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Trockenheit in Deutschland: Klimawandel zwingt Landwirte zum Umdenken

The tractor plows the land. Agriculture image.
Mit einer Drillmaschine fährt ein Traktor über ein Feld – und zieht eine große Staubwolke hinter sich her. Seit Wochen bleibt der dringend benötigte Regen aus.Bild: iStockphoto / Aleksandr Rybalko
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Trockenheit in Deutschland: Klimakrise zwingt Landwirte zum Umdenken

11.05.2022, 19:45
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Das Frühjahr war in Deutschland vielerorts zu trocken, doch der Regen bleibt weiter aus: Die Waldbrandgefahr steigt, mancherorts wird das Wasser knapp, regional drohen Ernteausfälle – und das ausgerechnet jetzt, wo die Ukraine nicht liefern kann und durch die Hitzewelle in Indien auch dort die Ernte gefährdet ist.

Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes (DWD) wurde im März für Deutschland eine monatliche Niederschlagsmenge von 15 Millimetern gemessen – das sind knapp 74 Prozent weniger als im Mittel des Zeitraums von 1991 bis 2020. Damit war der März der vierttrockenste seit 1991.

"Die Trockenheit in manchen Regionen sorgt derzeit dafür, dass sich das Wachstum verzögert."
Johann Meierhöferackerbauexperte vom deutschen bauernverband

Modellierungen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) untermauern das: Durch den ausbleibenden Regen sind große Teile Deutschlands von einer Bodendürre betroffen, wie der Dürremonitor zeigt. Insbesondere im Osten offenbart sich großflächig eine "außergewöhnliche Dürre". Pflanzen setzt das unter Stress – denn zum Teil ist das im Boden verfügbare Wasser so knapp, dass sie welken.

Ist das Wetter oder schon Klima?
Ob und inwieweit ein Wetterereignis mit der Erderwärmung zusammenhängt, lässt sich oftmals mithilfe hochkomplexer Attributionsstudien ermitteln.
Bei Dürren ist dies besonders komplex, da es viele verschiedene Arten gibt: Landwirtschaftliche und ökologische Dürren sind in der Wissenschaft als Mangel an Bodenfeuchtigkeit definiert, während sich meteorologische, hydrologische und Grundwasser-Dürren an Niederschlagsmangel, geringen Flusspegeln oder niedrigen Grundwasserspiegeln zeigen.
Bei den landwirtschaftlichen und ökologischen Dürren ist die Verbindung zum Klimawandel am klarsten, wie auch im jüngsten IPCC-Bericht beschrieben. Diese Dürren haben zudem direkte Folgen für die Lebensmittelsicherheit von Gesellschaft und die Natur im Allgemeinen.
medien-leitfaden der world weather attribution und klimafakten.de

"Die Trockenheit in manchen Regionen sorgt derzeit dafür, dass sich das Wachstum verzögert", sagt Johann Meierhöfer, Ackerbauexperte vom Deutschen Bauernverband, gegenüber watson. Während die Wintersaaten aufgrund ihrer schon längeren Wurzeln an das Wasser in tieferen Erdschichten herankommen, sieht es bei frisch gesäten Sommerkulturen problematischer aus.

Pflanzen wie Mais und Raps kommen besser mit Trockenheit klar

Mit Blick auf die immer wiederkehrenden und durch die Klimakrise länger andauernde Trockenheit und Wasserknappheit bräuchte man künftig Pflanzen, die besonders gut mit Trockenphasen umgehen können. Kichererbsen, aber auch Mais kommen damit aufgrund ihrer Herkunft recht gut zurecht, ebenso Tiefwurzler wie Raps oder Luzerne. Neben dem Wetter haben aber auch der Einsatz von Bewässerung, Dünge- und Pflanzenschutzmittel einen starken Einfluss auf den Ernteertrag.

"In jeder Fruchtart gibt es Exemplare, welche das besser können als andere. Die Kunst ist, sie zu finden", sagt Meierhöfer. Dazu sei es notwendig, alle zur Verfügung stehenden Züchtungstechniken einzusetzen, um Sorten zu entwickeln, die klimaresistenter sind. Vorbehalte gegen moderne Züchtungsmethoden wie CrisprCas seien da nicht hilfreich.

