Peter Sänger (links) spricht mit watson über die von ihm entwickelten Moosfilter.Bild: ZB / Patrick Pleul
Green Ideas
Feinstaub, der täglich im Verkehr oder auch auf Baustellen entsteht, belastet nicht nur unsere Umwelt, sondern auch unsere Gesundheit. Allein im Jahr 2019 starben der EU-Umweltagentur EEA zufolge schätzungsweise 307.000 Menschen in der Europäischen Union vorzeitig durch die Belastung ihrer Umgebungsluft mit Feinstaub. Darunter Zehntausende in Deutschland.
Besonders in den Städten ist die Luftqualität extrem schlecht – es ist heiß, trocken und staubig. Das liegt vor allem daran, dass es an Grünflächen mangelt, die das natürliche Gleichgewicht in der Luft wieder herstellen und die Atmosphäre abkühlen würden.
An dieser Stelle setzt "Green City Solutions" an. Das Unternehmen stellt Feinstaubfilter für urbane Räume her und will damit einen wertvollen Beitrag zum Klima in Städten liefern.
"So wie jetzt Solaranlagen Pflicht werden für Neubauten, muss auch das begrünte Dach Pflicht werden."
Im Interview mit watson erklärt Mit-Gründer und Geschäftsführer Peter Sänger, warum ausgerechnet Moos die perfekte Lösung für unsere überhitzten und feinstaubbelasteten Städte bietet.
watson: Euer Ziel ist es, saubere Luft in Städten zu ermöglichen – woher kam dieser Wunsch?
Die Themenfelder Natur und Stadt werden oft miteinander verknüpft und manchmal auch konträr gedacht. Wir haben uns gefragt, warum das so ist und begannen, dazu zu recherchieren. Zur gleichen Zeit kam der erste große Report der WHO heraus, der aufgezeigt hat, wie krass Luftverschmutzung eigentlich ist. Die Zahlen der vielen vorzeitigen Todesfälle schwarz auf weiß zu lesen, hat uns extrem erschüttert und motiviert etwas zu tun.
War das der Auslöser, ein Unternehmen gegen Luftverschmutzung zu gründen?
Als wir kurz vor dem Ende unseres Studiums standen, haben wir begonnen, einen Businessplan zu schreiben, um die Sache anzugehen. In der Uni entstand zu der Zeit schon ein Hype, was das Gründen anging, es wurde attraktiv beworben und der Zugang dazu erleichtert. Wir wurden ermutigt, unsere Ideen zu Papier zu bringen – neun Monate später haben wir dann "Green City Solutions" gegründet und sukzessive das Unternehmen aufgebaut.
Die Moose werden in Bestensee gelagert und gezüchtet.Bild: ZB / Patrick Pleul
Was habt ihr seit der Gründung dazu gelernt?
Wir hatten zu Beginn eine abstrakte Idee, aber keine Ahnung davon, wie sie in der Praxis taugen wird. Dafür mussten wir erst Erfahrungen machen und unsere Produkte weiterentwickeln. Das eigentliche Herzstück, nämlich die Moose, waren am Anfang nur ein Bauteil von vielen. Wir mussten noch enorm viel rundherum entwickeln, besonders in Bezug auf die Elektronik, bis die Moose im Zentrum unserer Arbeit angelangt sind. In einer Farm kultivieren wir die Moose mittlerweile professionell, wir haben uns eine wahnsinnige Expertise aufgebaut, die uns ein Alleinstellungsmerkmal gibt. Diese Verknüpfung von Biologie und Technik für die Luftreinigung und -kühlung – das ist etwas, das uns außergewöhnlich macht.
"Diese Verknüpfung von Biologie und Technik für die Luftreinigung und -kühlung – das ist etwas, das uns außergewöhnlich macht."
Wie kamt ihr auf die Idee, Moos in eure Filter zu integrieren?
