Nachhaltigkeit
Interview

Sara Nuru: Von GNTM zu Kaffee – Model erklärt, warum sie ihr Leben veränderte

Sara Nuru
Sara Nuru gründete 2016 zusammen mit ihrer Schwester nuruCoffee. bild: null / sisterMAG
Interview

Was regt dich in Sachen Nachhaltigkeit auf, Sara Nuru?

20.07.2024, 15:08
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Dass Sara Nuru sich auskennt mit Beauty, weiß man, seit sie als erste Person of Color (PoC) bei der Castingshow "Germany's Next Topmodel" gewonnen hat. Und spätestens seit sie ihr eigenes Social Business nuruCoffee und ihren Verein nuruWomen gegründet hat, steht für sie auch Nachhaltigkeit im Fokus.

Es war daher naheliegend, sie zum prominenten Gesicht der Green Beauty Week zu machen: Vom 22. bis 28. Juli soll Aufmerksamkeit und Transparenz für das Thema Nachhaltigkeit in der Beauty-Branche geschaffen werden.

Darum soll es auch im watson-Interview mit der heutigen Unternehmerin gehen.

watson: Es ist 11 Uhr. Bei der wievielten Tasse Kaffee bist du jetzt?

Sara Nuru: Ich hatte noch keine! Ich habe bis zur letzten Sekunde geschlafen und bin dadurch heute ein bisschen spät dran. Aber weil ich gerade wieder schwanger bin, versuche ich sowieso meinen Konsum einzuschränken.

Deinen Kaffee machst du selbst. Geht es dir bei nuruCoffee um Geschmack, Nachhaltigkeit oder das Soziale, dass du damit Frauen in Äthiopien unterstützt?

Wir wollten weg von dem typischen Spenden-Gedanken, dass wir im Westen armen, bedürftigen Menschen in Äthiopien helfen. Das hat etwas Überhebliches. Beim Social-Business geht es darum, beim wirtschaftlichen Handel auch noch Gutes zu tun. Von Kaffeeproduktion und Business hatten wir zwei Schwestern am Anfang überhaupt keine Ahnung. Der Nachhaltigkeits-Gedanke kam dazu, als wir das erste Mal eine Kaffee-Plantage in Äthiopien besucht haben.

Was habt ihr dort erlebt?

Wir haben uns verschiedene Plantagen angesehen, darunter auch riesige Kaffee-Produktionsstätten von Großlandbesitzern, die dort Monokulturen hochgezogen und Tagelöhner beschäftigt haben unter Bedingungen, die wir so auf keinen Fall wollten. Und dann haben wir beschlossen, es besser zu machen.

Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit kriegen viele immer noch nicht zusammen. Kannst du erklären, warum das falsch ist?

Es gibt viele Unternehmen, wie Viva con Agua und Chari Tea, die zeigen, dass es möglich ist. Ich bin dennoch kein Fan davon, große Unternehmen anzuprangern und zu behaupten, nur die kleinen machen es richtig. Veränderungen in großen Unternehmen umzusetzen, kann komplizierter sein und länger dauern. Aber ich glaube wirklich, dass das die Zukunft sein muss. Glücklicherweise haben immer mehr Kund:innen auch den Anspruch, nachhaltige Produkte zu kaufen – und wenn die Nachfrage da ist, entsteht auch das Angebot.

Wie gut ist die Beauty-Branche bei Nachhaltigkeit?

Wenn wir ehrlich sind, ist die Kosmetik-Industrie weit weg davon, zu 100 Prozent nachhaltig zu sein. Es gibt immer noch viele Menschen, die Nachhaltigkeit aus verschiedenen Gründen nicht leben. Das ist ja auch eine Kostenfrage. Aber da ist die Green Beauty Week als Aktionswoche rund um das Thema Nachhaltigkeit in Beauty ein guter Schritt in die richtige Richtung, weil dadurch ein Fokus auf das Thema gesetzt wird. Die teilnehmenden Produkte müssen dabei Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Solche Initiativen können langfristig zu mehr Nachhaltigkeit in der Branche führen.

Was läuft aktuell noch schief?

Wir machen uns inzwischen sehr viele Gedanken übers Essen. Da soll alles nachhaltig sein. Aber sobald es um unsere Haut geht, was ja unser größtes Organ ist, ist man oft zu nachlässig.

Was machst du selbst?

Ich versuche mich damit auseinanderzusetzen, wie ein Produkt überhaupt entsteht. Und da setze ich lieber auf kleine Brands statt auf die großen Marken. Ich lese mir die Inhaltsstoffe durch, weil ich wissen will, was da drinsteckt. Je mehr hinten draufsteht, was ich nicht verstehe, desto weniger nachhaltig ist das Produkt oft.

Was ist dein Tipp für mehr Nachhaltigkeit in der Kosmetik?

