
Waschbären sehen durchaus niedlich aus.Bild: imago images / blickwinkel
Klima & Umwelt
Die kleinen Räuber fressen nicht nur Müll, sondern gefährden auch geschützte Arten. Expert:innen schlagen Alarm – und fordern politische Konsequenzen.
07.04.2025, 08:4707.04.2025, 08:47
Plötzlich steht er auf dem Balkon. Oder sitzt auf dem Spielplatz. Der Waschbär, mit seinen maskenartigen Augenringen und der flauschigen Gestalt, wirkt harmlos – fast niedlich. Doch der Eindruck täuscht. Immer öfter berichten Menschen in Deutschland von Begegnungen mit dem nachtaktiven Räuber. Was viele nicht wissen: Der Waschbär breitet sich rasant aus – und bedroht dabei mehr als nur Mülltonnen.
Waschbären (Procyon lotor) kamen in den 1930er-Jahren aus Nordamerika nach Deutschland – nicht als blinde Passagiere, sondern ganz gezielt. Zunächst wurden sie zur Pelzzucht gehalten, doch 1934 setzte man in Hessen absichtlich vier Tiere in die Freiheit aus. Weitere folgten, unter anderem in der Eifel. Manche entkamen auch aus Zuchten – zum Beispiel in Berlin.
Seitdem breiten sich die flinken Allesfresser ungebremst aus. Ohne natürliche Feinde finden sie in Wäldern, Parks und sogar Wohnsiedlungen ideale Bedingungen – und vermehren sich rasant. Der Waschbär hat sich fest etabliert – und dabei die heimische Natur spürbar verändert.
Waschbären in Deutschland in immer mehr Regionen auf dem Vormarsch
Im Jahr 2023 meldeten 69 Prozent der Jagdreviere in Deutschland Waschbär-Vorkommen – das sind fast dreiviertel mehr als noch 2011. Das zeigen Daten des Deutschen Jagdverbands (DJV), die auf Erhebungen aus über 24.000 Revieren basieren.
Auch die Zahl der Tiere, die gejagt wurden, spricht Bände: Über 239.000 Waschbären wurden im vergangenen Jahr zur Strecke gebracht – mehr als doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren. Die Tendenz? Steigend. Nach einigen Jahren mit stabilen Werten ging die Kurve 2023 wieder deutlich nach oben.
Ein Blick auf die Zahlen zeigt auch: Vor allem in Hessen sowie in den ostdeutschen Bundesländern Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern wimmelt es nur so von Waschbären. In diesen Regionen meldeten über 90 Prozent der Reviere Vorkommen. Besonders dicht besiedelt ist Hessen, wenn man die Zahlen auf die Fläche umrechnet – gefolgt von den ostdeutschen Flächenländern.
Waschbären noch vor Rotfüchsen
Der Waschbär hat inzwischen sogar den Rotfuchs als am häufigsten erlegten Beutegreifer in mehreren Bundesländern verdrängt. In Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen liegt er in der Jagdstatistik vorn. In Thüringen ist der Fuchs noch knapp vorn – doch dem Trend zufolge dürfte sich das bald ändern.
Bayern hingegen scheint aktuell noch eine Waschbär-Insel zu sein: Dort wurden fast 20-mal so viele Rotfüchse wie Waschbären geschossen.
Die Verbreitung des Waschbären ist nicht nur eine Frage von Zahlen – sondern auch von Artenschutz. Denn sie sind Allesfresser, die auch bedrohte Tierarten auf ihrem Speiseplan haben. Im Rahmen des Forschungsprojekts Zowiac hat ein Team um den Parasitologen Sven Klimpel untersucht, was genau sie fressen. Das Ergebnis ist alarmierend.
"Wir konnten mittels modernster genetischer Analysemethoden eindeutig nachweisen, dass Grasfrösche, Erdkröten und Gelbbauchunken zu den Beutetieren von Waschbären zählen", sagte Klimpel bei "National Geographic".
In einem Naturschutzgebiet in Osthessen fanden Naturschützer:innen über 400 gehäutete Kröten – und das innerhalb nur einer Stunde. Der Verdacht: Waschbären umgehen so geschickt die Giftdrüsen der Tiere. "Ein wirklich deprimierender Rekord", sagte Timo Spaniol vom Nabu, der das Gebiet betreut, der "Fnp".
Auch in den Laboren der Goethe-Universität Frankfurt wurde geforscht. Und was man dort im Mageninhalt der Waschbären fand, dürfte Reptilienfreunde entsetzen: Knochen und Gewebereste von Ringelnattern – und sogar Hinweise auf den Verzehr der streng geschützten Äskulapnatter.
"Es wurde Waschbär-DNA sowohl auf der Schlange als auch an den geöffneten Eiern nachgewiesen", erklärt Annette Zitzmann der Arbeitsgemeinschaft Amphibien- und Reptilienschutz in Hessen auf der Webseite. Die Äskulapnatter steht auf der Roten Liste – als "stark gefährdet".
Der Deutsche Jagdverband sieht deshalb dringenden Handlungsbedarf. In einer Erklärung heißt es: "Der DJV fordert von der Politik ein klares Bekenntnis – auch zur Fangjagd." Rund 40 Prozent der Waschbären werden laut Verband aktuell mit Fallen gefangen. Das sei zwar effektiv, aber extrem zeitaufwendig und teuer.
Die Lösung? Dem Verband zufolge braucht es eine staatliche Förderung, um die Fangjagd auf Waschbären gezielt auszuweiten und so die heimische Artenvielfalt zu schützen.
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