Ich konnte mich daran erinnern, dass mein Großvater, der im Bergbau gearbeitet hat, mir als Kind erzählt hat, dass man Moose in den Bergstollen zur Detektion von Schwermetallen eingesetzt hat. Um zu sehen, ob die Belastung in der Luft zu hoch ist für die Bergleute. Da musste also irgendwas dran sein, dachte ich. Als ich das Thema vertieft habe, fand ich heraus, dass es bereits Programme zur Reduktion von Schadstoffen gab und dass Mooskügelchen an Straßenrändern aufgehängt wurden, um Luftgüte zu messen. Das war für mich ein Moment der Erkenntnis: Das Moos könnte uns bei der Lösung des Luftverschmutzung-Problems wunderbare Dienste leisten.
Wie funktionieren die Luftfilter und welche Rolle spielt Moos dabei?
Moos spielt eine zentrale Rolle. Die warme und dreckige Stadtluft oder Industrieluft wird gezielt durch ein Moospolster geschoben, zur Durchlüftung sozusagen. Dabei müssen wir dafür sorgen, dass dieser Organismus keinen Schaden daran nimmt – das ist die Kernaufgabe. Die Moose sind von Natur aus nicht daran gewöhnt, vertikal aufgehängt und aktiv mit Schadstoffen belegt zu werden – das ist ein Stressmoment. Insofern müssen wir dafür sorgen, dass dieses Habitat, also ihre natürliche ökologische Umgebung, nachgebildet wird, damit sie nicht vertrocknen oder erkranken. Unsere Produkte, die CityTrees und die CityBreezes, sorgen dafür, dass die Moose im besten Zustand gehalten werden.
CityTree, CityBreeze und WallBreeze
Der CityTree ist das Herzstück von "Green CIty Solutions" – er ist dem Unternehmen zufolge der weltweit erste Biotech Feinstaubfilter für urbane Räume. Der CityBreeze ist schlanker und besitzt auf der einen Seite eine grüne Mooswand und auf der anderen einen LCD-Screen. Mit ihrem nächsten Produkt, dem WallBreeze wollen "Green City Solutions" bald auch Fassaden mit Moos verkleiden.
Könnten die Filter auch bei Privatpersonen im Haus angebracht werden?
In Fabriken, in Hotellobbys, in Atrien – dort, wo sich viele Leute aufhalten, sind wir schon vertreten. In der Zukunft können die Produkte immer kleiner und auf den individuellen Nutzen angepasst werden. Es ist also durchaus denkbar, dass wir sie uns bald ins Wohnzimmer stellen können. Da ist viel Zukunftsmusik drin, denn Moose sind für die meisten Menschen ein absolut sympathischer Organismus.
Das stimmt wohl.
Unsere Aufgabe ist es, dieses Image weiter zu pflegen und den Menschen zu zeigen, dass man mit lebendigen Moosen viel anstellen kann. Wir wollen die Kraft der Natur nutzen und verstärken.
"Das Moos soll nicht die nächste Zimmerpflanze werden, die in irgendeiner Ecke vor sich hin vegetiert."
Wie stark können denn die Feinstaubbelastung und die Temperatur durch das Moos gesenkt werden?
Das ist erheblich und es waren viele Tests dafür notwendig, um feste Zahlen herauszufinden. Aber mittlerweile können wir sagen, dass die Luft bis zu 82 Prozent gereinigt wird. Die direkte Umgebung kann um 4, 5, teilweise sogar um 8 Grad Celcius abgekühlt werden.
Wie bleiben die Moose feucht?
Unsere intelligente Computertechnik gibt den Moosen genau so viel Wasser zurück, wie sie verlieren. Das ist unsere wichtigste Aufgabe: dafür zu sorgen, dass die Moose nicht stark austrocknen und dann erst wieder befeuchtet werden, denn genau diese Schwankungen machen das Moos auf Dauer kaputt.
Das Moos wird vertikal gelagert.Bild: ZB / Patrick Pleul
Was passiert, wenn es in den Städten besonders heiß wird?