Auf die Verpackungen achten. Ich nutze zum Beispiel eine Zahnpasta zum Wiederbefüllen in einer Glasflasche, wie man sie sonst von Seife kennt. Da fällt die Verpackung weitestgehend weg, es hält echt lang und sieht auch noch schön aus. Man kann aber auch handelsübliche Crème-Verpackungen aufschneiden und auskratzen, bevor man sie entsorgt. Ich bin immer überrascht, wie viel doch noch drin steckt, obwohl man dachte, sie sei schon leer.

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Was regt dich in Sachen Nachhaltigkeit auf?

Wenn im Haushalt unnötig Wasser läuft. Das finde ich so verschwenderisch! Wenn man es einfach ausmacht, wenn man es nicht braucht, kann man leicht Wasser sparen. Zum Beispiel beim Duschen: Wenn ich meine Haare shampooniere, muss das Wasser nicht weiterlaufen. Was ich auch nicht mag, ist, wenn das Licht brennt, obwohl man nicht im Raum ist. Ich komme aus Äthiopien, wo es teilweise nicht mal Elektrizität gab. Meine Eltern haben uns da sehr streng erzogen.

Wie eng bist du heute mit Äthiopien verbunden?

Um die Kaffeeernte zu begleiten und unsere Frauen-Projekte zu unterstützen, sind wir eigentlich mehrfach im Jahr in Äthiopien. Aktuell rät uns unser Partner vor Ort allerdings von einem Besuch ab.

Warum?

Das Klima hat sich seit dem Bürgerkrieg (2020 bis 2022; Anm.d.Red.) verändert. Es ist nicht mehr so sicher und frei wie vor ein paar Jahren. Sobald man die Hauptstadt Addis Abeba verlässt, ist es zu gefährlich. Unsere Projekte sind 580 Kilometer von dort entfernt. Deshalb sind wir aktuell leider nur über Video-Calls im Austausch. Viele andere Projekte und NGOs sind aus Äthiopien raus. Aber ich glaube, gerade in schwierigen Situationen muss man den Menschen zur Seite stehen.

Bekannt geworden bist du mit "Germany’s Next Topmodel". Wirst du als Unternehmerin unterschätzt?

Am Anfang wurde ich oft unterschätzt, was ich natürlich als unangenehm empfunden habe. Seitdem sind viele Jahre vergangen, "GNTM" war 2009. Inzwischen bekomme ich dieses Klischee nicht mehr so zu spüren. Das merke ich auch an den Einladungen, die ich erhalte. Ich darf Vorträge halten auf Events, zu denen CEOs von wichtigen Unternehmen kommen. Neulich saß ich auf einem Panel zusammen mit Tina Müller, CEO von Weleda, früher Douglas, deren Lebenslauf ein komplett anderer ist als meiner. Ich habe nicht studiert und die Schule abgebrochen.

Wie hast du dich selbst verändert?

Alleine durch die Fehler, die ich gemacht habe, und die Learnings, die ich dadurch gewonnen habe, bin ich inzwischen woanders. Daraus ist ein Selbstbewusstsein entstanden, das ich vorher nicht hatte. Ich lasse mich heute nicht mehr so verunsichern durch einen Spruch oder einen Blick.

Du arbeitest zusammen mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Wäre es für dich eine Option, in die Politik zu gehen?

Im Hinblick auf mehr Repräsentanz von Frauen und PoCs, würde mich das reizen. Aber in einer Partei sehe ich mich nicht. Man muss ein gewisser Schlag Mensch sein, um in die Politik zu gehen. Ich fürchte, dafür bin ich zu weich gestrickt.

Du wirst in diesem Jahr zum zweiten Mal Mutter. Ist dir Nachhaltigkeit wichtiger, seit du Kinder hast?

Nein. Es ist nicht so, dass ich ein anderer Mensch bin, seit ich Mutter bin. Ich verstehe, wenn Menschen sagen, dass sie wollen, dass unsere Welt auch für die nächsten Generationen noch ein schöner Ort ist. Ich will aber auch für mich und unsere Generation, dass nichts verloren geht.

Wie vermittelst du Nachhaltigkeit an deine Kinder?

Mein Kind ist noch sehr klein, das zweite noch gar nicht da. Dennoch versuche ich von Anfang an, ein gutes Vorbild zu sein und in der Nachhaltigkeit, aber auch insgesamt mit gutem Beispiel voranzugehen. Da spüre ich eine Verantwortung, die ich so vorher nicht getragen habe. Ich will nicht nur sagen, sondern auch vorleben, wie wichtig Nachhaltigkeit ist.

Hast du ein Beispiel?

Ich hoffe, dass die beiden später mal mitkommen nach Äthiopien und sich eine Kaffeepflanze ansehen, um beispielsweise Kaffee wirklich wertschätzen zu können. Aber man kann auch hier Erdbeeren pflücken, statt sie im Supermarkt zu kaufen, um zu sehen, wo Dinge herkommen, die wir konsumieren.

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