Die Gletscher in den Schweizer Alpen sind dieses Jahr laut Wissenschaftlern so stark geschmolzen wie nie zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen vor etwas mehr als 100 Jahren. Wegen der geringen Schneemengen im Winter und der anhaltenden Hitzewellen im Sommer gingen rund drei Kubikkilometer Eis verloren, wie eine Expertenkommission der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz berichtete. Das entspricht mehr als sechs Prozent des Gletschervolumens.
Im Zuge des Klimawandels fiel schon in vergangenen Jahren in tieferen Lagen weniger Schnee, während die Schmelzperiode immer früher im Jahr einsetzte. Laut der Akademie war die Schneedecke, die die Gletscher vor der Sonne schützt, im vergangenen Frühling so dünn wie selten zuvor.
Dazu kamen zwischen März und Juni große Mengen an Saharastaub. Der verunreinigte Schnee nahm deshalb mehr Sonnenenergie auf und schmolz schneller, hieß es. Die starke Sommerhitze habe dem Eis dann weiter zugesetzt.
Im Mittelwert verloren die Schweizer Gletscher dieses Jahr drei Meter an Dicke, wie die Messungen ergaben. Kleinere Gletscher wie der Pizolgletscher, der Vadret dal Corvatsch und der Schwarzbachfirn seien jetzt praktisch verschwunden, berichtete die Akademie. Die Messungen wurden deshalb dort eingestellt.
Laut der Akademie spielen Gletscher besonders in heißen und trockenen Jahren eine wichtige Rolle für den Wasserhaushalt und die Energieversorgung der Schweiz. "Alleine die Eisschmelze in den Monaten Juli und August hätte genügend Wasser geliefert, um sämtliche Stauseen der Schweizer Alpen von null aufzufüllen", erklärte das Expertenteam.
Und auch um die deutschen Gletscher steht es schlecht – sie schwinden schneller als von Forschenden angenommen. Der "Südliche Schneeferner" verliert gar seinen Status als Gletscher, wie die Bayerische Akademie der Wissenschaften mitteilte. "Aufgrund der geringen Eisdicke kann auch keine Eisbewegung mehr erwartet werden, sodass der "Südliche Schneeferner" nicht länger als eigenständiger Gletscher betrachtet wird."
Er sei nur noch halb so groß wie vor vier Jahren, habe massiv an Dicke eingebüßt – und fließe nicht mehr. In ein, zwei Jahren, so die Prognose, dürfte er ganz verschwunden sein. Nun gibt es in Deutschland nur noch vier Gletscher – die ebenfalls vom Abschmelzen bedroht sind.
Die Dicke des Eises am "Südlichen Schneeferner" nahm laut Bayerischer Akademie der Wissenschaften in weiten Bereichen weiter deutlich ab und erreicht an den meisten Stellen nicht einmal mehr zwei Meter. Selbst an der tiefsten Stelle sei das Eis inzwischen weniger als sechs Meter dick, im Vergleich zu etwa zehn Metern 2018.
"Daraus lässt sich schließen, dass das verbleibende Eis innerhalb der kommenden ein bis zwei Jahre vollständig abschmelzen wird", urteilen die Wissenschaftler. Zugleich habe sich die Gletscherfläche seit 2018 auf weniger als einen Hektar halbiert.
Auch das Eis der anderen vier Gletscher in Deutschland – "Nördlicher Schneeferner" und "Höllentalferner" an der Zugspitze sowie "Blaueis" und "Watzmanngletscher" in den Berchtesgadener Alpen – war in diesem Sommer weiter geschmolzen.
(sp/dpa)