Nachhaltigkeit
Klima-Klartext

Fridays for Future: Rügen steht gegen LNG-Terminals zusammen

Der Kampf gegen das LNG-Terminal auf Rügen schweißt zusammen.
Der Kampf gegen das LNG-Terminal auf Rügen schweißt zusammen.Bild: Johann Schilling/Jusos
Klima-Klartext

Fridays-for-Future-Aktivist: "Ein LNG-Terminal verändert meine ganze Heimat"

Klimaschutz ist nicht nice to have, sondern zwingend notwendig. Deshalb schreiben Klimaaktivist:innen von Fridays for Future regelmäßig für watson über das, was sie bewegt – und was sich politisch bewegen muss. Es geht um Gerechtigkeit, Zukunft und die Frage, wie wir gemeinsam Lösungen gestalten können. In dieser Woche kommt der Beitrag von Niklas Reinbold.
15.06.2025, 13:0315.06.2025, 13:03
Niklas Reinbold
Mehr «Nachhaltigkeit»

Sie ist 283 Meter lang, 43 Meter breit und 26 Meter hoch. Vor der Küste Rügens thront seit einiger Zeit die Neptune. Auch wenn es der Name vermuten lässt, handelt es sich nicht um eine römische Gottheit, sondern ein schwimmendes LNG-Terminal.

Verflüssigtes Erdgas wird hier angelandet, regasifiziert und über eine Anbindungsleitung in das deutsche Gasnetz eingespeist. Dafür kommt jede Woche ein gewaltiger LNG-Tanker nach Rügen – sofern er nicht vorher auf Grund läuft wie jüngst die "Iberica Knutsen". Es war nicht der einzige Störfall dieser Art.

Die Lage auf Rügen ist beunruhigend

Schon Anfang des Jahres trieb die "Eventin" mit 100.000 Tonnen Rohöl manövrierunfähig vor unserer Insel. Wie sich später herausstellte, war das Schiff Teil von Putins Schattenflotte. Ich bin hier auf Rügen geboren und aufgewachsen. Für meinen Vater und Großvater gilt dasselbe. Wir sind uns einig: Die Lage ist mehr als beunruhigend.

Seitdem Pläne für ein LNG-Terminal im Hafen des Ortes Mukran öffentlich wurden, brachten viele Rüganer:innen ihren Ärger über den regelmäßigen Lärm und die Gefahren für Umwelt und Tourismus lautstark zum Ausdruck. Das will etwas heißen, denn eigentlich gelten wir als unterkühlt, norddeutsch eben. Du kannst innerhalb eines Tages vom Chef gefeuert werden, das Familienauto zu Schrott fahren und dir dabei beide Beine brechen – dein Kumpel wird dir auf die Schulter klopfen und sagen: "Es ist wie es ist".

Das LNG-Terminal in Mukran lässt bis heute die wenigsten kalt. Vor zwei Wochen riefen Fridays for Future, Jusos und die Bürgerinitiative "Lebenswertes Rügen" zu einer Demonstration unweit der Neptune auf. Anlass bot der Sommerkongress der SPD-Jugendorganisation in Prora mit dem Themenschwerpunkt Klima, auf dem auch die Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken zu Gast waren.

Ein wichtiges Signal, denn echte Klimapolitik kommt in der SPD noch viel zu selten zur Geltung. Philipp Türmer, Vorsitzender der Jusos, warnte auf der LNG-Demonstration davor, sich erneut von fossilen Energien abhängig zu machen. Mukran diente seinerzeit bereits als Zwischenlager für Rohre der Nord-Stream-Pipeline nach Russland.

Erdöl- und Erdgas boomt in den USA

Luisa Neubauer machte eindringlich auf die Herkunft von LNG aufmerksam. Dieses kommt heute vorrangig aus den USA. Seit Donald Trumps Amtsantritt erlebt die heimische Erdöl- und Erdgasgewinnung einen enormen Boom.

Leidtragende sind häufig arme Menschen und People of Color, deren Häuser in unmittelbarer Nähe der Industrieanlagen stehen. Luft- und Wasserverschmutzung sowie erhöhte Krebsraten sind für sie schon lange bittere Realität. Nicht umsonst haben solche Gegenden mittlerweile einen Namen: "Sacrifice Zones", Opferzonen.

Niklas Reinbold ist 23 Jahre alt und Klimaaktivist bei Fridays for Future Rügen.
Niklas Reinbold ist 23 Jahre alt und Klimaaktivist bei Fridays for Future Rügen.Bild: Johann Schilling/Jusos

Deutschland nimmt die gesundheitlichen Auswirkungen vor Ort billigend in Kauf. Transport, Verflüssigung und Regasifizierung von LNG verursachen zudem höhere Emissionen als einst russisches Pipeline-Gas – und befeuern so jeden Tag die Klimakrise. Und Rügen ist kein Einzelfall.

