dass wir das Große Ganze im Angesicht der Kleinteiligkeit des UN-Systems und der dazu unverhältnismäßig überwältigenden Klimakrise nicht aus den Augen verlieren.
Auch das Problem der Starre des UN-Klimaregimes kann eventuell darauf zurückzuführen sein, dass es derzeit kein Land gibt, das sich der vollen Verantwortung der Klimakrise stellt. Ja, Deutschland ist "nur" für etwa ein Prozent der aktuellen globalen Emissionen verantwortlich. Aber die mögliche Kettenreaktion, die damit einhergehen könnte, wenn Deutschland sich seiner globalen Verantwortung stellen würde, könnte etwas auslösen, dessen Wirkmacht dieses eine Prozent weit überschreitet. In einer Demokratie ist es unser aller Pflicht, unsere Regierung für so etwas zur Verantwortung zu ziehen.
Wenn Du bis vor fünf Minuten nicht wusstest, was die SBs überhaupt bedeuten, bist Du damit sicher nicht allein. Ich habe in der letzten Woche einen möglichen Grund dafür herausgefunden: Es sind kaum Journalist:innen vor Ort. Und das, obwohl die Verhandlungen, die dort passieren, einen so großen Einfluss haben können und müssen. Lasst uns drüber reden.