Verkehr, Haushalt und Industrie erzeugen Unmengen an Emissionen, gleichzeitig gibt es zu wenige Flächen, wo sich Luft wieder erfrischen kann, zum Beispiel Waldstücke oder große Wiesen. Durch dieses Ungleichgewicht, das in den Städten besteht, entsteht eine hohe gesundheitliche Belastung. Denn Fakt ist: Jedes Mikrogramm an Staub in der Luft kann Krankheiten hervorrufen. Insofern ist jedes Mikrogramm weniger ein absoluter Benefit für Menschen, die in der Stadt leben.
Könnte man nicht stattdessen auch mehr Bäume pflanzen?
Pflanzen haben stark zu leiden in der Stadt, werden krank und sterben früh. Auch Wurzelraum ist in der Stadt stark begrenzt. Die Bäume müssen sich diesen Platz mit Stromleitungen und U-Bahn-Schächten teilen. Insgesamt führt das dazu, dass die natürliche Vegetation diesen Ausgleich nicht schaffen kann. Gerade in Berlin konnten wir das in den letzten Jahren gut beobachten: Junge Bäume wurden voller Hoffnung gepflanzt, dann kamen die zwei Hitzesommer 2018 und 2019, und sie sind kaputtgegangen.
Trotzdem versuchen immer mehr Städte, Grünflächen an Fassaden oder auf Bushaltestellen zu installieren. Sind solche Vorhaben zum Scheitern verurteilt, weil die Grünflächen im Sommer sowieso austrocknen?
Manche Pflanzen trotzen der Hitze und der Feinstaubbelastung besser als andere, doch auch diese Organismen werden angesichts der Extremwetterlagen an ihre Grenzen kommen, wenn wir sie nicht unterstützen. Straßenbäume beispielsweise werden oft bewässert, aber eine ausgewachsene Buche verbraucht etwa 300-500 Liter Wasser am Tag. Wie viel muss dieser Baum gegossen werden, bis es ihm wirklich gut geht? Das zu leisten, ist in der Stadt nahezu unmöglich. Die grüne Infrastruktur mit Fassaden- und Dachbepflanzung aufrechtzuerhalten, ist allerdings ein guter Ansatz.
Das Moos muss immer feucht bleiben.Bild: ZB / Patrick Pleul
Was müsste noch passieren, damit die Luftqualität in den Städten besser wird?
Vor allem muss untersucht werden, warum sich die Städte so schnell aufheizen. Das hat zum Beispiel mit den verbauten Materialien zu tun. Schwarze Straßen, dunkle Fassaden, Glas – sie alle nehmen Wärme auf und reflektieren sie nicht. Deswegen kühlen sich die Städte auch nicht mehr in der Nacht ab, weil die Wände enorm viel Energie gespeichert haben, die sie abgeben. Dieses Problem wird sich weiter zuspitzen und auch der Grünflächenverlust ist erheblich, das sind Fußballfeld-große Flächen am Tag. Es ist unvorstellbar. Grüne Dächer und Fassaden sollten das absolute Minimum sein. So wie jetzt Solaranlagen Pflicht werden für Neubauten, muss auch das begrünte Dach Pflicht werden.
Hätten mehr Grünflächen in der Stadt auch einen psychologischen Effekt?
Es ist unbedingt notwendig! Die Menschen leiden unter Stress, sind gebeutelt von vielen schlechten Nachrichten, von der Pandemie ganz zu schweigen. Es ist nachgewiesen, dass Leute in der Natur gesunden, sowohl psychologisch als auch mit dem gesamten Körper. Dass sich Menschen in der Natur wohler fühlen, entspannen und abschalten können, daran gibt es keinen Zweifel. In der Stadt kann man nach diesen Erholungsorten oft vergeblich suchen. Insofern ist mehr Grün auf jeden Fall eine Entlastung fürs Gehirn und es würde das Wohlbefinden in der Stadt signifikant steigern.