Die Bundesregierung plant landesweit den Bau von Gaskraftwerken und die Erweiterung von LNG-Terminals. So soll etwa im niedersächsischen Wilhelmshaven das größte Gasimportterminal Deutschlands entstehen. Der Baubeginn des 1,7 Kilometer langen Anlegers ist für 2026 geplant. Die Deutsche Umwelthilfe kritisierte vor kurzem, dass das bestehende LNG-Terminal "Hoegh Esperanza" bereits jetzt Chlorrückstände in der Nordsee verursacht.

Die fossile Renaissance in Deutschland wirft nicht nur klimapolitische, sondern auch wirtschaftliche Fragen auf. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung mahnte mehrfach an, dass eine Gasmangellage, mit der der Ausbau der LNG-Infrastruktur seit dem Sommer 2022 gerechtfertigt wird, zu keinem Zeitpunkt eintrat. Der Gasmarkt ist heute – national wie international – gesättigt. So war das LNG-Terminal auf Rügen lange Zeit kaum ausgelastet.

Angesichts fehlender Nachfrage aus Ostdeutschland wurde es zeitweise sogar als Umschlagplatz für Lieferungen nach Skandinavien genutzt. Die Betreiberfirma "Deutsche ReGas" zog das Schwesterschiff der Neptune, die Energos Power, im Februar folgerichtig aus Mukran ab.

Und dennoch: Gemäß des LNG-Beschleunigungsgesetzes von 2022 dürfen solche Flüssiggasterminals bis Ende 2043 am Netz bleiben. Dabei müsste Deutschland bis 2035 einen vollständigen Gasausstieg vollziehen, um die Pariser Klimaziele noch einzuhalten. Der voreilige LNG-Rausch infolge des russischen Angriffskriegs erschwert dies ungemein.

Mecklenburg-Vorpommern ist Vorreiter beim Ausbau erneuerbarer Energien. Mit Blick auf das LNG-Terminal an der Rügener Küste agiert die Landesregierung allerdings bis heute mehr als zögerlich. Auf der Demonstration im Hafen Mukran wehte deshalb ein großes Banner mit der Aufschrift: "fossilfrei tut gut – Erneuerbare statt dreckiges Gas", in Anlehnung an den landeseigenen Slogan "MV tut gut".

Rügener distanzieren sich von der Regierung

Die Regierungen in Schwerin und Berlin unterliegen einem doppelten Irrtum. Neue fossile Infrastruktur schadet nicht nur Klima und Natur, sondern hinterlässt auch bei der heimischen Bevölkerung tiefe Narben. Das LNG-Terminal auf Rügen ist ein Paradebeispiel dafür. Wer hier wohnt, merkt, dass sich die Menschen zunehmend von "denen da oben" distanzieren.

Verkürzte Genehmigungsfristen, ausgedünnte Umweltverträglichkeitsprüfungen und eine abgeschmetterte Bundestagspetition verstärken bei vielen schlichtweg den Eindruck, mit vollendeten Tatsachen konfrontiert zu werden. Dieser Vertrauensverlust schlug sich zum Teil wohl auch am 23. Februar nieder.

Bei der Bundestagswahl 2025 wählten in unserem Wahlkreis 35,5 Prozent die AfD – 2021 waren es nur 18,9 Prozent. Der deutschlandweite Trend beweist, dass es kein LNG braucht, um eine rechtsextreme Partei zu wählen. Es ist im Übrigen auch kein legitimer Grund, dies zu tun. Doch Rügen zeigt einmal mehr: Gute Klimapolitik gründet auf Vertrauen – und schwimmende Gas-Terminals bieten dafür keine stabile Basis.

Europas größte Wasserstofftankstelle in Düsseldorf eröffnet
In Düsseldorf verbindet sich Abfall mit Antriebskraft. Aus Müll wird Strom, aus Strom wird Wasserstoff, und der tankt ab sofort Europas größte Wasserstoffflotte auf. Hier entsteht ein lokal geschlossener Energiekreislauf, der vor allem Busse und Lkw auf Kurs Richtung Klimawende bringt.

Wasserstoff hat viele Farben. Blau, türkis, grün. Damit ist nicht das Aussehen des farblosen, gasförmigen Elements gemeint, sondern seine Herstellungsart. Der große Vorteil, den diese Farben mit sich bringen: Wasserstoff kann im Idealfall emissionsfrei erzeugt werden und als Energieträger dienen.

Zur Story