CrisprCas - Was ist das?
Genschere oder molekulares Skalpell, wie die Methode mit dem Namen CrisprCas in der Alltagssprache auch genannt wird, beschreibt das Durchtrennen des Erbgutmoleküls DNA – und somit eine gezielte Veränderung am Erbgut von Pflanzen. Mit diesem molekularbiologischen Werkzeug wird die Züchtung von Nutzpflanzen präziser, schneller und günstiger. Dieses Verfahren ist allerdings umstritten – Gegner:innen der Methode bezeichnen es als eine weitere Form der Gentechnik.
Max-planck-gesellschaft
2022-05-10 14:39:03 REUSEL - Landwirte bewässern ihre Felder im Süden von Brabant. Der Rijkswaterstaat und die Wasserverbände werden diese Woche weitere Maßnahmen gegen die Dürre ergreifen. ANP ROBIN  ...
Aufgrund der Trockenheit müssen die Rapsfelder gut bewässert werden. Bild: ANP / Robin van Lonkhuijsen

Auswirkungen der Trockenheit auf die Ernte – und damit die Ernährungssicherheit

Wie schwer sich die Trockenheit letztlich auf die Ernte auswirken wird, lässt sich Stefanie Sabet zufolge, Geschäftsführerin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, noch nicht abschätzen. Klar aber ist: Sinken die Erträge, wirkt sich das auch auf die Verfügbarkeit regionaler Rohwaren – und somit den Preis der betroffenen Lebensmittel – aus.

Gegenüber watson sagt Sabet:

"Der Blick auf die vergangenen Jahre zeigt, dass Extremwetterereignisse wie Trockenheit auch die deutsche Landwirtschaft mit dem Klimawandel häufiger treffen werden. Daher sind Lösungen für die Landwirte gefragt, die ihre zukünftigen Erträge sichern."

Zwar bestehe bislang noch keine akute Gefährdung der Ernährungssicherheit in Deutschland, dennoch stehe die Lebensmittelproduktion mit der Rohstoffkrise an ihren Belastungsgrenzen. Mit Blick auf die globale Ernährungssicherheit müsse man da definitiv von einer kritischen Lage sprechen. "Der Krieg führt zu einem deutlichen Rückgang des Handels mit der Ukraine, aber auch mit Russland und somit zu einer Angebotsverknappung heute und vielmehr noch in den ausstehenden Ernten von Getreide und Ölsaaten", betont Sabet.

Dabei beschränkt sich die Rohstoffkrise nicht allein auf unterbrochene Lieferketten, wie etwa beim Sonnenblumenöl. Auch bei Agrarrohstoffen wie Fisch, Getreide, Honig und Zulieferprodukten wie Futtermittel und Verpackungen verknappt sich das Angebot.

Klimakrise abmildern, Ernte sichern – funktioniert das?

Weil die Auswirkungen der Klimakrise in Deutschland zu ganz unterschiedlichen Folgen und Extremwetterereignissen führen würden, müsse man dies auch in der Landwirtschaft berücksichtigen: "Der eine Landwirt wird mehr auf trockentolerante Sorten setzen, der andere muss wegen regional häufigerer Starkregenereignisse seinen Anbau so verändern, dass der Boden meist bedeckt ist", erklärt Ackerbauexperte Meierhöfer.

Für alle Landwirte aber gelte: Erfahrung allein reicht nicht mehr aus. Das Wissen über die Auswirkungen der Klimakrise müsse auch in der Landwirtschaft Anwendung finden.

Risse bilden sich auf dem trockenen Boden von einem Rapsfeld.
Auf dem ausgetrockneten Boden eines Rapsfeldes bilden sich bereits Risse. Bild: dpa / Daniel Bockwoldt

Corinna Baumgarten, Wasserexpertin beim Umweltbundesamt, erläutert gegenüber watson, dass die Prognosefähigkeiten beim Thema Trockenheit und Wasserknappheit dringend verbessert und Daten besser gebündelt werden müssten, "um schnell und effizient auf Klimaänderungen reagieren zu können". Handlungsbedarf sieht sie insbesondere beim Schutz der Böden vor Erosion, Verdichtung und Humusverlust sowie für verstärkten Wasserrückhalt.

"Wir müssen die Resilienz der Lebensmittelproduktion in Deutschland und weltweit stärken", betont Stefanie Sabet. Nur durch weltweit offene Märkte und Mechanismen könnten kurzfristige Versorgungsengpässe abgemildert werden. "Resilienz bedeutet auch Nachhaltigkeit, insofern ist an den Nachhaltigkeitszielen festzuhalten." Dennoch müsse angesichts der historischen Herausforderungen durch den Krieg und die anhaltende Trockenphase geprüft werden, ob beispielsweise an der "Farm to Fork"-Strategie des Green Deals – trotz zu befürchtender Produktionsrückgänge – festgehalten werden könne.

Stefanie Sabet ergänzt:

"Wir müssen neue Technologien offensiv nutzen, um eine wachsende Weltbevölkerung sicher und nachhaltig zu ernähren. Die Corona-Pandemie wurde durch einen neuartigen Impfstoff bewältigt. Die Rohstoffkrise kann durch neue Züchtungsmethoden, den gezielten Einsatz neuer Dünge- und Pflanzenschutzmittel, die Erschließung zusätzlicher Proteinquellen, eine beschleunigte Energiewende und geschlossene Kreislaufwirtschaft bewältigt werden."
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